Aarau – Der Aargauer Regierungsrat unterstützt die Pläne des Bundes, eine bestehende Gasturbinen-Testanlage in Birr AG als Reservekraftwerk kurzfristig zur Überbrückung von Strommangellagen zu betreiben. Der Kanton führt entsprechende Gespräche. Ein teilweiser Betrieb zu Spitzenzeiten ist demnach möglich.
Als Energiekanton übernehme der Aargau Verantwortung, sagte der zuständige Regierungsrat Stephan Attiger (FDP) am Donnerstag vor den Medien in Aarau. Es gebe einen Bedarf, kurzfristig verfügbare Reservekapazitäten im Sinne einer Versicherung zu schaffen. Die Situation sei angespannt.
Der Bundesrat möchte, dass bereits im kommenden Spätwinter, also im Februar und März, in der Schweiz Reservekraftwerke zur Verfügung stehen. Strom aus Gas und Öl soll die Stromversorgung vorübergehend sichern.
Der Kanton Aargau führe Gespräche mit dem Bund, der Standortgemeinde und der Betreiberfirma der Gasturbinen-Testanlage, «um so rasch wie möglich eine grössere Kapazität an sicherer, flexibel abrufbarer Stromproduktionsleistung schaffen zu können», sagte der Aargauer Regierungsrat Attiger weiter.
Eine Produktion unter Volllast sei in diesem Winter noch nicht möglich. Es handle sich um zwei Testanlagen. Der Standort sei jedoch ideal, weil es neben der Gaszuleitung auch ein Öllager am Sandort gebe. Mit der Anlage sollten gemäss Attiger vor allem Engpässe zu Spitzenzeiten überbrückt werden können. Bei einem Engpass soll die Anlage in Betrieb genommen werden und auch wieder abgestellt werden können.
Das Energieunternehmen Ansaldo Energia mit Sitz im italienischen Genua und Niederlassung in Baden AG betreibt in Birr ein Testzentrum mit zwei Gasturbinen.
Diese neueren Gasturbinen verfügen zusammen gemäss Kantonsangaben über eine elektrische Leistung von bis zu 660 Megawatt (MW). Dies entspricht fast der Leistung der beiden Atomreaktoren von Beznau 1 und 2 im Kanton Aargau. Konkret ginge es in diesem Winter um eine Stromproduktion in Spitzenzeiten von deutlich unter 300 MW.
Aargau: Bund soll Notrecht anwenden
Der Regierungsrat erwartet nach eigenen Angaben vom Bund «eine aktive Führungsrolle und ein einheitliches nationales Krisenmanagement». Der Bundesrat müsse – nicht erst im Ereignisfall – Notrecht anwenden, da es sich um eine bundesweite Mangellage handle.
Wenn eine solche rechtliche Basis geschaffen sei, könne der Kanton in Absprache mit der Standortgemeinde die mögliche und nötige Bau- sowie Betriebsbewilligung für das Reservekraftwerk in Birr erlassen. Der Kanton setze alles daran, eine Bewilligung erteilen zu können, hielt Attiger fest. Die Gemeinde Birr liegt im Bezirk Brugg und zählt rund 4500 Einwohnende.
Notstromaggregate: Aargau kritisiert Bund
Der Regierungsrat sieht in der Schweiz ein deutlich grösseres Potenzial von bestehenden Notstromaggregaten als der Bundesrat. In der Schweiz bestehen gemäss Bund rund 300 Notstromaggregate mit einer Gesamtleistung von 280 MW, die von der nationalen Netzgesellschaft Swissgid für Systemleistungen eingesetzt werden. Diese Notstromaggregate sind also ans Stromnetz angeschlossen.
Der Bund habe nicht erhoben, wie viele Anlagen ohne Anschluss in Unternehmen bestünden, hielt Attiger fest. Es besteht gemäss Kanton die Möglichkeit, dass Unternehmen ihre Notstromaggregate in Betrieb nehmen und dafür aus dem Netz weniger Strom beziehen.
Allein im Aargau seien Aggregate mit einer Leistung von 200 MW nicht ans Netz angeschlossen. Die Frage einer finanziellen Entschädigung für solche Unternehmen müsse geklärt werden. (awp/mc/ps)