Bern – Die Schweiz erhält Wegmarken zum Erreichen des Netto-Null-Ziels bis zum Jahr 2050 und Förderprogramme für den Ersatz von fossilen Heizungen und für Innovationen. Das Klimaschutz-Gesetz scheidet Stadt und Land ebenso wie die Westschweiz von der Deutschschweiz.
Insgesamt legten rund 1’381’100 Stimmende ein Ja in die Urne, und 956’800 lehnten die Vorlage ab. Das entspricht einem Ja-Anteil von 59,1 Prozent. Die Stimmbeteiligung betrug rund 42 Prozent. 19 der 26 Kantone befürworteten die Vorlage.
Gespaltene Schweiz
Die Schweiz ist allerdings gespalten: Städtische Regionen und auch die Westschweiz sagten deutlich Ja zum Gesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit.
Auf dem Land dagegen war die Ablehnung teilweise wuchtig: Sieben Deutschschweizer Kantone sagten Nein. Im vom Klimawandel besonders betroffenen Berggebiet überwog das Nein. Aber auch im Mittelland gab es zahlreiche ablehnende Gemeinden.
Den grössten Ja-Anteil hatte der Kanton Genf mit 74,5 Prozent. Am deutlichsten abgelehnt wurde die Vorlage im Kanton Schwyz mit 57,5 Prozent Nein. In etlichen Städten waren die Ja-Anteile hoch: Bern war mit knapp 82 Prozent Ja die Gemeinde mit dem landesweit dritthöchsten Ja-Anteil. Auf dem vierten Platz der Top-Ten-Liste steht Lausanne, auf dem sechsten Freiburg und auf dem zehnten Neuenburg.
Misserfolg für SVP
Der SVP ist es nicht gelungen, nach dem revidierten CO2-Gesetz vor zwei Jahren erneut eine klimapolitische Vorlage zu Fall zu bringen. Lukas Golder, Politologe von gfs.bern, sagte im Schweizer Fernsehen SRF, es sei dieses Mal für die SVP schwieriger gewesen, mit den Kosten gegen das neue Gesetz zu argumentieren. Denn mit dem Klimaschutz-Gesetz beschloss das Parlament milliardenschwere Förderprogramme für den Ersatz von Heizungen mit fossilen Brennstoffen sowie Elektrowiderstandsheizungen. Gefördert mit Bundesmitteln werden auch technische Innovationen, die dem Klimaschutz und dem Erreichen der Klimaziele zugutekommen.
Der Blick auf die Abstimmungskarte widerspiegelt diese Veränderung: Bregaglia GR und Randa VS zum Beispiel hatten das CO2-Gesetz noch abgelehnt, sagte nun aber Ja zum Klimaschutz-Gesetz. Und in etlichen Nein-Gemeinden war die Ablehnung der neuen Klima-Vorlage weniger deutlich, in damaligen Ja-Gemeinden das Ja noch deutlicher.
Das Gesetz ist der indirekte Gegenvorschlag zur bedingt zurückgezogenen Gletscher-Initiative. Während die Initiative auf Verbote – etwa von fossilen Treibstoffen – und einen Absenkpfad setzte, bevorzugte das Parlament gesetzlich verankerte Verminderungs- und Etappenziele.
Ziele und Zwischenziele
Die Massnahmen zum Erreichen dieser Ziele müssen in separaten Gesetzen festgelegt werden, mit Rücksicht auf technologische Fortschritte. Da Gesetze dem fakultativen Referendum unterstehen, kann sich auch zu diesen Vorlagen das Volk äussern.
Das Ziel «Netto Null» muss 2050 erreicht sein. Ein Zwischenziel ist, dass bis 2040 die Emissionen gegenüber 1990 um 75 Prozent sinken müssen – wenn möglich durch weniger Treibhausgase im Inland. Verbleibende Emissionen sollen in Form negativer Emissionen der Atmosphäre entzogen werden.
Zwischenziele gibt es auch für Hausbesitzer, Verkehr und Industrie. Die Emissionen von Gebäuden – etwa durch das Heizen – müssen bis 2040 gegenüber 1990 um 82 Prozent sinken. Die Industrie wiederum muss bis 2040 eine Senkung um 50 Prozent hinbekommen und der Verkehr eine solche um 57 Prozent.
2050 dürfen Gebäude und Verkehr dann unter dem Strich gar keine Treibhausgase mehr ausscheiden. Und die Industrie muss ihre Emissionen gegenüber 1990 um 90 Prozent senken.
Milliardenschwere Förderprogramme
Mit dem Gesetz beschlossen die Räte Förderprogramme im Umfang von 3,2 Milliarden Franken für technische Innovationen sowie den Ersatz von Heizungen mit fossilen Brennstoffen und Elektroheizungen. Das Heizungs- und Sanierungsprogramm soll über zehn Jahre 2 Milliarden Franken erhalten und das Programm für die Innovationsförderung über sechs Jahre 1,2 Milliarden Franken.
Ausgearbeitet wurde das Klimaschutz-Gesetz noch unter der Ägide der früheren SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Im Abstimmungskampf vertreten konnte die Vorlage nun aber ihr Nachfolger Albert Rösti (SVP) – und damit seinen ersten Abstimmungssieg ausgerechnet gegen seine eigene Partei verbuchen. (awp/mc/pg)