Jungfraubahnen schreiben erstmals überhaupt einen Verlust
Interlaken – Die Jungfraubahn-Gruppe ist wegen der Corona-Pandemie zum ersten Mal in ihrer Geschichte in die roten Zahlen abgerutscht. Die Fallhöhe war dabei gross, zumal in den letzten Jahren regelmässig neue Rekordmarken gesetzt worden waren.
Im ersten Semester lag der Verkehrsertrag bei 35 Millionen Franken – im Vorjahresvergleich ist das weniger als die Hälfte. Das vorzeitige Ende der Wintersaison sowie die fast drei Monate dauernde Schliessung der touristischen Bahnen führte zu diesem Einbruch.
Mit einem Minus von 46 Prozent auf 57,5 Millionen Franken war der Betriebsertrag, der auch den Verkauf von Energie aus dem Kraftwerk, Gastronomie und Souvenirshops umfasst, etwas weniger stark rückläufig, wie die Gruppe am Mittwoch mitteilte.
Corona sorgt für Besuchereinbruch
Die Besucherzahlen sackten massiv ab. Mit noch 100’600 Besuchern zählte das Jungfraujoch fast 79 Prozent weniger Gäste als in der Vorjahresperiode. Vergangenes Jahr waren insgesamt über eine Million Touristen zum «Top of Europe» gereist, wovon rund 70 Prozent aus Asien stammten.
Seit der Wiedereröffnung Anfang Juni blieben die stark schwankenden Besucherzahlen eine Herausforderung. Im Juli und August besuchten allerdings bereits wieder 153’000 Personen das Jungfraujoch – die Gäste kamen dabei aber mehrheitlich aus der Schweiz und den europäischen Nachbarländern. Dies reichte allerdings nicht aus, um die fehlende internationale Kundschaft zu kompensieren.
Erster Verlust der Geschichte
Der Einbruch bei den Besucherzahlen wirkte sich entsprechend auch auf das Ergebnis aus. Auf Stufe EBITDA resultierte im Halbjahr noch ein knappes Plus von rund 6 Millionen Franken, nach 47,4 Millionen im Vorjahr. Nach Abschreibungen verblieb unter dem Strich ein Verlust von 11,5 Millionen Franken. In der Vorjahresperiode hatte die Jungfraubahn AG noch einen Gewinn von 23,9 Millionen ausgewiesen.
Der erste Semesterverlust der Unternehmensgeschichte konnte dank frühzeitig ergriffenen Massnahmen in Grenzen gehalten werden. So wurde für einen Grossteil der Belegschaft Kurzarbeit beantragt die Betriebskosten deutlich reduziert. «Nach 12 Rekordjahren in den letzten 13 Jahren können wir den Verlust relativ gut verkraften», sagte CEO Urs Kessler im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.
V-Bahn verläuft nach Plan
Mit Blick nach vorne stimmt Kessler insbesondere die im Dezember geplante Eröffnung der 3S-Bahn «Eiger Express» zuversichtlich. «Gerade in dieser schwierigen und herausfordernden Zeit ist dies ein positives Signal für den Tourismus in der Jungfrauregion, im Kanton Bern und auch für die Schweiz.» Die Finanzierung des Betriebs und die Fertigstellung der V-Bahn seien gesichert.
Die unmittelbaren finanziellen Folgen der Pandemie kann das Management weiterhin nicht genau abschätzen. «Das Jahr 2020 sehen wir als Seuchenjahr», sagte Kessler.
Immerhin könne aus heutiger Sicht mit einem positiven Betriebsgewinn gerechnet werden. Nach einem Übergangsjahr 2021 dürfte sich die Lage im Jahr 2022 wieder normalisieren und auch die Gruppenreisenden aus Asien «nach und nach» wieder zurückkehren.
Heinz Karrer soll VR-Präsident werden
Mit den Halbjahreszahlen vermeldete die Jungfraubahn-Gruppe auch einen anstehenden Wechsel im Verwaltungsrat: So soll der dieses Jahr in das Gremium gewählte Heinz Karrer im kommenden Jahr zunächst das Vize-Präsidium und 2022 dann das Präsidium übernehmen. Der aktuelle Präsident Thomas Bieger wird 2022 zurücktreten.
Heinz Karrer ist derzeit noch Präsident des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse, hat im Juni aber den Rücktritt nach sieben Amtsjahren per Ende September 2020 bekannt gegeben. Ab 1. Oktober – also nach der Volksabstimmung über die Begrenzungsinitiative – werde er sich anderen beruflichen Tätigkeiten zuwenden, hiess es im Juni.
Karrer war 2002 bis 2014 Konzernchef des Schweizer Energiekonzerns Axpo und von April 2014 bis Mai 2016 auch Verwaltungsratspräsident des Reisekonzerns Kuoni. (awp/mc/pg)