Bern – Nach dem Gripen-Debakel sollen neue Kampfjets über das Armeebudget beschafft werden. Damit dürfte ein Referendum unwahrscheinlicher werden. Dies empfiehlt die Expertengruppe des Bundes. Je nach Variante würde der Kauf zwischen vier und 14 Mrd CHF kosten.
Eigentlich hätten schon ab nächstem Jahr Kampfjets des schwedischen Herstellers Saab am Schweizer Himmel kreisen sollen. Insgesamt sollten 22 Flugzeuge für 3,1 Mrd CHF beschafft werden. Im Mai 2014 lehnte aber das Stimmvolk den Kauf an der Urne ab.
Im vergangenen Jahr nahm der Bundesrat einen neuen Anlauf zum Kauf von Kampfjets und zog Lehren aus dem Gripen-Debakel. Er setzte eine Expertengruppe mit Vertretern von Armee, armasuisse und dem Verteidigungsdepartement (VBS) ein, um grundlegende Fragen einer Beschaffung zu klären. Mit der Schaffung einer Begleitgruppe wollte er die Bundesratsparteien besser einbeziehen.
Kampfjets ohne Alternative
Die Expertengruppe Neue Kampfflugzeuge und die Begleitgruppe haben nun am Dienstag ihre Empfehlungen den Medien präsentiert, die in den Grundzügen bereits in der Sonntagspresse durchgesickert waren. Grundsätzlich erachten sie den Kauf neuer Kampfjets als dringend, weil die Schweiz sonst alle Fähigkeiten verlieren würde, um ihren Luftraum eigenständig zu schützen.
Zum Kauf neuer Kampfjets gebe es keine Alternative, sagte Divisionär und Leiter der Expertengruppe, Claude Meier, vor den Medien. Unbemannte Flugzeuge wie Drohnen oder kleinere Flugzeugflotten im Gegenzug für mehr internationale Kooperation kämen nicht in Frage.
Ziel ist es laut Meier 2020 den Typenentscheid zu fällen und 2022 dem Parlament den Beschaffungskredit zu unterbreiten. Bis 2030 sollen die Flugzeuge dann in Betrieb sein.
Die Arbeit der beiden Gruppe biete eine gute Diskussionsgrundlage, sagte alt Ständerat Hans Altherr, der die Begleitgruppe präsidiert. Verteidigungsminister Guy Parmelin will nach den Sommerferien mit einem Aussprachepapier in den Bundesrat gelangen. Erste Entscheide sollen bis Ende Jahr gefällt werden.
BODLUV wieder auf dem Tapet
Neu lancieren will die Expertengruppe die Beschaffung eines Systems für die bodengestützte Luftverteidigung. Nach der Sistierung des BODLUV-Projektes soll zuerst eine Marktanalyse durchgeführt werden. Die grosse Herausforderung sei, dass beide Grossprojekte nicht wie ursprünglich geplant gestaffelt sondern im selben Zeitraum bewältigt werden müssten, sagte Meier.
Die Expertengruppe empfiehlt auf ein Generalunternehmen zu verzichten. Damit müsste armasuisse zwei Grossprojekte gleichzeitig stemmen. Angesprochen auf die Frage, ob sie dazu in der Lage sei, versicherte Divisionär Meier, armasuisse sei daran, die notwendigen Massnahmen zu treffen. Skeptischer ist die Begleitgruppe. Sie will ein Zusammenfallen der Projekte möglichst verhindern.
Knacknuss Volksabstimmung
Konkret schlägt die Expertengruppe vier Varianten vor: Zur Diskussion steht die Beschaffung von 20 bis 70 Flugzeugen. Kostenpunkt: zwischen vier und 14 Mrd CHF. Anders als beim Gripenfonds empfiehlt die Expertengruppe die Finanzierung über das ordentliche Armeebudget.
Die Begleitgruppe ist sich uneinig in der Frage, ob das Volk das letzte Wort haben soll. Eine Mehrheit will den Entscheid dem Parlament übertragen. Damit wäre laut Altherr ein Referendum a priori nicht ausgeschlossen. Die Räte könnten entscheiden, den Beschluss dem fakultativen Referendum zu unterstellen.
F/A-18 im Notfall noch länger in Betrieb
Die teuerste Variante in der Höhe von 15 bis 18 Mrd CHF sieht den Kauf von 55 bis 70 Kampfjets sowie BODLUV-Systeme grösserer und kleinerer Reichweite vor. Damit könnten die Durchhaltefähigkeit und die Kampfkraft der Luftwaffe am umfassendsten erfüllt werden.
Für neun Mrd CHF könnte die Schweiz 40 Flugzeuge und ein BODLUV-System grösserer Reichweite beschaffen. Objekte und eingesetzte Kampfverbände wären in der zweiten Variante aber nur beschränkt geschützt.
Die dritte Option sieht den Kauf von 30 Flugzeugen und ein umfangreicheres BODLUV-System für 8 Mrd CHF vor. Ein Nachteil wäre aus Sicht der Expertengruppe aber die begrenzte Durchhaltefähigkeit. Diese Variante erhielt in der Begleitgruppe die grösste Zustimmung. Drei von vier Bundesratsparteien befürworteten sie.
Als minimale Variante erachten die Experten den Kauf von 20 Flugzeugen und einem BODLUV-System analog zur Variante 2 für 5 Mrd CHF. Zur Wahrung der Lufthoheit müsste das Ende der Nutzungsdauer der F/A-18 aber zusätzlich hinausgezögert werden. (awp/mc/ps)