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Zürich – Die Personenfreizügigkeit ist in der Schweiz nicht mehr mehrheitsfähig. Mit der Annahme der Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» am 9. Februar steht der erfolgreiche bilaterale Weg mit Europa auf der Kippe und damit einer der Pfeiler des hohen Wachstumspotenzials der Schweiz. Gross wird daher die Verunsicherung in der Wirtschaft sein. Das Beschäftigungswachstum dürfte sich folglich halbieren und mit der üblichen Verzögerung von einem Jahr auch die Zuwanderung bremsen. Betroffen ist davon hauptsächlich der Mietwohnungsmarkt. In den Zentren dürfte sich der Druck auf den Wohnungsmarkt reduzieren und die Marktmieten allenfalls leicht sinken lassen. Mittel-und langfristig erwarten wir jedoch wachsende Leerstände, in erster Linie ausserhalb der urbanen Räume.
Wie es nach dem hauchdünnen Ja weitergehen wird, ist unklar. Klar ist einzig, dass für die EU Kontingente mit der Personenfreizügigkeit nicht vereinbar sind. Dadurch sind nicht nur die bilateralen Verträge I gefährdet, sondern ist grundsätzlich die weitgehend gleichberechtigte Partizipation der Schweiz an der Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes infrage gestellt.
Grosse Verunsicherung in der Wirtschaft …
Unmittelbar dürfte die Annahme der Initiative keine merklichen Auswirkungen auf die Zuwanderung haben, denn die Initiative lässt die Höhe der künftigen Kontingente offen und gewährt dem Bundesrat eine dreijährige Übergangsfrist, bis ein Ausführungsgesetz die offenen Fragen geklärt haben muss. Gross wird dagegen die Unsicherheit sein, die besonders in der Wirtschaft bereits um sich zu greifen begonnen hat. Der bisherige bilaterale Weg kann so nicht mehr weitergeführt werden. Gangbare alternative Wege mit Europa stehen derzeit nicht zur Disposition, sodass man diesbezüglich vor einem Scherbenhaufen steht und von Schadensbegrenzung die Rede ist.
… kostet Arbeitsplätze und reduziert Zuwanderung
Verunsicherung ist Gift für Investitionen – und als eine Investition ist auch die Einstellung von Personal zu verstehen. Kurzfristig ist deshalb ein empfindlicher Rückgang des Beschäftigungswachstums zu erwarten. Gemäss unseren Berechnungen dürfte sich dieses ungefähr halbieren. In Zahlen ausgedrückt dürften über die nächsten drei Jahre rund 80’000 Arbeitsplätze weniger geschaffen werden.[1] Die geringere Dynamik auf dem Arbeitsmarkt hätte Konsequenzen für das Wachstum des Bruttoinlandproduktes: Wir rechnen mit einem um 0.3 Prozentpunkte tieferen Wirtschaftswachstum im Vergleich zu unseren bisherigen Prognosen.
Mietwohnungsmarkt am stärksten betroffen
Da die Zuwanderung jeweils mit Verzögerung auf Signale der Beschäftigungsentwicklung reagiert, dürfte das Ja kaum Auswirkungen auf die Zahl der Immigranten im laufenden Jahr haben. 2015 dürfte sich das geringere Beschäftigungswachstum jedoch in einer Reduktion von 70’000 auf 50’000 Nettozuwanderer niederschlagen. Ironischerweise wird die Zuwanderung zunächst nicht durch Kontingente reduziert, sondern durch Standortunsicherheiten der Unternehmen. Damit dürften im nächsten Jahr rund 10’000 Wohnungen weniger nachgefragt werden. Diese Wohnungen befinden sich bereits in Erstellung und werden auch im Falle gedrosselter Neubauplanung in jedem Fall auf den Markt kommen. Wir rechnen folglich mit einer Beschleunigung des bisherigen Trends zu leicht höheren Leerständen. 2015 dürfte die Leerstandsziffer von heute 0.96% auf rund 1.2% zunehmen. Da die meisten Zuwanderer zunächst eine Wohnung mieten, ist in erster Linie der Mietwohnungsmarkt vom Rückgang der Zuwanderung betroffen. Welche Mietwohnungsmärkte die Folgen im Detail spüren würden, zeigt eine vertiefte Analyse der Raumtypen, auf welche sich die internationalen Zuwanderer in der Vergangenheit konzentriert haben (vgl. Abb. 1). Die Grafik veranschaulicht, dass sich internationale Zuwanderer mehrheitlich in den Zentren niedergelassen und dort die neugebauten Wohnungen vollumfänglich absorbiert haben. Der Zuwanderungsdruck hat zudem bewirkt, dass bisher in den Zentren Ansässige abwanderten (sogenannte Binnenwanderung) oder dann näher zusammenrückten (negativer Mehrverbrauch).
