Bern – Das Rentenalter für Männer und Frauen wird bis auf weiteres nicht erhöht. Die Schweizer Stimmbevölkerung hat eine Volksinitiative der Jungfreisinnigen überdeutlich abgelehnt, die zunächst ein Rentenalter 66 und danach dessen Koppelung an die Lebenserwartung vorsah.
Gemäss den Endresultaten aus den Kantonen sagte eine Mehrheit von 74,7 Prozent Nein zur Vorlage. In absoluten Zahlen waren rund 2’392’500 Stimmende dagegen und 809’400 dafür. Die Stimmbeteiligung lag bei 57,4 Prozent.
Der Blick auf die Abstimmungskarte zeigt eine seltene Eintracht. Alle Kantone lehnten wie das Parlament und der Bundesrat ein höheres Rentenalter ab. Selbst der Kanton Zürich mit dem schweizweit tiefsten Nein-Stimmen-Anteil lehnte die Renteninitiative mit 69,5 Prozent ab. Im Kanton Waadt wurde die Vorlage mit 85,1 Prozent am deutlichsten abgelehnt.
Erhöhung «kein Thema»
«Die AHV mit einer Rentenaltererhöhung zu sanieren, ist für die Stimmbevölkerung kein Thema», kommentierte Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider am Abend das Ergebnis. Dieses Konzept habe offensichtlich nicht überzeugt.
Nach dem hauchdünnen Ja zur Erhöhung des Frauenrentenalters und dem deutlichen Nein zu einem höheren Rentenalter für Männer und Frauen sei das Thema derzeit vom Tisch. Die Diskussionen würden im Jahr 2026 wiederaufgenommen, wenn es um die langfristige Finanzierung der AHV gehe, so Baume-Schneider. Jedoch sei zur Kenntnis zu nehmen, dass das Volk «nicht fasziniert» sei von einer Anpassung des Rentenalters nach oben.
Das Nein überrascht nicht. Die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage waren während des Abstimmungskampfs deutlich in der Mehrheit. Die letzten Umfragen vor der Abstimmung waren von einem Nein-Stimmen-Anteil von über 60 Prozent ausgegangen. Nun kam es noch deutlicher.
Mehrheit gegen Automatismus
Lanciert worden war die Renteninitiative von den Jungfreisinnigen. Sie forderte in einem ersten Schritt eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen und Männer auf 66 Jahre bis ins Jahr 2033. Danach sollte das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden, wie es einige europäische Länder bereits kennen.
SVP, FDP und namhafte Wirtschaftsverbände unterstützten die Initiative. Sie warnten davor, dass ohne neuerliche AHV-Reform die Finanzierung und langfristige Sicherung der Altersvorsorge in Gefahr seien, weil die Bevölkerung immer älter werde. Statt Lohnbeiträge zu erhöhen oder Renten zu kürzen, solle das Rentenalter erhöht werden. Damit werde das Sozialwerk strukturell saniert und finanziell nachhaltig gesichert.
SP, Mitte, Grüne, GLP und Gewerkschaften gaben die Nein-Parole aus. Die demografische Herausforderung der AHV könne nicht allein durch eine Erhöhung des Rentenalters gelöst werden, brachten die Gegner vor. Sie kritisierten weiter, dass die Initiative einen Automatismus bei der Rentenalterbestimmung vorsehe, der mit dem politischen System der Schweiz nicht vereinbar sei. Zum Rentenalter müsse eine politische Diskussion möglich sein.
Konzept der Lebensarbeitszeit
«Wir werden darum nicht darum herumkommen, über eine Rentenaltererhöhung zu diskutieren», sagte Mitinitiant Matthias Müller von den Jungfreisinnigen nach der Abstimmungsniederlage. Das gelte erst recht nach dem Ja zur 13. AHV-Rente. Die Forderung nach einer sei zwar «nicht sexy, aber sachlich richtig und vernünftig».
Für die Berner SP-Ständerätin Flavia Wasserwallen ist derweil klar: «Mit dem deutlichen Nein zur Renteninitiative ist das Thema für die nächsten Jahre vom Tisch.» Eine generelle Erhöhung des Rentenalters sei offensichtlich nicht mehrheitsfähig.
Künftig könnte das Thema eines differenzierten Rentenalters mit einer sogenannten Lebensarbeitszeit wieder aufs Tapet kommen. In diese Richtung äusserten sich am Abstimmungssonntag Vertreterinnen und Vertreter der bürgerlichen Parteien. Konsens herrscht darüber, dass mit dem Ja zur 13. AHV-Rente die künftige Finanzierung der AHV erst recht diskutiert werden muss.
Durch die steigende Lebenserwartung und die wachsende Zahl von Rentnerinnen und Rentnern – nicht zuletzt wegen der Pensionierung der Babyboomer-Jahrgänge – dürfte die AHV in finanzielle Schieflage geraten, weil weniger Erwerbstätige mehr Pensionierte finanzieren müssen. (awp/mc/pg)