Bern – In der Schweiz arbeiten immer mehr Menschen über das AHV-Rentenalter hinaus. Der Trend zur Frühpensionierung dagegen hat sich in den vergangenen Jahren abgeschwächt. Dies zeigt eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV). Im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2011 arbeitete gut ein Drittel der erwerbstätigen Männer und Frauen über das ordentliche Rentenalter hinaus, wie die am Montag veröffentlichte Studie zeigt.
Rund 40% der Erwerbstätigen traten bis zu einem Jahr vor dem ordentlichen AHV-Rentenalter aus dem Erwerbsleben aus. Etwas mehr als 20% traten in den Ruhestand, wenn sie das ordentliche Rentenalter erreicht hatten.
Internationale Spitzenposition
Die Männer schieden durchschnittlich im Alter von 64,1 Jahren aus dem Erwerbsleben aus, die Frauen im Alter von 62,6 Jahren. Damit nehme die Schweiz im internationalen Vergleich zusammen mit Norwegen und Schweden eine Spitzenposition ein, heisst es in der Studie.
Der Trend dürfte anhalten: Von den befragten Erwerbstätigen im Vorruhestandsalter plant ein Fünftel bereits heute, auch nach dem Rentenalter noch arbeitstätig zu sein. Die Unternehmen sind daran interessiert, verfügen jedoch noch über keine systematische Personalpolitik, um die Beschäftigung älterer Personen zu fördern, wie die Studie zeigt. Die meisten richten die Bemühungen eher auf Jüngere, Frauen und ausländische Arbeitskräfte.
Finanzierung der AHV sichern
Aus Sicht des Bundes sollte das Arbeiten über das Rentenalter hinaus aber gefördert werden: Die Erwerbstätigkeit älterer Personen werde von grosser Bedeutung sein, schreibt das BSV.
Sie könne dem erwarteten Fachkräftemangel entgegenwirken und dazu beitragen, die langfristige Finanzierung der Altersvorsorge zu sichern. Die Studie bildet laut dem BSV denn auch eine «weitere Grundlage für die anstehenden Entscheide zur Reform der Altersvorsorge».
Vorbezug neu regeln
Als mögliche Massnahme nennt das Bundesamt die Einführung von AHV-Teilrenten. Denkbar wäre auch, die gesetzlichen Regelungen zur Flexibiliserung des Erwerbsaustritts in der beruflichen Vorsorge und der AHV stärker aufeinander abzustimmen, heisst es in der Studie.
Laut BSV-Direktor Jürg Brechbühl bedeutet dies, dass bei der beruflichen Vorsorge und bei der AHV dieselbe Untergrenze für einen möglichen Vorbezug gelten würde, beispielsweise zwei Jahre. Auch die Möglichkeit zum Aufschub der Rente würde einheitlich geregelt.
Gleiches Rentenalter für alle
Weiter könnten die Regeln für früher oder später bezogene Renten «versicherungstechnisch korrekt» ausgestaltet werden, schreibt das BSV. Wer länger arbeitet, würde also mit einer höheren Rente belohnt, wer sich frühpensionieren lässt, mit einer niedrigeren Rente bestraft.
Schliesslich könnte – wie bereits bei früheren Reformen geplant – das AHV-Rentenalter für Frauen von heute 64 auf 65 Jahre erhöht werden. Gemäss der Studie hat sich eine Mehrheit der Befragten für ein einheitliches Rentenalter ausgesprochen. Eine Erhöhung des Rentenalters über 65 Jahre lehnten dagegen die meisten ab.
Freude an der Arbeit wichtig
Doch nicht nur der Bundesrat und das Parlament, sondern auch die Arbeitgeber könnten aus Sicht des BSV Massnahmen treffen, um arbeitsfähige und -willige Personen länger im Erwerbsprozess zu halten. Die Studie zeigt nämlich, dass neben der Gesundheit die Arbeitsbedingungen eine grosse Rolle spielen beim Entscheid, länger zu arbeiten.
Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, eine gesundheitlich nicht belastende Arbeit, ein gutes Arbeitsklima, interessante Arbeit und die Wertschätzung des Arbeitgebers. Etwas weniger ins Gewicht fällt gemäss der Studie die Aussicht auf eine höhere Rente.
Unfreiwillig frühpensioniert
Beim Entscheid, vor dem Rentenalter in Pension zu gehen, spielen institutionelle Anreize eine nicht unwichtige Rolle, etwa gute Bedingungen für den Rentenvorbezug bei der beruflichen Vorsorge. Viele lassen sich aber auch aus gesundheitlichen Gründen fühpensionieren – oder weil sie den Wunsch haben, Freizeitaktivitäten nachzugehen.
Frühpensionierte, die noch keine Altersvorsorgeleistungen beziehen, scheiden dagegen überwiegend unfreiwillig aus dem Erwerbsleben aus – wegen gesundheitlicher Beschwerden, Zwangspensionierungen oder Kündigungen.
Für die Studie wurden 1292 Personen im Alter zwischen 58 und 69 Jahren sowie 1969 Unternehmen befragt. Die Befragungen wurden durch qualitative Interviews mit Sozialpartnern und Arbeitgebenden ergänzt. (awp/mc/ps)