Intergenerika: Breiter Widerstand gegen Referenzpreissystem
Liestal – Das vom Bundesrat im Rahmen eines Ende März präsentierten Programms gegen Kostenwachstum im Gesundheitswesen geforderte Referenzpreissystem stösst auf breiten Widerstand unter Experten.
Selbst der Präsident des Krankenkassenverbands santésuisse Heinz Brand äusserte im BLICK vom 17. April grosse Zweifel bezüglich der Wirksamkeit der vorgeschlagenen Massnahmen und bezweifelt, ob diese wirklich Kosten sparen würden: «Was bringen Globalbudgets, Referenzpreise, bessere Rechnungskontrollen konkret? Niemand weiss es.» Zudem hätten alle Massnahmen einen unglaublich langen «Bremsweg»: «Es wird dauern, bis sie überhaupt wirken. Und diese Zeit haben wir nicht mehr.»
Neben dem Wegfall der Wahlfreiheit und Beeinträchtigung der Compliance warnt Intergenerika bei Einführung von Referenzpreisen vor allem auch vor der Gefahr von Engpässen in der Medikamentenversorgung. Diese Versorgungsproblematik diskutierten Gesundheitsexperten – von Mitgliedern der Schweizerischen Gesundheitskommission über Konsumentenvertreter und Krankenkassen bis hin zu Vertretern der Generika-Industrie – an einer von von Academy on Health Care Policy organisierten Sonderveranstaltung vom 25. April 2018 in Bern, an der auch Vergleiche zum deutschen Markt herangezogen wurden.
Breite Ablehnung eines Referenzpreissystems
In Einzelstatements bezogen führende Gesundheitsexperten nach dem offiziellen Programm Stellung zur Referenzpreisthematik. Spitalapothekerin Dr. Ursula Schmid hob die Unterschiede des schweizerischen mit dem deutschen Markt hervor. Bei der Einführung eines Referenzpreissystems sieht sie die Gefahr, dass immer mehr Anbieter aus dem Markt verschwinden würden. Insbesondere bei aufwändigen Spitalpräparaten würde der Markt nicht mehr spielen und es drohten Engpässe.
Prof. Dr. Christoph Meier, Chefapotheker des Universitätsspitals Basel, lehnt Referenzpreise bei Medikamenten klar ab. Generikapreise seien eh schon stark gesungen und auch andere Akteure „mussten Federn lassen“. Der Vorschlag des Bundesrats sei eine „Pfästerlipolitik“, steigere nur den Administrationsaufwand und gefährde die Versorgungssicherheit. „Wenn man in einem Markt künstliche Bedingungen schafft, dass es für einen Anbieter nicht mehr interessant ist so produzieren, dann ist es ganz klar, dass sich der Anbieter zurückzieht.“ Marcel Mesnil vom Apothekerverband pharmaSuisse lehnt Referenzpreise kategorisch ab und sieht die Lösung vielmehr in der Korrektur der Fehlanreize bei der Vergabe von Medikamenten. Es dürfe nicht per se um das billigste Medikament gehen, sondern um die beste Therapie für den Patienten, die eine Beziehung zu ihrem Medikament haben. „Man kann mit den Menschen nicht einfach so umgehen. Bei Einsparungen bei Medikamenten reden wir um Peanuts. Die wahren Kosten liegen in der Hospitalisierung.“
Auch Babette Sigg, Präsidentin des Schweizerischen Konsumentenforums, spricht sich unmissverständlich gegen Referenzpreise aus: „Patienten wären schlussendlich die grossen Verlierer. Wir sehen grosse Probleme, dass die Therapietreue leidet – insbesondere bei älteren und chronisch kranken Patienten. Das bringt viel Schaden, aber keinen Nutzen.“ Dr. Axel Müller, Geschäftsführer Intergenerika und Schirmherr der Allianz «Nein zu Referenzpreisen bei Medikamenten» streicht die Sonderstellung der Schweiz und die Nichtvergleichbarkeit mit deutschen Verhältnissen heraus: „Referenzpreise könnten hie und da in Deutschland funktionieren, aber man kann den Markt nicht mit dem kleinen Schweizer Markt vergleichen.“ Zudem warnt er vor einer Oligopol-Bildung im Schweizer Markt, wenn es für kleinere Anbieter nicht mehr interessant wäre zu produzieren.
Axel Müller hegt Zweifel bezüglich der Wirksamkeit von Referenzpreisen in Deutschland .„Die Medikamentenkosten pro Kopf sind in Deutschland marginal tiefer als in der Schweiz. Das lässt zwei Schlüsse zu – entweder ist das Referenzpreissystem in Deutschland nicht so erfolgreich wie man es uns weismachen will, oder wir machen in der Schweiz doch einiges richtig.“ Der promovierte Apotheker warnt zudem vor Lieferengpässen im Zusammenhang mit der globalen Zuteilung von teilweise lebensnotwendigen Medikamenten: „Gerade weil wir noch vernünftige Preise haben, haben wir noch gute Chancen, einen Zuschlag zu erhalten. Diese Stellung würden wir bei einem Referenzpreissystem verlieren.“
Dr. med. Yvonne Gilli, Zentralvorstand Ärzteverband FMH, schliesslich lehnt Referenzpreise und die damit erzwungene Medikamentenumstellung der Patienten zwischen Medikamenten klar ab. Ausschlaggebend dafür müsse die ärztliche Indikation und nicht der Preis sein. Sie kritisiert den mit der Systemumstellung verbundenen höheren Administrationsaufwand für die Ärzte und fordert eine Änderung des Anreizsystems: „Wichtig ist, dass die ärztliche Leistung abgegolten wird. Hingegen soll man mit der Verschreibung eines teuren Medikaments nicht mehr verdienen als bei einem günstigeren.“ Gleichzeitig warnt Yvonne Gilli vor den medizinischen Folgen eines aufgrund des Billigstprinzips aufoktroyierten Medikamentenwechsels: „Bei sieben Prozent der Patienten gibt es Grund, das Medikament nicht zu wechseln. Hier droht ein grosser Schaden für Patienten mit schwerwiegenden Folgen, der Hunderttausende von Franken kostet.“ (Intergenerika/mc)
Intergenerika ist die Vereinigung der führenden Generikafirmen in der Schweiz, die ihrerseits über 90% des Generika-Volumens in der Schweiz repräsentieren. Intergenerika fördert die Akzeptanz von Generika durch Aufklärung von Medizinal-personen, Fachverbänden, Krankenkassen und Patienten und fördert deren Verbreitung als qualitativ mindestens gleichwertige, jedoch preiswertere Arzneimittel. Im Weiteren plant und koordiniert der Verband die Kontakte zu Medien, Behörden und Vereinigungen im Bereiche von Medizinalpersonen und des Gesundheitswesens. Mit allen Massnahmen verfolgt Intergenerika das Ziel einer angemessenen Vertretung von Generika im schweizerischen Arzneimittelmarkt bzw. im schweizerischen Gesundheitswesen.