Zürich – Die familienergänzende Kinderbetreuung stellt oftmals eine grosse finanzielle Belastung für berufstätige Eltern dar. In ihrer neusten Studie untersuchen die Ökonomen der Credit Suisse, wie viel Familien in 194 Schweizer Gemeinden für die Betreuung von Kleinkindern in einer Kindertagesstätte bezahlen. Die nach Abzug allfälliger Subventionen von den Eltern zu tragenden Kosten variieren dabei je nach Wohnort und finanziellen Verhältnissen der Familie erheblich. Die günstigsten Elterntarife findet man im Durchschnitt in den Westschweizer Kantonen Genf und Neuenburg. In den meisten Zentralschweizer Kantonen sowie in Basel-Land, Zürich und Solothurn müssen berufstätige Eltern im schweizweiten Vergleich am tiefsten in die Tasche greifen.
In der Schweiz sind über 95 % der Väter und über vier von fünf Müttern aktiv auf dem Arbeitsmarkt – insbesondere die Erwerbsquote von Frauen mit Partner und jungen Kindern hat in den letzten zwei Jahrzehnten stark zugenommen. Mitverantwortlich für diesen Anstieg sind diverse Bestrebungen des Bundes, welcher seit 2003 die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Finanzhilfen fördert – unter anderem für die Schaffung zusätzlicher Kinderbetreuungsplätze. Davon profitieren berufstätige Eltern, die ihre Kinder nicht abwechselnd betreuen oder nicht auf die Hilfe von Grosseltern, Freunden, Nachbarn oder anderen Bekannten zählen können. Inzwischen nehmen in der Schweiz knapp 40 % der Haushalte mit Kindern unter 12 Jahren eine institutionelle Kinderbetreuung, das bedeutet die Betreuung in Kindertagesstätten, Tagesstrukturen, Horten oder Mittagstischen, in Anspruch. Umfragen zeigen aber, dass neben der Verfügbarkeit vor allem die Kosten von Betreuungsangeboten oft ein Grund sind, warum sich viele berufstätige Eltern gegen eine professionelle Kinderbetreuung entscheiden müssen.
Regionaler Vergleich von Betreuungskosten zeigt grosse Heterogenität
In der Schweiz gibt es bisher keine zentrale Statistik zu Verfügbarkeit und Kosten der institutionellen Kinderbetreuung. Mit ein Grund dafür sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten für die Bereitstellung bzw. Finanzierung von Betreuungsangeboten. Je nach Kanton ist die Subventionierung Aufgabe des Kantons und/oder der Gemeinden – der Bund übernimmt eine subsidiäre Rolle und gewährt den unteren Gebietskörperschaften weitgehende Kompetenzen in Sachen familienergänzender Kinderbetreuung. Neben den Zuständigkeiten gibt es zudem auch Unterschiede in den Finanzierungsformen (Subjekt- vs. Objektfinanzierung). Entsprechend heterogen zeigen sich die Regelungen zu den Elterntarifen, was beispielsweise die Definition des massgebenden Einkommens der Familie, die Obergrenze für die Subventionsberechtigung oder die Höhe der Subventionsbeiträge anbelangt. Dies und weitere Parameter erschweren den regionalen Vergleich von Betreuungskosten.
Deshalb führten die Ökonomen der Credit Suisse eine Erhebung der Kinderbetreuungskosten in 194 Schweizer Gemeinden durch – mit Fokus auf Kindertagesstätten bzw. die Betreuung von Kindern im Vorschulalter. In ihrer Analyse untersuchten die Ökonomen der Credit Suisse den konkreten Fall eines Ehepaars mit zwei Kindern im Alter von zwei und drei Jahren, welche an zwei Tagen pro Woche eine Kindertagesstätte besuchen. Die jährlichen Kinderbetreuungskosten nach allfälligen Subventionen und Geschwisterrabatten wurden dabei für verschiedene Einkommens- und Vermögensniveaus berechnet.
