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Neuenburg – Immer mehr Menschen in der Schweiz kaufen Eigentumswohnungen. Gleichzeitig steigen die Mietzinsen: Zwischen 2000 und 2010 nahmen sie um über 20% zu. Trotz Tiefstzinsen und einer Teuerung von nur 9% zahlten Mieter in der Schweiz Ende 2010 über einen Fünftel mehr für ihre Wohnungen als zehn Jahre zuvor, nämlich durchschnittlich 1284 CHF. Eine 3-Zimmer-Wohnung – die meist gemietete Wohnkategorie – kostete im Schnitt rund 250 CHF mehr als Ende 2000.
Gemäss der am Donnerstag veröffentlichten Strukturerhebung zum Wohnungswesen des Bundesamts für Statistik (BFS) sind die kantonalen Unterschiede gross. Während der durchschnittliche Mietpreis im Kanton Zug 1740 CHF betrug, bezahlte ein Mieter im Kanton Jura nur gut die Hälfte.
Mieterverband empört
Der Schweizerische Mieterverband reagierte empört auf die neu publizierten Zahlen. «Es braucht Massnahmen gegen die hohen Wohnkosten, insbesondere bei Neuvermietungen», teilte er mit. Im untersuchten Zeitraum sei der Referenzzinssatz von 4,5% auf 3,0% gesunken. Profitiert davon hätten die Eigentümer, nicht aber die Mieter. Der Verband fordert deshalb eine klare Begrenzung der Mietzinsaufschläge bei Vermietungen.
Tiefer Leerwohnungsbestand
Den Grund für die höheren Mietzinsen liegt laut dem Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz (WBG) darin, dass viel zu wenige Wohnungen leer stehen. In Städten und Agglomerationen liege der Leerwohnungsbestand bei 0,5% und tiefer. Für einen funktionierenden Markt müsste er aber mindestens 1 bis 2% betragen. Die grosse Wohnungsnachfrage biete darum Raum für Spekulationen. «So steigen viele Mieten trotz tiefer Hypothekarzinsen», teilte der Verband auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda mit.
Kauf als Alternative
Höhere Mieten, mehr Wohneigentümer: Der WBG stellt diese beiden Untersuchungsergebnisse des BFS denn auch miteinander in Verbindung. «Für finanzkräftigere Haushalte ist der Erwerb von Wohneigentum wirtschaftlich eine attraktive Alternative geworden.» Wohneigentum sei dabei nicht grundsätzlich schlecht. Doch wenn die Entwicklung so weitergehe, könnte dies in eine gefährliche Richtung gehen. «Die derzeit tiefen Zinsen verlocken viele Wohnungssuchende zum Wohneigentumserwerb – und bringen sie unter Umständen finanziell an Grenzen, insbesondere, wenn die Zinsen wieder steigen», schreibt der WBG.
Anhaltender Trend
Ende 2010 lebten laut BFS 36,8% der Bevölkerung in ihrer eigenen Wohnung. Dies entspricht 1’264’900 Haushalten. Die Strukturerhebung der eidgenössischen Volkszählung 2010, die nur Wohnungen berücksichtigte, bestätigte damit den Trend der früheren Jahrzehnte. Seit 1970 ist die Wohneigentumsquote nämlich stetig angestiegen. 1970 lag sie noch bei 28,5%, bei der Volkszählung im Jahr 2000 gaben schon 34,6% der Haushalte eigenes Wohneigentum an. Im internationalen Vergleich bleibt die Quote jedoch tief: In der EU liegt sie im Schnitt bei 60%.
Grosser Wunsch nach Eigenheim
Für Hans Egloff, den Präsidenten des Hauseigentümerverbands Schweiz (HEV), sind die aktuellen Zahlen wenig überraschend. Die tiefen Hypothekarzinsen der vergangenen Jahre hätten nichts anderes erwarten lassen. Zudem träumen laut seinen Angaben drei Viertel der Schweizer Bevölkerung davon, ein Eigenheim zu besitzen. «Der Trend entspricht dem Wunsch der Grossteil der Leute», sagte Egloff auf Anfrage der sda.
Egloff hofft, dass sich die Wohneigentumsquote weiter erhöhen wird. Dies sei auch sozialpolitisch von Bedeutung, weil Wohneigentümer sesshafter seien als Mieter und sich deshalb mehr für das Gemeinwesen einsetzten. Zudem sei Wohneigentum eine sichere Form der Altersvorsorge. (awp/mc/ps)