IBM & ETH Zürich eröffnen Nanotechnology Center

Heinrich Rohrer (links) und Gerhard Binning legen 1981 mit einem ersten Scanning Tunnel Mikroskop (STM) die Grundlage der Nanotechnologie-Forschung. (Bild: IBM)

Rüschlikon – Im Beisein von Bundesrat Didier Burkhalter und 600 Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik haben IBM Research – Zürich und die ETH Zürich heute das gemeinsame Forschungszentrum für Nanotechnologie in Rüschlikon eröffnet.

Das neue Zentrum ist das Herzstück einer 10-jährigen strategischen Partnerschaft in Nanowissenschaften, um neuartige Strukturen und Bauteile für zukünftige Elektronik- und Informationstechnologien auf atomarer Skala zu erforschen.

„Binnig und Rohrer Nanotechnology Center“
In Würdigung der Pionierleistungen der beiden IBM Forscher und Nobelpreisträger Gerd Binnig und Heinrich Rohrer erhält das Zentrum den Namen „Binnig und Rohrer Nanotechnology Center“. Die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops (RTM), für das die Physiker 1986 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurden, ermöglichte es erstmals, einzelne Atome auf einer Oberfläche abzubilden. Viele sehen im erfolgreichen Ersteinsatz des RTMs die Geburtsstunde der Nanotechnologie.

Das neue „Binnig und Rohrer Nanotechnology Center“ in Rüschlikon.

Beispielhafte Public-Private-Partnership
„Mit diesem Setting, einer beispielhaften Public-Private-Partnership, kommt in diesem partnerschaftlich geführten Forschungszentrum ein Mass an Expertenwissen und Kompetenz, Polyvalenz und Schlagkraft zusammen, das seinesgleichen sucht, «betont Bundesrat Didier Burkhalter. „Ich bin überzeugt, dass diese Zusammenarbeit, diese enge Verbindung von Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie, Früchte tragen und in der Nanotechnologie nochmals neue Perspektiven für die Menschheit eröffnen wird.“

Zusammenarbeit in zukunftsträchtigem Forschungsgebiet
Mit dem Nanotechnology Center erfahren beide Partner nicht nur eine bedeutende Erweiterung der bestehenden Forschungsinfrastruktur, sondern intensivieren und öffnen auch die Zusammenarbeit in diesem zukunftsträchtigen Forschungsgebiet. Dazu ETH-Präsident Ralph Eichler: „Die Partnerschaft mit dem IBM Forschungslabor in Rüschlikon in unmittelbarer Nähe zur ETH Zürich ist ein Glücksfall. Mit dem neuen Nanotechnologie-Zentrum heben wir eine schon seit Jahren andauernde fruchtbare Zusammenarbeit auf eine neue Ebene. Ich bin überzeugt, dass beide wissenschaftlichen Partner, aber auch der Standortkanton Zürich und die Schweizer Wirtschaft davon profitieren werden.“ Mit der EMPA engagiert sich ein weiterer externer Partner im neuen Zentrum und eine Zusammenarbeit steht auch anderen Forschungsinstitutionen und Industrieunternehmen offen. „Heute ist ein Meilenstein im IBM Jubiläumsjahr erreicht, an dem wir ein neues Kapitel unserer langjährigen Tradition der wissenschaftlichen Zusammenarbeit aufschlagen“, betont John Kelly, Senior Vice President der IBM Forschung. „Im neuen Zentrum werden IBM Wissenschaftler Seite an Seite mit unseren Partnern die Zukunft der Informationstechnologie erforschen und durch neue Erkenntnisse die Grenzen des Wissens weiter verschieben.“

Grundlagenforschung und angewandte Projekte
Wissenschaftler und Ingenieure der ETH Zürich und von IBM verfolgen im Nanotechnology Center sowohl eigene wie gemeinsame Projekte. Das Spektrum der Forschungsaktivitäten reicht von der Grundlagenforschung zum Verständnis der physikalischen Eigenschaften und Vorgänge auf atomarer Skala bis hin zur Entwicklung neuer nanoelektronischer Bauelemente und Bauelemente-Architekturen sowie deren Fertigungsverfahren. Die ETH Zürich ist bereits mit drei Professuren permanent im neuen Zentrum vertreten. Weitere Forschungsgruppen können zudem die neue Infrastruktur für Projekte nutzen.

Entwicklung neuartiger Schaltelemente für zukünftige Computerprozessoren
Die Entwicklung neuartiger Schaltelemente für zukünftige Computerprozessoren und Speicher ist für die IBM ein zentraler Forschungsschwerpunkt. Innovationen in diesem Bereich sind kritisch für die Zukunft der IT-Industrie. Bereits heute weisen Computerprozessoren Bauelemente und Strukturen weit unter 100 Nanometer auf. Um künftig noch leistungsfähigere Computersysteme zu realisieren, die signifikant weniger Energie verbrauchen, erforschen IBM Wissenschaftler unter anderem so genannte Nanodrähte aus halbleitenden Materialien. Auf Basis dieser extrem dünnen (3 – 100 Nanometer) quasi eindimensionalen Strukturen entwickeln sie neue Transistor-Architekturen, die das Potenzial zeigen, bis zu 10-mal weniger Energie zu verbrauchen.

