Jedes dritte Schweizer Unternehmen gibt Bestechung im Ausland zu
Bern/Chur – Jedes dritte Schweizer Unternehmen leistet im Ausland Korruptionszahlungen. Und mehr als die Hälfte der Unternehmen ist in ihrem Auslandsgeschäft mit Forderungen nach solchen Zahlungen konfrontiert. Sie kommen laut einer Studie noch häufiger vor als vor zehn Jahren.
Trotz verstärkter Anti-Korruptionsmassnahmen sei die illegale Praxis von informellen Zahlungen oder «Geschenken» bei Auslandsgeschäften immer noch weit verbreitet, schrieb Transparency International Schweiz am Mittwoch in einer Mitteilung. Die Organisation hatte zum Thema bei der Fachhochschule Graubünden eine Studie in Auftrag gegeben.
Die Online-Umfrage unter 539 im Ausland tätigen Schweizer Unternehmen aller Grössen und Branchen ergab, dass 52 Prozent der Unternehmen mit Forderungen nach informellen Zahlungen konfrontiert sind, die von ihnen «erwartet» werden. Und von diesen geben 63 Prozent zu, solche Zahlungen zu tätigen, wie es weiter hiess.
5,6 Prozent des Umsatzes in dem betreffenden Land würden im Durchschnitt für verdeckte Zahlungen aufgewendet. KMU seien davon ebenso betroffen wie multinationale Unternehmen. Unternehmen mit Produktionsstätten, Joint Ventures oder Kapitalbeteiligungen seien eher bereit zu zahlen.
Auch im öffentlichen Sektor
Korruption sei sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor verbreitet. Über 70 Prozent der betroffenen Unternehmen gaben an, dass bei der Vergabe von Aufträgen durch andere Unternehmen mit Gratifikationen gerechnet werde, während 60 Prozent dies im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen erwähnten. Diese «Erwartungen» kämen manchmal von der Polizei oder dem Zoll.
Etwa ein Viertel der Teilnehmer gab an, in den letzten zwei Jahren einen öffentlichen oder privaten Auftrag an einen als korrupt geltenden Konkurrenten verloren zu haben. Dies war vor allem in Italien, China, Russland und Deutschland der Fall.
Fast jedes siebte befragte Unternehmen verzichtete aufgrund des Korruptionsrisikos auf den Eintritt in einen Markteintritt. In diesem Zusammenhang am häufigsten genannt wurden Russland, Iran, Weissrussland und die Ukraine. 12 Prozent der Befragten hatten in den letzten fünf Jahren aus demselben Grund einen Markt verlassen, wobei Russland, Iran, Aserbaidschan, Angola und China am häufigsten genannt wurden.
Mangelhafte Prävention
Bis zur Jahrtausendwende hatten Bestechungsgelder für in der Schweiz ansässige Unternehmen kaum Konsequenzen: Sie wurden für bestimmte ausländische Märkte sogar als notwendig erachtet und konnten von der Steuer abgezogen werden. In den letzten 20 Jahren haben sich das Paradigma und der rechtliche Rahmen jedoch geändert.
Infolgedessen wurden Präventionsstrategien eingeführt, wie z. B. die schriftliche Dokumentation aller Geschäftstransaktionen. Unternehmen können auch auf disziplinarische oder rechtliche Massnahmen oder die vertragliche Verpflichtung Dritter zurückgreifen.
Dennoch zeigte die Umfrage einen Trend zu mehr Korruptionsdelikten. Dies könne zum Teil auf die neue Methodik im Vergleich zu früheren Umfragen zurückzuführen sein, erklärten die Autoren.
Wenig Gerichtsverfahren
Die Prävention sei nach wie vor lückenhaft: Fast jedes vierte Unternehmen weise keine grundlegenden Massnahmen wie verbindliche Richtlinien oder Sorgfaltsprüfungen von beauftragten Dritten auf. Die Hälfte der Unternehmen verfüge weder über Schulungen für Mitarbeiter noch über eine unabhängige Stelle für Whistleblower.
Die strafrechtliche Verfolgung von fehlbaren Unternehmen sei selten, so die Studienautoren weiter. In den letzten 20 Jahren seien nur 11 Schweizer Unternehmen vor Gericht gestellt worden, weil sie schwere Straftaten nicht verhindert hätten. (awp/mc/pg)