Bemerkenswert ist, dass nachgerade die Zentren, welche dem Zuwanderungsdruck am stärksten ausgesetzt sind, die Initiative abgelehnt haben. Die Probleme auf dem Immobilienmarkt können daher das Ja ursächlich nicht erklären.
Anstieg der Leerstände in der Peripherie
In den von Wohnungsknappheit geplagten zentralen Regionen dürfte sich die Wohnsituation aufgrund der reduzierten Zuwanderung leicht entspannen. Der Anstieg der Marktmieten dürfte gebremst werden und stellenweise könnten Mietpreisrückgänge die Folge sein. Der anhaltende Trend zur Reurbanisierung und eine mögliche Umkehr der jüngsten Binnenwanderung aus den Zentren werden weitergehende Konsequenzen im urbanen Raum verhindern. Dagegen ist zu erwarten, dass Leerstände vermehrt in der Peripherie auftreten werden. Sinkt der Siedlungsdruck in den Zentren, reduziert sich auch die Abwanderung aus den Städten und die Nachfrage im ländlichen Raum sinkt. Hinzu kommt, dass sich die Planung von neuen Mietwohnungen verstärkt auf ländliche Regionen konzentriert (vgl. Abb. 2). Der geschätzte Anstieg der Leerstände um 0.25 Prozentpunkte im Jahr 2015 dürfte damit vor allem den rot eingefärbten Wirtschaftsregionen entspringen.
Mittelfristig beschränkte direkte Auswirkungen auf den Immobilienmarkt
Mittelfristig ist auch bei einer Kontingentierung nicht mit einem massiven Rückgang der Zuwanderung zu rechnen. Die Erfahrungen mit den früheren Kontingentssystemen lehren, dass sich die Zuwanderung damit nur eingeschränkt steuern lässt. Völkerrechtliche Verträge, die hohe Lebensqualität in der Schweiz und das grosse Lohngefälle dürften die Zuwanderung in die Schweiz nicht so rasch abklingen lassen. Im Falle anhaltend guter makroökonomischer Bedingungen erscheint eine Zuwanderung im Umfang von rund 40’000 bis 50’000 Personen pro Jahr auch unter einem Kontingentsystem wahrscheinlich. Mit einem Einbruch der Zuwanderung ist daher nach einem einmaligen Rückgang nicht zu rechnen, sodass sich auch die direkten Auswirkungen auf den Immobilienmarkt mittel- bis langfristig in Grenzen halten dürften.
Wohneigentum nur indirekt betroffen
Zwei Entwicklungen werden den Markt jedoch stärker prägen. Erstens dürfte die aktuelle Angebotsausweitung, deren Wucht aufgrund von strukturellen Problemen in der Bauwirtschaft bisher nur teilweise auf den Markt hat einwirken können, verstärkt Spuren hinterlassen. Zweitens wird das langfristig geringere Wachstum der Schweizer Wirtschaft die Wohnraumnachfrage unseres Erachtens nicht nur über die Zusatznachfrage der Zuwanderer reduzieren, sondern auch über eine reduzierte Binnennachfrage. Dies dürfte beispielsweise den Wohneigentumsmarkt stärker tangieren, der kurzfristig kaum von der Abstimmung betroffen ist. Die Eigenheimpreise sind hauptsächlich von den tiefen Zinsen beflügelt worden und auf diese hat die Abstimmung keine Auswirkung. Am ehesten dürften die Verunsicherung und die Eintrübung der Beschäftigungssituation die Nachfrage dämpfen. Zu den graduell ansteigenden Zinsen und der verschärften Regulierung gesellt sich damit ein dritter Bremsfaktor, sodass Ende 2014 ein leichtes Minus bei den Eigentumspreisen resultieren könnte. Solange die Zinsen aber noch immer weit unter ihren historischen Mittelwerten notieren, dürfte das hohe Preisniveau vor grösseren Rückschlägen geschützt sein. (Copyright © 2014 Credit Suisse Group AG)
[1] Vgl. Credit Suisse Economic Research, Research Alert: «Switzerland votes Against “excessive“ immigration and growth»