Kantone bremsen Bundesrat bei Verlängerung der Corona-Massnahmen
Bern – Aus den Kantonen wird der Ruf nach einem rascheren Ausstieg aus den Corona-Schutzmassnahmen laut. Zahlreiche Kantonsregierungen möchten die geltenden Regelungen nur bis Ende Februar verlängern – und nicht wie der Bundesrat bis Ende März. Dies zeigt die Vernehmlassung, die am Montag endete.
Sobald der Höhepunkt der Omikron-Welle überschritten sei, sollten die Massnahmen schnell gelockert werden, schrieben die Ostschweizer Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und Thurgau in einer gemeinsamen Stellungnahme. Vorderhand sollten die Schutzmassnahmen weiter gelten – jedoch nur bis am 28.Februar. Zudem brauche es eine regelmässige Überprüfung.
Uneinigkeit in der Zentralschweiz
Ins gleiche Horn stossen die Regierungen von Schwyz, Zug und Uri. Etwas anders tönt es aus dem Kanton Luzern und aus Obwalden. Die Luzerner Regierung sei grundsätzlich einverstanden, die geltenden Massnahmen zur Pandemiebekämpfung bis zum 31. März 2022 zu verlängern, teilte die Staatskanzlei mit.
Gleich äusserte sich der Obwaldner Regierungsrat in seiner Vernehmlassungsantwort. Auch Luzern und Obwalden fordern jedoch, dass die Massnahmen der Entwicklung der Pandemie angepasst werden.
Geographisch breit abgestützt
Die Skepsis gegen einer Verlängerung bis Ende März beschränkt sich nicht auf die Ost- und Zentralschweiz: Eine feste Verlängerung bis Ende März sei nicht angezeigt, teilte etwa der Kanton Basel-Landschaft mit. Ähnlich äusserten sich die Kantone Freiburg, Schaffhausen, Genf und Jura. Auch der Tessiner Staatsrat möchte Ende Februar nochmals über die Bücher – vor einer allfälligen letzten Verlängerung. Das Wallis wünscht sogar eine Überprüfung der Massnahmen schon Mitte Februar.
Unterstützung für eine zweimonatige Verlängerung gibt es dagegen aus dem Aargau, dem Kanton Solothurn und aus Zürich. Namentlich die Homeoffice-Pflicht solle allerdings schon vorher überprüft werden, so der Zürcher Regierungsrat.
EU-Anerkennung des Zertifikats bleibt wichtig
Breite Unterstützung wird aus den Vernehmlassungsantworten für die Verkürzung der Gültigkeitsdauer der Zertifikate für Geimpfte und Genesene von heute einem Jahr auf 270 Tage sichtbar. Es bleibe essenziell, dass das Schweizer Zertifikat von der EU weiterhin anerkannt werde, hiess es dazu etwa aus dem Kanton Basel-Landschaft.
Mehrere Kantone sowohl aus der Ostschweiz als auch der Romandie mahnten allerdings eine angemessene Übergangsfrist an. Die Tessiner Regierung weist trotz ihrer Zustimmung darauf hin, dass häufige Änderungen zu Verunsicherung in der Bevölkerung führen könnten.
Klares Nein zu leeren Hörsälen
Auf Ablehnung stösst die Idee, den Präsenzunterricht an Universitäten und Fachhochschulen vorübergehend zu verbieten. Von einer massiven Einschränkung des Rechts auf Bildung sprach etwa der Kanton Basel-Landschaft. Die Zürcher Regierung betonte die hohe Impfquote unter Studierenden. Auch der Hochschulverband Swissuniversities verwies in seiner Stellungnahme auf negative Folgen des Fernunterrichts für die Studierenden.
Grund zur Hoffnung darf sich die Tourismusbranche machen: Bei den Kantonen findet die Aufhebung der Testpflicht bei der Einreise für Geimpfte und Genesene Anklang. Der Schweizer Tourismus-Verband (STV) bekräftigte in einer Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Montag, man erachte Reisebeschränkungen derzeit nicht mehr als zielführend. Die Omikron-Variante weise in der Schweiz eine viel höhere Inzidenz auf als in den Herkunftsländern der Feriengäste.
Wirtschaft kritisiert «vorauseilende Verlängerung»
Der Tenor der Antworten aus den Kantonen ähnelt in vielem der Kritik, die in der vergangenen Woche vonseiten der Wirtschaftsverbände an den Entscheiden des Bundesrats laut geworden war. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hatte bereits am Mittwoch letzter Woche die «vorauseilende Verlängerung» der Massnahmen bis Ende März kritisiert.
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) schrieb am Montag in seiner Vernehmlassungsantwort, es gebe keine Evidenz, welche die Weiterführung der bestehenden Massnahmen rechtfertige. Insbesondere die Homeoffice-Pflicht sei sofort aufzuheben. (awp/mc/pg)