Knappes Nein zur Eigenmietwert-Initiative

Knappes Nein zur Eigenmietwert-Initiative

Bern – Wohneigentümer müssen den Eigenmietwert weiterhin versteuern – auch wenn sie das Rentenalter erreicht haben. Volk und Stände haben die Initiative «Sicheres Wohnen im Alter» des Hauseigentümerverbandes knapp abgelehnt. 52,6% der Stimmenden sagten Nein. Gegen die Initiative sprachen sich rund 1’125’400 Stimmberechtigte aus. Ja sagten 1’013’900 Personen. Am deutlichsten lehnten die Stimmenden in den Kantonen Basel-Stadt und Waadt das Volksbegehren ab, mit einem Nein-Stimmen-Anteil von jeweils rund 64%.

Am meisten Zustimmung erhielt die Initiative in den Kantonen Glarus und Schaffhausen mit über 55%. Ja sagten auch die Kantone Aargau, Thurgau, Solothurn, St. Gallen, Schwyz, Appenzell Ausserrhoden, Tessin sowie – als einziger Westschweizer Kanton – Genf. In der Mehrheit der Kantone resultierte jedoch ein Nein.

Mieter setzen sich durch
Damit hat das Stimmvolk in diesem Jahr bereits die zweite Initiative des Hauseigentümerverbandes (HEV) abgelehnt – und die dritte, die steuerliche Begünstigungen für Wohneigentümer verlangte. Bei den ersten beiden Volksbegehren ging es um das steuerlich begünstigte Bausparen. Im März sagten 56% der Stimmenden dazu Nein, im Juni 69%.

Am Sonntag wurde nun erneut deutlich, dass die Anliegen der Hauseigentümer in einem Volk von Mieterinnen und Mietern einen schweren Stand haben. Der Ausgang war allerdings knapper. Ins Gewicht fiel wohl, dass es diesmal um Wohneigentümer im Rentenalter ging. Das Argument, ihnen müsse kostengünstiges Wohnen ermöglicht werden, stiess auf gewisse Sympathien.

Umstrittener Eigenmietwert
Zudem drehte sich die Abstimmung diesmal um den umstrittenen Eigenmietwert – jenen Betrag, den Personen mit selbst bewohntem Wohneigentum versteuern müssen, weil sie Geld einnehmen könnten, wenn sie das Haus oder die Wohnung vermieten würden. Bei einem Ja zur Initiative hätten Rentnerinnen und Rentner den Eigenmietwert nicht mehr versteuern müssen. Zwar hätten sie dann auch die Schuldzinsen nicht mehr vom steuerbaren Einkommen abziehen können. Weiterhin abziehbar wären aber Unterhaltskosten sowie Kosten für Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen gewesen.

Inkonsequent und ungerecht
Genau dies kritisierten die Gegner. Aus ihrer Sicht war das Volksbegehren inkonsequent. Sinnvoll wäre nur ein vollständiger Systemwechsel, argumentierten sie: Keine Versteuerung des Eigenmietwertes, keine Abzüge. Der Bundesrat und das Parlament lehnten das Volksbegehren aber auch deshalb ab, weil sie es für ungerecht hielten. Benachteiligt gewesen wären Mieterinnen und Mieter sowie Eigenheimbesitzer, die das AHV-Alter noch nicht erreicht haben. Ausserdem warnten die Gegner vor Steuerausfällen in der Höhe von 750 Millionen Franken.

Zu hohe Verschuldung
Die Initianten fanden dagegen, die Steuerbelastung sei heute insbesondere für schuldenfreie Wohneigentümer unfair. Wer hart arbeite, um schuldenfrei zu sein, werde vom Staat mit hohen Steuern bestraft. Dies führe zu einer hohen Hypothekarverschuldung, die aus volkswirtschaftlicher Sicht eine ernste Gefahr darstelle. Das Argument verfing am Ende nicht. Die Initiative verlor in den Monaten vor der Abstimmung auch im Lager der Bürgerlichen an Rückhalt. Einzig die SVP unterstützte sie noch. Die FDP, die sich im Parlament für das Volksbegehren stark gemacht hatte, fasste die Nein-Parole.

Finanzdirektoren zu Diskussion über Eigenmietwert bereit
Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) zeigte sich zufrieden über der Ablehnung der Initiative «Sicheres Wohnen im Alter». FDK-Präsident Christian Wanner ist aber bereit, eine Reform der Besteuerung des Eigenmietwerts zu diskutieren. Die Neuorganisation des Systems müsste umfassend sein, sagte der Solothurner Finanzdirektor der Nachrichtenagentur sda. Nicht in Frage komme beispielsweise, dass die Besteuerung des Eigenmietwerts abgeschafft wird und gleichzeitig die Steuerabzüge auf die Hypothekarzinsen beibehalten werden. Dies hätte zu hohe Steuerausfällen für die Kantone zur Folge.

Laut Wanner sollte man bei der Diskussion nichts überstürzen. «Die FDK wird den Fahrplan vorgeben», betonte er, ohne allerdings genaue Daten zu nennen. Kein Verständnis hat Wanner für allfällige Vorstösse nächste Woche im Parlament. «Man sollte nicht schon am Tag nach einer Abstimmung neue Vorschläge einbringen.» Wanner machte deutlich, dass die Frage des Eigenmietwerts kein vordringliches Thema ist für die FDK. «Wir sind schon genug beschäftigt mit dem Steuerstreit.»

Bundesrat ist laut Widmer-Schlumpf offen für einen Umbau
Für Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf deutet das knappe Nein zur Initiative «Sicheres Wohnen im Alter» darauf hin, dass bei der Besteuerung von Wohneigentum «gewisse Fragen offen sind». «Ich gehe davon aus, dass es nicht das letzte Mal ist, dass wir über den Eigenmietwert diskutieren», sagte Widmer-Schlumpf am Sonntagabend vor den Medien. Der Bundesrat habe immer signalisiert, dass er für einen Umbau der Wohneigentumsbesteuerung offen sei. Voraussetzung sei, dass der Umbau ausgewogen und finanziell verkraftbar sei. Er dürfe zudem nicht zu einer Ungleichbehandlung führen. Die Initiative «Sicheres Wohnen im Alter» hat diese Voraussetzungen aus Sicht des Bundesrates nicht erfüllt. (awp/mc/pg)

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