Bern – Die St. Galler FDP-Politikerin Karin Keller-Sutter präsidiert für ein Jahr die kleine Kammer. Ständerätin zu sein, sei für sie das schönste Amt, sagt sie.
Sie war Gemeinderätin, Kantonsrätin, kantonale Parteipräsidentin, Regierungsrätin und vertritt St. Gallen seit 2011 im Ständerat: Die Wahl zur Präsidentin der kleinen Kammer ist der vorläufige Höhepunkt einer schnörkellosen politischen Karriere geradezu klassischen Zuschnitts.
Sie gilt als rhetorisch gewandt, ehrgeizig, sicher in ihren Dossiers, und sie ist in ihren Positionen stark verankert im wirtschaftsnahen FDP-Liberalismus. Ohne Gegner bleibt sie damit nicht – vor allem nicht in der Zeit als St. Galler Regierungsrätin.
Feindbild von Fussballfans
Neben den normalen politischen Auseinandersetzungen mit viel Kritik von Links blieb eine «Weltwoche»-Kampagne wegen ihrer Unterstützung eines Härtefall-Gesuchs für eine kurdische Familie in Erinnerung, just als sie für den Ständerat – mit Toni Brunner als Konkurrenten – kandidierte. Und noch immer sind rund um die St. Galler Arena Sprayereien mit dem Kürzel «KKS» zu sehen, dem Feindbild einiger Fussballfans.
Begonnen hat alles in Wil, im katholisch geprägten St. Galler Fürstenland. Wer dort nicht für die CVP politisiert, hat einen Grund: Ihre Eltern seien zwar keine CVP-Mitglieder gewesen, trotzdem komme sie aus einer CVP-Familie, erzählt Karin Keller-Sutter. Als Jugendliche und Studentin sei sie aber von der Aufklärung und vom Liberalismus fasziniert gewesen.
Es gab auch konkrete weltanschauliche Differenzen. Etwa bei der Fristenlösung: «Das Selbstbestimmungsrecht der Frau, die in der Lage ist, einen der Situation angemessenen Entscheid zu treffen, war für mich sehr wichtig», sagt sie.
Auf Anhieb in die Regierung
Nach der Zeit im Wiler Gemeinderat folgten rasch die nächsten Schritte: Nach vier Jahren im Kantonsrat wurde die damals 36-jährige Übersetzerin und Konferenzdolmetscherin von der FDP für die Regierung portiert.
Selbstzweifel hatte sie nicht: Es sei eine Kampfwahl gewesen, bei der die FDP einen an die SP verlorenen Sitz zurückgewinnen wollte, erinnert sie sich. «Dazu brauchte es auch unverbrauchte Köpfe.» Keller-Sutter wurde auf Anhieb gewählt und blieb zwölf Jahre lang Regierungsrätin; immer im Justiz- und Polizeidepartement.
Über die tägliche Departementsarbeit hinaus gelang es ihr, sich auf der nationalen Bühne mit den Themen Migrations- und Sicherheitspolitik zu profilieren. Zusammen mit dem Ersten Staatsanwalt zog sie eine repressive Linie gegen Fussballfans durch und vertrat diese wiederholt in der Sonntagspresse.
Keller-Sutters Regierungszeit wird denn auch oft mit den Stichworten Massnahmen gegen Häusliche Gewalt, Repression gegen Fussballfans und einer harten Migrationspolitik zusammengefasst.
Damit werde man den Jahren als Departementsvorsteherin nicht gerecht, wehrt sie sich gegen die Etikettierung. Sie habe aber durchaus Verständnis dafür, dass Medien immer wieder die Themen aufgriffen, für die sie zuerst als Vize- und dann als -Präsidentin der Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) zuständig gewesen sei: eben die Dossiers Polizei und Migration.
Sie erinnere sich aber auch an die Justizreform oder an die Schaffung eines Jugenddienstes in der Kantonspolizei und vor allem an die Arbeit innerhalb der Regierung, bei der sie sich immer an allen Geschäften beteiligt habe.
Andere Agenda im Ständerat
Nach der problemlosen Wahl in den Ständerat 2011 veränderte sich Keller-Sutters politische Agenda. Nicht mehr Sicherheitsthemen stehen seither im Fokus, sondern die Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie die Vertretung des Kantons St. Gallen. Sie bildet mit Paul Rechsteiner (SP) trotz aller politischen Gegensätze ein gut funktionierendes Duo, etwa wenn es wieder einmal darum geht, gegen die Benachteiligung der Ostschweiz beim Bahnausbau zu protestieren.
Nun folgt als bisherige Krönung der Karriere der 53-Jährigen das Präsidium der kleinen Kammer. Es könnte noch weiter gehen: Regelmässig wird sie als Kandidatin für den Bundesrat gehandelt. Es wäre ihr zweiter Anlauf, nachdem ihr 2010 die Bundesversammlung Johann Schneider-Ammann vorgezogen hatte.
Ständerätin zu sein, sei das schönste Amt, das man in der Schweiz bekleiden könne, sagt sie zu allfälligen Ambitionen. Und: «Ich strebe nichts Anderes an.» (awp/mc/ps)