Zürich – Die Konjunkturforscher der ETH Zürich (KOF) erwarten eine deutliche Eintrübung der Schweizer Wirtschaft im kommenden Jahr. Ein spürbarer Anstieg der Arbeitslosigkeit wird aber nicht prognostiziert.
Die KOF rechnet gemäss ihrer neuesten Prognose nach einem Wachstum des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) von 2,0 Prozent im laufenden Jahr mit einer Abkühlung auf noch 0,7 Prozent im 2023. Erst 2024 soll die hiesige Wirtschaft dann mit 2,1 Prozent wieder deutlich schneller wachsen.
Ohne den Effekt der grossen internationalen Sportanlässe, welche sich wegen des Schweizer Hauptsitzes vieler grosser Sportorganisationen bekanntlich auf das hiesige BIP jeweils auswirken, werden die erwarteten Wachstumsraten mit 1,0 Prozent (2023) bzw. 1,7 Prozent (2024) angegeben.
Die deutliche Eintrübung im kommenden Jahr wird in einer Mitteilung vom Donnerstag vor allem mit der weltweiten konjunkturellen Abkühlung begründet. Die Energiekrise, die auf breiter Front gestiegene Inflation sowie das Auslaufen von Aufholeffekten nach der Corona-Krise hätten die internationalen Konjunkturindikatoren bereits vor einer Weile auf Talfahrt geschickt.
Grundsätzlich habe sich das konjunkturelle Bild gegenüber der Herbstprognose (Oktober) allerdings nur wenig verändert, entsprechend sind auch die Prognosen unverändert. Auch wenn sie sich nicht auf die Prognose ausgewirkt hat – eine gewichtige Verbesserung gibt es allerdings: Das Risiko einer Energiemangellange und eines damit verbundenen Konjunkturabsturzes sei seit dem Herbst gesunken.
Arbeitsmarkt stabil – Teuerung rückläufig
Der Tiefpunkt im Konjunkturverlauf dürfte im laufenden Winterhalbjahr sein. Für diesen Winter bzw. das erste Halbjahr 2023 sei in einigen Ländern mit einer sinkenden gesamtwirtschaftlichen Produktion zu rechnen, so die KOF. Die Schweizer Wirtschaft werde sich dem nicht ganz entziehen können. Sie dürfte aber aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Widerstandskraft eine Rezession zwar abwenden, doch das Produktionsniveau dürfte stagnieren.
Die Auswirkungen daraus auf den Arbeitsmarkt hielten sich aber in Grenzen, so die KOF weiter. Aufgrund der konjunkturellen Eintrübung werde sich der Boom am Arbeitsmarkt zum Jahresende zwar abschwächen und der Beschäftigungsaufbau abflachen. Ein spürbarer Anstieg der Arbeitslosigkeit sei aber nicht zu erwarten.
Auch im Aussenhandel erwartet die KOF keine länger anhaltende Schwäche. Die Exporte dürfte sich im ersten Halbjahr 2023 wegen der schwachen internationalen Konjunktur zwar nur flach entwickeln. Gleiches gelte für die Importe, heisst es. Mit dem prognostizierten Wiederaufschwung in Europa in der zweiten Jahreshälfte 2023 dürften dann aber auch der Aussenhandel wieder an Fahrt aufnehmen.
In Bezug auf die hohe Inflation gibt die KOF mit ihrer Prognose ebenfalls Entwarnung. Nach knapp 3 Prozent im laufenden Jahr wird ein Rückgang auf 2,3 Prozent im kommenden Jahr prognostiziert. Nach einem Anstieg Anfang Jahr wegen der Erhöhung der regulierten Energiepreise werde das Auslaufen von Basiseffekten im Jahresverlauf zu einer sinkenden Inflation führen, heisst es. 2024 sieht die KOF dann einen weiteren Rückgang auf lediglich noch 1,1 Prozent im Jahresdurchschnitt, was wieder klar innerhalb des von der SNB anvisierten Zielbandes von 0 bis 2 Prozent wäre.
Alle Prognosen sehen klare Abkühlung
Neben der KOF haben zuletzt diverse andere Prognoseinstitute ebenfalls ihre Einschätzung für die Konjunkturentwicklung im kommenden Jahr abgegeben, heute etwa auch die SNB mit einem prognostizierten BIP-Wachstum von rund einem halben Prozent.
Grundsätzlich decken sich die Einschätzungen bei den Prognosen. Unisono wird im kommenden Jahr eine deutliche Abschwächung erwartet, was angesichts der Tatsache, dass die Eintrübung seit einiger Zeit bereits zu sehen ist, auch nicht gross überrascht. Die optimistischen Einschätzungen gehen dabei von einem BIP-Wachstum von 1,0 Prozent aus, die pessimistischsten von 0,2 Prozent. Zumeist wird dabei betont, dass die Abwärtsrisiken aktuell sehr hoch seien.
Auch bezüglich Inflation wird nach den knapp 3 Prozent bei allen ein deutlicher Rückgang erwartet, wobei lediglich die Credit Suisse mit 1,5 Prozent unter die Marke von 2 Prozent geht. Die SNB sieht bei ihrer neuesten, heute veröffentlichten bedingten Prognose einen Wert von 2,4 Prozent und hat entsprechend weitere Zinsschritte nicht ausgeschlossen. (awp/mc/ps)