CVP-Familieninitiative deutlich abgelehnt
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Bern – Kinder- und Ausbildungszulagen müssen weiterhin versteuert werden. Die CVP-Familieninitiative ist am Sonntag mit 75,4% abgelehnt worden. Das klare Scheitern eines Kernanliegens bedeutet für die Partei im Wahljahr eine herbe Niederlage. Derweil will der Bundesrat die Unterstützung der Familien ausbauen.
Die Zustimmung für die Initiative «Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen» fiel sehr tief aus: Rund 537’700 Stimmberechtigte sagten Ja, 1’650’200 legten ein Nein in die Urne. Die Stimmbeteiligung lag bei 42%. Von den insgesamt 23 Standesstimmen entfiel keine einzige auf die Initiative.
Am deutlichsten wurde das Volksbegehren in Glarus verworfen, wo über 83% der Stimmberechtigten Nein sagten. Am besten kam das Anliegen im Jura an, wo die CVP stark vertreten ist. Dort lag der Ja-Stimmenanteil bei fast 43%.
Die Deutlichkeit des Resultats ist eine Überraschung, das Scheitern hatte sich jedoch abgezeichnet. Bei der letzten SRG-Trendumfrage Mitte Februar hätte eine Mehrheit die Initiative abgelehnt.
Keine Zeit für Experimente
Frankenstärke, klamme Kantonsfinanzen und unsoziale Steuergeschenke: Die Gründe für die deutliche Abfuhr der Initiative sind vielfältig. Den Ausschlag gab vermutlich die wirtschaftliche Unsicherheit. «Es sind Zeiten angebrochen, in denen man nicht mehr experimentieren will», sagte der Politologe Claude Longchamp gegenüber Radio SRF.
Trotz der klaren Abfuhr zeigte sich die selbsternannte Familienpartei kämpferisch. «Wir machen uns weiterhin stark für Familie und Mittelstand», schreibt die CVP. Für die eidgenössischen Wahlen im Herbst sieht sie kein schlechtes Omen. Es war die erste Initiative in der Geschichte der Partei, die zur Abstimmung gelangte.
Bedauern äussert auch die zweite Verliererin, die SVP. Mit dem Entscheid hätten die Stimmbürger eine Chance vertan, die Familien in einer schwierigen Situation zu stärken, sagte die Berner Nationalrätin Nadja Pieren.
Bund und Kantone erleichtert
Für die Gegner ist die Initiative vor allem gescheitert, weil sie in sich nicht schlüssig gewesen sei. «Die Initiative entlastet nur auf den ersten Blick die Familien», sagte FDP-Nationalrat Ruedi Noser (ZH) vom überparteilichen Komitee. Der Linken war vor allem die «ungerechte» Ausgestaltung der Initiative ein Dorn im Auge.
Erleichtert zeigte sich Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Es habe sich um ein populäres Anliegen gehandelt. Bund, Kantone und Gemeinden hätten aber mit hohen Steuerausfällen rechnen müssen, sagte die Finanzministerin vor den Medien. Gemäss Berechnungen der Verwaltung ging es um einen Betrag von einer Milliarde Franken.
Umstrittene Zahlenbeispiele
Wer in welchem Umfang von der Initiative profitiert hätte, blieb umstritten. Beide Seiten hatten Zahlenbeispiele, die ihre Argumente stützten. Widmer-Schlumpf etwa führte ein Zweiverdienerehepaar mit zwei fremdbetreuten Kindern ins Feld. Diese Familie zahlt überhaupt erst Bundessteuern, wenn sie über 126’000 Franken verdient. Darum würde sie auch erst ab diesem Einkommen einen Vorteil aus einer Steuerbefreiung ziehen.
Die CVP hingegen konnte aufzeigen, dass in Zürich eine Familie mit zwei Kindern und einem steuerbaren Einkommen von 50’000 Franken jährlich 710 Franken Kantonssteuern sparen würde. Nach ihren Berechnungen hätten rund 1 Million der 1,15 Millionen Haushalte mit Kindern direkt von der Initiative profitiert.
Die CVP, die in den letzten hundert Jahren erst drei Initiativen eingereicht hat, lancierte die Initiative für Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen im Wahljahr 2011. Mit demselben Ziel wurde gleichzeitig die Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe gestartet. Diese ist derzeit im Parlament hängig.
Familien zusätzlich fördern
Trotz der breiten Kritik an der CVP-Familieninitiative stösst das Anliegen der Familienunterstützung auf offene Ohren. Für die SP ist nun die Zeit reif für eine «moderne Familienpolitik». Neben Lohngleichheit zählen dazu eine Entlastung von Familien bei Krankenkassenprämien und Kindergutschriften statt Steuerabzüge. Die Grünen fordern ein Aktionsplan und ein Staatssekretariat für Familien.
Unabhängig von der Ablehnung der CVP-Familieninitiative will der Bundesrat die Unterstützung für Familien mit Kindern ausbauen. Die Diskussion sei nicht am Ende, sagte Widmer-Schlumpf. Der Bundesrat werde in den nächsten Wochen zwei Berichte dazu verabschieden.
Einer davon betrifft die Frage, ob Steuerabzüge durch Steuergutschriften ersetzt werden könnten. Im anderen Bericht werden Massnahmen zur Unterstützung von Familien geprüft, unter anderem bedarfsabhängige Kinderzulagen.
Wenig Spielraum für eine weitere Förderung der Familien sehen dagegen die Kantone. Familien und Ausbildungsmöglichkeiten für Kinder seien ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen, räumt der Zuger Finanzdirektor Hegglin ein. Hegglin ist Präsident der Finanzdirektorenkonferenz. Angesichts der belasteten Budgets gehe es aber momentan eher darum, Ausgaben zu kürzen – und nicht neue Ausgaben zu schaffen. (awp/mc/upd/ps)