Brüssel – Was EU-Kommissar Johannes Hahn Mitte Dezember angekündigt hat, liegt nun schriftlich vor: Ohne Rahmenabkommen sollen gemäss einer internen Weisung der EU-Kommission Marktzugangsabkommen künftig nur noch aktualisiert werden, wenn dies im Interesse der EU ist.
Dies geht aus einem internen Schreiben hervor, über das die «Neue Zürcher Zeitung» am Donnerstag berichtete. Dieses liegt nun auch der Agentur Keystone-SDA vor.
Die Weisung, unterzeichnet von Martin Selmayr, Generalsekretär der EU-Kommission, sowie von Clara Martinez, Kabinettschefin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, datiert vom 10. Januar.
Darin werden die Generaldirektoren, Kabinetts- und Dienstchefs aufgefordert, nicht nur bei neuen sondern auch bei der Aktualisierung von Dossiers, die der Schweiz Zugang zum EU-Binnenmarkt geben, «keine neuen Verhandlungen» aufzunehmen.
Nur noch wenn es der EU nutzt
Das betrifft die Abkommen zur Personenfreizügigkeit, Landwirtschaft, technische Handelshemmnissen sowie zum Land- und Luftverkehr. Explizit im Schreiben erwähnt werden zudem auch Äquivalenz-Entscheide, die für die Finanzdienstleistungsbranche wichtig sind.
«Laufende Gespräche oder Verhandlungen sollen sistiert oder verzögert werden, bis ein befriedigendes Ergebnis für das Rahmenabkommen gefunden wird», heisst es im Schreiben weiter. Ausnahmen gebe es nur dort, wo dies im übergeordneten Interesse der EU sei oder wo eine rechtliche Pflicht bestehe.
Bereits im Dezember angekündigt
Schon Mitte Dezember warnte EU-Kommissar Hahn an einer Medienkonferenz die Schweiz. «Die Idee, das was wir haben, haben wir, und das wird es auch in Zukunft geben», sei nicht akzeptabel, sagte er damals.
Es sei das Bestreben der EU, die mit der Schweiz geschlossenen binnenmarktrelevanten Abkommen nicht mehr ständig neuen Verhandlungen unterziehen zu müssen, «nur weil wir unseren Rechtsbestand ändern».
Negative Konsequenzen
Der Bundesrat thematisiert die Ankündigung Hahns in seinem am Donnerstag veröffentlichten erläuternden Bericht zum Rahmenabkommen. Er warnt in diesem Zusammenhang vor negativen Konsequenzen, wenn das Verhandlungsresultat zurückgewiesen werde.
Ohne regelmässige Aktualisierung der bestehenden Marktzugangsabkommen entstünden Rechtsunsicherheiten und neue Marktzugangshürden, schreibt der Bundesrat. Dies würde zu einer Erosion des bestehenden Marktzugangs führen.
Verhandlungen beeinträchtigt
Der Bundesrat warnt auch vor dem Abbruch laufender Verhandlungen in sektoriellen Dossiers – etwa zu einem Stromabkommen. Zudem könnte die EU die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Schweizer Börsenregulierung nicht mehr gewähren.
Weiter bestehe das Risiko, dass kein Abkommen über die Teilnahme der Schweiz als assoziierter Staat am nächsten EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation abgeschlossen werden könne, heisst es im Bericht. Gefährdet werden könnten ausserdem Verhandlungen in den Bereichen Kabotage-Rechte im Luftverkehr und Beteiligung der Schweiz an der Europäischen Eisenbahnagentur oder am öffentlich regulierten Dienst.
Keine Garantie für neue Verhandlungen
Der Bundesrat hält fest, dass bei einem Nein zum Rahmenabkommen neue Verhandlungen zwar nicht ausgeschlossen seien. Diese bedürften aber seitens der EU eines neuen Verhandlungsmandats und wären kaum vor Mitte 2020 möglich. Es bestehe keine Garantie, dass die EU bei künftigen Verhandlungen bereit sein werde, auf dem Erreichten aufzubauen.
Trotzdem hat der Bundesrat sich aber vorerst nicht für eine Unterzeichnung ausgesprochen. Er beschloss im Dezember, zuerst eine Konsultation durchzuführen. Der Grund dafür ist, dass die Eckwerte des Verhandlungsmandats nicht vollständig erreicht werden konnten, wie es im Bericht heisst. Unzufrieden ist der Bundesrat mit dem Verhandlungsergebnis zu den flankierenden Massnahmen und zur Unionsbürgerrichtlinie. (awp/mc/ps)