Weitere Forschungsbereiche der beiden Institutionen umfassen Mikro- und Nanosysteme (MEMS und NEMS), Spintronik und Magnetismus, Kohlenstoff-basierte Elektronik, Organische Elektronik, Molekulare Elektronik, Funktionale Materialien, Kühlung, 3D-Integration von Computerchips, Optische Datenkommunikation und Photonik sowie Simulation und Theorie. Da die Erforschung und praktische Umsetzung neuer Nanotechnologien in grossem Masse von präzisen und effizienten Herstellungsmethoden abhängt, untersuchen IBM und ETH-Forscher auch neuartige Nanofabrikationsverfahren.

Nanotechnologie als Querschnittstechnologie
Nanotechnologie konzentriert sich auf Strukturen mit Dimensionen unter 100 Nanometer – ungefähr 800-mal dünner als ein menschliches Haar. Unterhalb dieser Grössenordnung spielen die Oberflächeneigenschaften gegenüber den Volumeneigenschaften von Materialien eine immer grössere Rolle und es treten quantenphysikalische Effekte auf. Nanotechnologie stellt eine Querschnittstechnologie dar, von der man Innovationen auf verschiedenen Gebieten erwartet. Grosses Potenzial für künftige Anwendungen liegt in Bereichen wie funktionalen Materialien, Sensorik, medizinischer Diagnostik sowie Energie- und Umwelttechnik.

Investition in Spitzenforschung
Das Binnig and Rohrer Nanotechnology Center bietet mit rund 6500 m2 auf vier Ebenen eine Forschungsumgebung auf dem neuesten Stand der Technik. Kernstück des Gebäudes ist ein 950 m2 grosser Reinraum für Mikro- und Nanofabrikation. Er wird mit mehr als 50 massgeschneiderten Instrumenten ausgestattet und bietet den Forschenden ein hohes Mass an Flexibilität. Eine Besonderheit sind sechs so genannte „Noise-free Labs“ – Speziallabors für extrem empfindliche Messungen und Experimente. Diese sind vor sämtlichen äusseren Einwirkungen wie Erschütterungen, elektromagnetischen Feldern oder Temperaturschwankungen geschützt. Forschung auf der Nanometerskala erfordert Fabrikation und Charakterisierung mit der entsprechenden Genauigkeit. Die Kombination der in den „Noise-free Labs“ getroffenen Massnahmen ist in dieser Art bisher einzigartig und eröffnet eine neue Qualität der Messungen.

IBM-Forscher Emanuel Lörtscher blickt aus einer benachbarten Kammer in den «noise free»-Laborbereich.

Investitionsvolumen von 90 Mio. Franken
Der Neubau hat ein Investitionsvolumen von 90 Mio. Franken, wovon 30 Mio. für die technische Infrastruktur anfallen. Diese Infrastrukturkosten und die entstehenden Betriebsaufwendungen teilen sich die Partner. Die Gebäudekosten wurden von IBM getragen. Der Reinraum wird von beiden Partnern gemeinsam benutzt, daneben hat die ETH Zürich Räumlichkeiten für wenigstens 10 Jahre gemietet. Mit einem Minergie-konformen Haustechnikkonzept und dem Einsatz von Erdsonden sowie einer Photovoltaikanlage erfüllt das Gebäude hohe Anforderungen an die Energieeffizienz.

Forschungskooperation mit dem Litauischen Wirtschafts- und Bildungsministerium
Neben den bestehenden Partnerschaften hat IBM im September 2010 eine fünfjährige Forschungskooperation mit dem Litauischen Wirtschafts- und Bildungsministerium beschlossen, in dessen Rahmen Wissenschaftler mehrerer Litauischer Hochschulen mit IBM Teams im Nanotechnology Center an gemeinsamen Projekten arbeiten werden. Diese umfassen u.a. integrierte Photonik und photonische Materialien für zukünftige Computersysteme sowie nanostrukturierte Sicherheitssiegel, etwa zum Schutz vor Plagiaten.

IBM: 100 Jahre Fortschritt
Die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops zählt zu den bedeutendsten Meilensteinen in IBMs 100jähriger Geschichte. Mit 100 „Icons of Progress“ – Jubiläumssignete, die bedeutende Erfindungen oder Errungenschaften des Unternehmens symbolisieren – unterstreicht IBM ihre Rolle als Treiber von Innovation in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.

ETH Zürich
Die ETH Zürich steht für exzellente Lehre, wegweisende Grundlagenforschung und die Anwendung der Ergebnisse zum Nutzen der Gesellschaft. Als eine international führende technisch-naturwissenschaftliche Hochschule zählt sie heute über 16 000 Studierende und mehr als 400 Professorinnen und Professoren. 21 Nobelpreisträger, die an der ETH Zürich studiert, gelehrt oder geforscht haben, unterstreichen den hervorragenden Ruf der Hochschule. Ihr Wissen in die Wirtschaft und die Gesell-schaft zu transferieren, ist eines der Hauptanliegen der ETH Zürich. Sie tut dies mit Erfolg, wie die jährlich 80 neuen Patentanmeldungen sowie die 215 Spin-off-Firmen belegen, die zwischen 1996 und 2010 aus der Hochschule hervorgegangen sind. Die ETH Zürich richtet ihre Forschungsstrategie auf globale Herausforderungen aus wie zum Beispiel den Klimawandel, die Welternährung sowie die Gesundheit der Menschen.

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