Bern – Die Kasachstan-Affäre hat doch noch ein juristisches Nachspiel: Nach der Aufhebung der Immunität des früheren Baselbieter SVP-Nationalrates Christian Miesch will die Bundesanwaltschaft gegen ihn und Ex-Botschafter Thomas Borer ein Strafverfahren eröffnen.
Die neueste Entwicklung in der Kasachstan-Affäre kam überraschend: Am Mittwochvormittag beschloss die Immunitätskommission des Nationalrates mit 5 zu 3 Stimmen, Mieschs parlamentarische Immunität aufzuheben, wie Kommissionspräsidentin Mattea Meyer (SP/ZH) im Anschluss vor den Bundeshausmedien erklärte.
Miesch wird verdächtigt, Geld für die Einreichung einer Interpellation angenommen zu haben. Mit ihrem Entscheid vollzog die Kommission eine Kehrtwende. Noch im Juni hatte sie es mit Verweis auf den tiefen Unrechtsgehalt des Verhaltens abgelehnt, Mieschs Immunität aufzuheben.
Verdacht nicht ausgeräumt
Nun ist sie ihrer Schwesterkommission gefolgt, die sich im August für die Aufhebung der Immunität aussprach. Meyer erklärte dies mit dem klaren Votum der Ständeratskommission. Zudem sei der Verdacht nicht vollständig ausgeräumt worden. Miesch habe nicht darlegen können, wofür er das Geld erhalten habe.
Der Kommission geht es laut Meyer nicht zuletzt um das Ansehen des Parlaments. Der Meinungsumschwung könnte aber auch damit zu tun haben, dass die Kommission in anderer Zusammensetzung entschied als beim ersten Mal, weil einzelne Mitglieder sich vertreten liessen. Miesch selber sieht darin den Grund für die Kehrtwende. Einige FDP-Mitglieder seien wohl umgeschwenkt, sagte er der Agentur Keystone-SDA. Als SVP-Mitglied sei er ein dankbares Opfer. Gleichzeitig betonte Miesch erneut seine Unschuld.
Strafverfahren gegen Miesch und Borer
Die Bundesanwaltschaft (BA) will das Strafverfahren eröffnen, sobald der offizielle Entscheid eingetroffen ist. Dabei gehe es um den Vorwurf der Vorteilsannahme und des sich bestechen lassens, teilte sie auf Anfrage der Agentur Keystone-SDA mit.
Miesch wird vorgeworfen, im Zusammenhang mit der Kasachstan-Affäre dem Lobbyisten Thomas Borer 2015 als Sekretär der Gruppe Schweiz-Kasachstan 4635 Franken für ein Senioren-Generalabonnement 1. Klasse in Rechnung gestellt haben. Als Nationalrat verfügte Miesch damals bereits über ein GA. Die BA verdächtigt Miesch, das Geld für die Einreichung einer Interpellation kassiert zu haben. Vor der Kommission des Nationalrats hatte Miesch jedoch geltend gemacht, er habe die Interpellation aus eigenem Antrieb eingereicht. Laut Borer wurde der Betrag an Miesch irrtümlich aufgrund eines Fehlers in der Buchhaltung bezahlt. Miesch habe das Geld zurückerstattet. Eine Gegenleistung für das Einreichen eines parlamentarischen Vorstosses sei nie gewährt oder in Aussicht gestellt worden.
Nach der Aufhebung von Mieschs Immunität wird die Bundesanwaltschaft auch gegen den früheren Botschafter ein Strafverfahren einleiten – wegen des Verdachts des Bestechens und der Vorteilsgewährung.
Borers Beratungsunternehmen begrüsste auf Anfrage die Aufhebung von Mieschs Immunität. Dies biete Gelegenheit, die «falschen, durch geschickte PR aufgebauten Vorwürfe zu entkräften».
Erste Aufhebung der Immunität
Es ist das erste Mal, dass die Immunität eines Mitglieds des eidgenössischen Parlaments aufgehoben wird. Bisher hatten sich die zuständigen Kommissionen stets dagegen ausgesprochen oder waren zum Schluss gekommen, dass kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Verhalten und dem Amt besteht.
Ohne Zusammenhang treten sie auf das Gesuch der Bundesanwaltschaft nicht ein. So waren gegen SVP-Nationalrat Pirmin Schwander oder Alt Bundesrat Christoph Blocher Verfahren möglich, weil ihr Verhalten aus Sicht der Kommissionen gar nicht durch die Immunität geschützt war.
Andere Parlamentarier blieben geschützt
Im Fall von Miesch war der Zusammenhang gegeben. Gegen die Aufhebung der Immunität sprach aus Sicht der Kommissionsminderheit unter anderem die Gleichbehandlung. In der Kasachstan-Affäre gab es auch Vorwürfe gegen die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder und den St. Galler FDP-Nationalrat Walter Müller. Beide blieben aber vor Strafverfolgung geschützt.
Die Kommissionen kamen in diesen Fällen zum Schluss, dass eine Aufhebung der Immunität unverhältnismässig wäre. Dabei ging es allerdings nicht um die Annahme von Geld. Markwalder hatte Unterlagen der Aussenpolitischen Kommission an eine Lobbyistin weitergegeben, im Fall von Müller ging es um eine Reise.
Miesch sass bis 2015 im Nationalrat. Er wurde zweimal in die grosse Kammer gewählt, zunächst 1991 für die FDP, 2003 für die SVP. Zweimal wurde er nicht wiedergewählt. Nach einem Rücktritt rutschte er 2014 noch einmal nach, 2015 trat er aber nicht mehr zu den Wahlen an. (awp/mc/pg)