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Bern – Die Kantone schlagen dem Bundesrat in Sachen Ladenöffnungszeiten die Tür ins Gesicht: Fast geschlossen weisen sie die Liberalisierungspläne zurück. Gegenwind gibt es wenig überraschend auch von den Gewerkschaften, während Detailhändler und Wirtschaftsverbände auf einheitliche Öffnungszeiten pochen. Das letzte Wort in dieser Frage könnte das Volk haben.
Geht es nach dem Bundesrat, sollen Detailhändler künftig werktags von 6 bis 20 Uhr und samstags von 6 bis 19 Uhr öffnen können. Die Kantone dürften sogar noch längere Öffnungszeiten gewähren, aber keine Einschränkungen machen. Der Sonntag ist nicht betroffen, und kantonale Feiertage sind von der nationalen Regelung ausgenommen.
Kampf um Kompetenzen
Doch das neue Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten (LadÖG) stösst den Kantonen sauer auf – und dies sehr deutlich: Bis dato lehnen fast alle Kantone das neue Gesetz in der bis Freitag dauernden Vernehmlassung ab. Eine Ausnahme ist das Tessin, dessen Nachbar Italien weit liberalere Gesetze kennt. Den Kantonen geht es um den Grundsatz des Föderalismus, wie Christoph Niederberger, Generalsekretär der Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VDK), auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte. Heute sind die Ladenöffnungszeiten durch kantonales Recht geregelt.
Die Kantone hätten unterschiedliche Ausgangslagen. Die Frage müsse deshalb weiterhin auf Kantonsebene respektive von den Sozialpartnern geregelt werden – und das im Rahmen, den das Arbeitsgesetz vorgebe. Dagegen sei die vom Bundesrat vorgeschlagene landesweite Regelung unnötig. «Der Aufwand und der Nutzen eines Vollzugs der neuen Vorgaben stünden in keinem Verhältnis», sagte Niederberger. Hinzu komme, dass verschiedene kantonale Abstimmungen in letzter Zeit gezeigt hätten, dass die Akzeptanz der Bevölkerung für längere Ladenöffnungszeiten nur beschränkt vorhanden sei. Mit dem Vorhaben müssten insgesamt 11 Kantone unter der Woche und 14 Kantone an Samstagen längere Öffnungszeiten gewähren.
Schutz der Angestellten
Weniger überraschend ist die Ablehnung der Gewerkschaften sowie von SP und Grünen. Deren Vertreter hatten ihrem Unmut schon bei der Beratung der Motion im Parlament Luft gemacht – sie hatten ähnliche Argumente angeführt wie nun die Kantone. In seiner Vernehmlassungsantwort zeigte sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) empört. Der Vorschlag der Sozialpartner, den Schutz der Angestellten ins Gesetz aufzunehmen, sei nicht aufgenommen worden. Auch andere Arbeitnehmerorganisationen wie Travail.Suisse oder Unia sprechen von Zwängerei.
Referendum möglich
Gewerkschaftsvertreter hoffen nun auf das Einlenken des Ständerats – vor allem wegen der überraschend deutlichen Kritik der Kantone. Würde an der Vorlage nichts geändert, sei ein Referendum denkbar. «Ein Referendum wäre in diesem Fall sicher nicht auszuschliessen», sagte etwa Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse, auf Anfrage. Auch der SGB und die Unia halten sich diese Option offen. Doch zuerst hoffen sie «auf die Vernunft vonseiten Bundesverwaltung und Parlament». Die Motion Lombardis wurde im vergangenen Jahr vom National- und Ständerat indes ohne grossen Widerstand durchgewinkt.
Zahlreiche positive Reaktionen
Betrachtet man die Reaktionen aber ganzheitlich, ist zu sehen, dass die Kantone und die linken Kräfte mit ihrem Widerstand auch dieses Mal allein bleiben dürften. Detailhändler, Touristiker, der Gewerbeverband (sgv), der Arbeitgeberverband (SAV) sowie FDP, CVP und SVP begrüssen die Vorlage.
Die Argumente der Mitte-Rechts-Allianz sind die gleichen wie damals: Mit der Massnahme soll der Einkaufstourismus verringert werden, der seit der Frankenstärke zugenommen hat. Zudem hätten traditionelle Detailhändler gegenüber Geschäften an Bahnhöfen und Tankstellen und auch gegenüber der Konkurrenz in Kantonen mit liberaleren Regelungen weniger Nachteile.
Hoffen auf mehr Umsatz
«Längere Ladenöffnungszeiten bedeuten mehr Umsatz, mehr Arbeitsplätze und mehr Steuereinnahmen», schreibt etwa die Interessengemeinschaft Detailhandel (IG DHS). Für den Branchenverband Swiss Retail ist die Teilharmonisierung «ein Beitrag zum Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Detailhandel».
Leichte Zweifel äussert nur die CVP. Sie sei nicht überzeugt, dass eine Teilharmonisierung der Ladenöffnungszeiten einem echten Bedürfnis der Bevölkerung entspreche, schreibt die Partei in ihrer Vernehmlassungsantwort. Zudem müsse der Grundsatz des Föderalismus im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt werden. (awp/mc/pg)