Familie mit mittlerem Einkommen zahlt für Kita je nach Wohnort bis zu fünfmal mehr
Wenn das Paar ein Bruttoerwerbseinkommen von CHF 110’000 erzielt – was bei einem gemeinsamen Arbeitspensum von 140 % in etwa dem Schweizer Median-Bruttolohn entspricht – und über ein Vermögen von CHF 100’000 verfügt, dann bezahlt die Beispielfamilie mit rund CHF 4’700 in Wollerau (SZ) oder Mendrisio (TI) die tiefste Jahresrechnung. Zum Vergleich: In Wetzikon (ZH) bezahlt derselbe Haushalt mit CHF 24’200 pro Jahr mehr als das Fünffache für die externe Kinderbetreuung. Im Median aller erhobenen Gemeinden betragen die jährlichen Betreuungskosten gut CHF 12’100. Zu den günstigsten Kita-Standorten mit Kosten von weniger als CHF 8’000 pro Jahr zählen in diesem konkreten Fall auch die Kantone Genf, Zug, Neuenburg und Basel-Stadt sowie einzelne Gemeinden in den Kantonen Freiburg, Wallis, Tessin, Schaffhausen, Bern, Glarus und Waadt. In zahlreichen Zürcher und Solothurner Gemeinden sowie in Teilen vom Kanton Basel-Land, der Zentralschweiz und der Ostschweiz müsste die Beispielfamilie mit mittlerem Einkommen hingegen über CHF 20’000 pro Jahr für die Kinderbetreuung hinblättern.
Nicht nur regional, sondern auch je nach finanziellen Verhältnissen der Familie unterscheiden sich die Kosten erheblich, welche Eltern in der Schweiz für einen Kitaplatz zu tragen haben, wie die Studie anhand weiterer Beispiele zeigt. Bei einem Einkommen von CHF 80’000 und einem Vermögen von CHF 50’000 würden die Kinderbetreuungskosten des Modellhaushalts im Median aller untersuchten Gemeinden knapp CHF 7’700 pro Jahr betragen, gegenüber CHF 21’000 bei einem Einkommen von CHF 200’000 und einem Vermögen von CHF 300’000. Auch die Positionierung der Gemeinden im schweizweiten Vergleich sieht je nach finanziellen Verhältnissen der Familie anders aus.
Kitakosten sind in den Kantonen Genf und Neuenburg generell am tiefsten
Werden die Kosten für verschiedene Einkommens- und Vermögenssituationen und alle Gemeinden in einen einzigen Indikator aggregiert, weisen für den Modellhaushalt mit zwei Kindern und zwei Betreuungstagen pro Woche die Westschweizer Kantone Genf und Neuenburg insgesamt die günstigsten Kitatarife auf. Auch in den Kantonen Wallis, Tessin, Schaffhausen, Waadt, Jura und Zug liegen die geschätzten Betreuungskosten unterhalb des Schweizer Durchschnitts (vgl. Abb. 1). In den Westschweizer Kantonen, aber teilweise auch in Schaffhausen und im Tessin, spielen grosszügige Geschwisterrabatte vielerorts bei der Gesamtbewertung eine wichtige Rolle. Am anderen Ende der Skala liegt der Kanton Uri. Auch in den übrigen Zentralschweizer Kantonen sowie in Basel-Land, Zürich und Solothurn zahlen Eltern im schweizweiten Vergleich relativ viel für die Betreuung ihrer Kinder in einer Kindertagesstätte. Mit Ausnahme von Obwalden, Nidwalden und Uri sind dies im Wesentlichen auch diejenigen Kantone, bei denen sich die kantonalen Behörden nicht an der Finanzierung der familienexternen Kinderbetreuung beteiligen und den Gemeinden die alleinige Finanzierung überlassen.
Abb. 1:
Vorschulische Kinderbetreuung tendenziell günstiger in der Westschweiz und im Tessin
Kinderbetreuungskosten (inkl. Verpflegung), nach Berücksichtigung allfälliger Subventionen, 2021; Ehepaar mit zwei Kindern im Vorschulalter, die zwei Tage pro Woche eine Kindertagesstätte besuchen; synthetischer Indikator, aggregiert über alle Gemeinden und verschiedene Einkommens-, Vermögens-, Wohn- und Pendeltypen hinweg, CH = 0
Die Studie «So viel kostet ein Kitaplatz in der Schweiz – Kinderbetreuungskosten im regionalen Vergleich» finden Sie im Internet auf Deutsch und Französisch. (Credit Suisse/mc/ps)