Indirekter Fondsvertrieb – alles ausgedrittelt?

Strukturierte Produkte, deren Basiswert ein Fonds ist, beherbergen das Risiko des nicht erlaubten indirekten Fondsvertriebs. Sind die von der FINMA dazu erlassenen Vorschriften möglicherweise überholt?

Stefan Simon, Naegeli & Partner Rechtsanwälte, payoff.ch

Die unterschiedliche rechtliche Qualifikation von kollektiven Kapitalanlagen – umgangssprachlich schlicht als Fonds bezeichnet – und Strukturierten Produkten ist klar. Strukturierte Produkte sind Forderungen, deren Rückzahlung von der Wertentwicklung eines oder mehrerer Basiswerte abhängt. Fonds hingegen sind Sondervermögen, die von Anlegern zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage aufgebracht und für deren Rechnung verwaltet werden.

Klare Grenze zwischen Strukis und Fonds…
Strukturierte Produkte können öffentlich vertrieben werden, falls sie an der SIX Swiss Exchange AG kotiert werden oder von einer Bank, einer Versicherung, einem Effektenhändler oder einem gleichwertig beaufsichtigten ausländischen Institut ausgegeben, garantiert oder vertrieben werden und für sie ein vereinfachter Prospekt vorliegt. Der öffentliche Vertrieb von Fonds ist stärker reguliert. So muss ein ausländischer Fonds u.a. von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA erst zum öffentlichen Vertrieb in der Schweiz zugelassen werden und ist in der Folge deren Aufsicht unterstellt. Hintergrund dieser Regulierung ist nach dem Kollektivanlagegesetz der Schutz der Anleger sowie die Transparenz und Funktionsfähigkeit des Marktes für kollektive Kapitalanlagen.

«Es liegt ein nicht erlaubter indirekter Vertrieb vor, wenn der Wert eines Strukis zu mehr als einem Drittel von einem Fonds abhängt, der nicht öffentlich vertrieben werden darf.»

…verschwindet schnell
So weit ergeben sich keine Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Fonds und Strukturierten Produkten. Interessant wird es aber nun, wenn ein oder mehrere Fonds als Basiswert für ein Strukturiertes Produkt verwendet werden. In diesem Fall stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein solches Produkt öffentlich vertrieben werden kann? Gemäss Ziffer 19 der «Häufig gestellte Fragen (FAQ) – Strukturierte Produkte» der FINMA liegt ein nicht erlaubter indirekter Vertrieb eines Fonds vor, wenn der Wert eines Strukturierten Produkts zu mehr als einem Drittel von einem Fonds abhängt, der nicht öffentlich vertrieben werden darf.

Auslegungssache «Drittels-Regelung»
Diese «Drittels-Regel» ist nicht immer praktikabel. So bestehen bei einer Worst-of-Struktur Unklarheiten bei deren Anwendung. Als Beispiel dient ein Multi Barrier Reverse Convertible (MBRC) mit drei Basiswerten:

«Die Drittels-Regel ist unter dem Prinzip der formell-rechtlichen Betrachtungsweise überholt».

Kritik von vielen Seiten
Die «Drittels-Regel» wurde denn auch von verschiedenen Seiten kritisiert. Es wurde u.a. auch geltend gemacht, dass eine gesetzliche Grundlage dafür fehle. Nichtsdestotrotz hat die FINMA in den kürzlich überarbeiteten FAQ die Bestimmungen zum indirekten Fondsvertrieb unverändert beibehalten. Bereits im Jahresbericht 2009 fällte die FINMA einen Grundsatzentscheid. Für die Abgrenzung zwischen Strukturierten Produkten und Fonds sei nur eine formell-rechtliche Beurteilung der Begriffsmerkmale einer kollektiven Kapitalanlage massgebend und nicht mehr eine wirtschaftlich materielle Beurteilung des Anlageprodukts. Dieser Grundsatz wurde nun auch kürzlich in Ziffer 16 der FAQ reflektiert.

Lieferung am Laufzeitende problematisch
In den FAQ ist im Zusammenhang mit der «Drittels-Regel» von unzulässigem indirektem Fondsvertrieb die Rede. Es ist davon auszugehen, dass die FINMA mit diesem Begriff Fälle einer Gesetzesumgehung hat konkretisieren wollen. Eine unzulässige Gesetzesumgehung liegt dann vor, wenn der Gesetzgeber durch eine Verbotsnorm (Schutznorm) ein bestimmtes Ziel, in casu den öffentlichen Vertrieb von Fonds ohne Genehmigung der FINMA (Anlegerschutz), hat untersagen wollen. Aufgrund der Definition der Gesetzesumgehung und der formell-rechtlichen Abgrenzung zwischen Strukturierten Produkten und Fonds liegt meines Erachtens nur dann eine unzulässige Gesetzesumgehung vor, wenn gemäss den Auszahlungsbedingungen des Strukturierten Produkts Anteile eines Fonds, der nicht öffentlich vertrieben werden darf, physisch dem Anleger angedient werden sollen. In diesem Szenario würde der Anleger Anteile eines nicht zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen Fonds erwerben, was den Verbotsnormen des Kollektivanlagegesetzes (Anlegerschutz) zuwider laufen würde.

Sorgenfrei mit Cash-Settlement?
Bei der reinen Performanceabbildung eines nicht zum Vertrieb zugelassenen Fonds im Rahmen der Rückzahlung eines Strukturierten Produkts liegt meines Erachtens keine Gesetzesumgehung vor, da der Anleger eines solchen Produktes nie Anteile des Fonds erhält, weshalb die «Drittels-Regel» ersatzlos gestrichen werden sollte. Die «Drittels-Regel» muss denn auch als eine Ausprägung der wirtschaftlich materiellen Betrachtung gesehen werden und ist unter dem Prinzip der formell-rechtlichen Betrachtungsweise überholt.

Eine Grundlage für die geltende Regel über den indirekten Fondsvertrieb besteht nicht. Die formell-rechtliche Abgrenzung zwischen Strukturierten Produkten und Fonds ist zu begrüssen, und eine konsequente Umsetzung dieses Prinzips müsste dazu führen, dass die Praxis der FINMA über den indirekten Fondsvertrieb in grundsätzlicher Weise angepasst wird.

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