Inländervorrang light: «EU befürchtet Diskriminierung»
Brüssel – Am Dienstag hat Mario Gattiker, Staatssekretär für Migration, die EU-Vertreter in Brüssel über die Details zur Umsetzung der Zuwanderungsinitiative informiert. Ein Papier der EU-Juristen mit diversen Bedenken zum Inländervorrang «light» hatte die EU veranlasst, ein Sondertreffen mit der Schweiz zu verlangen.
«Die EU befürchtet bei gewissen Bestimmungen die Diskriminierung ihrer europäischen Bürger. Ich habe über die Absicht des Nationalrates informiert, eine Lösung zu finden, die im Sinne des Freizügigkeitsabkommens Schweiz-EU ist», sagte Gattiker nach seinem Auftritt im gemischten Ausschuss. Dieser ist ein technisches Gremium, in dem Vertreter der EU-Staaten, der EU-Kommission und der Schweiz sitzen.
Mit Blick auf das Papier der EU-Juristen sind es vor allem zwei Punkte, die der EU Sorge bereiten. So etwa der Inländervorrang. Obwohl die Schweiz schon früher erklärt hat, dass es sich beim Wort Inländer um alle jene handelt, die in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung haben, befürchtet die EU, dass nur Schweizer Staatsangehörige von diesem Vorrang profitieren könnten.
Zudem stösst der EU sauer auf, dass gemäss dem Vorschlag des Nationalrates der Bundesrat alleine entscheiden soll, einseitige Massnahmen gegen Arbeitsteiligkeit zu ergreifen, wenn diese seiner Meinung nach nicht gegen das Freizügigkeitsabkommen verstossen. Auch dass der Bundesrat alleine entscheiden soll, welche Massnahmen das Abkommen verletzen, will die EU nicht einfach so hinnehmen.
Interesse an Schweizer Erklärungen
Gattiker hob hervor, dass er bei diesem Treffen keine Verhandlungen geführt sondern «nur informiert» habe. Die EU-Vertreter hätten Fragen gestellt und ihre Bedenken angebracht. Das Interesse an den Erläuterungen des Schweizers scheint gross gewesen zu sein. In der Regel sind bei solchen Treffen die EU-Kommission und zwischen zehn bis fünfzehn EU-Staaten anwesend. Dieses Mal waren 27 der 28 EU-Länder anwesend.
Es gebe ein grosses Interesse am Verlauf des Schweizer Gesetzgebungsprozesses, sagte der Schweizer Staatssekretär zur regen Teilnahme seitens der EU. «Es widerspiegelt auch die grosse Bedeutung», die das Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz für die EU habe. Er habe gegenüber den EU-Vertretern zudem deutlich gemacht, dass es sich beim jetzigen Inländervorrang «light»-Modell nur um einen Zwischenstand handle und nun der Ständerat als Zweitrat am Zuge sei.
Gemäss dem Vertreter der EU-Kommission, Claude Maerten, waren die Ausführungen Gattikers «extrem nützlich, um die Gesetzesvorlage besser zu verstehen». Die EU habe aber ganz klar ihre «Bedenken zum Ausdruck gebracht».
Gattiker: Kein Druckversuch
Die beiden Parteien sind überein gekommen, dass die Schweiz die EU «weiter auf dem Laufenden über die Entwicklung» im Gesetzgebungsprozess halten wird, wie der Schweizer Staatssekretär weiter sagte.
Ausserdem werde man die ständerätliche Rechtskommission über die Bedenken der EU informieren, wenn das seitens der Parlamentarier gewünscht werde. «Das heisst aber nicht, dass wir die Bedenken teilen.» Als ein Druckversuch seitens der EU auf den Ständerat wollte Gattiker das Sondertreffen nicht verstanden wissen. Solche Treffen zur Klärung seien als Instrument im Freizügigkeitsabkommen vorgesehen.
Als nächstes findet «in den nächsten Tagen» ein Telefongespräch zwischen Bundespräsident Johann Schneider-Amman und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker statt, wie Gattiker bestätigte. (awp/mc/pg)