Zürich – Vor allem dank der anziehenden internationalen Wirtschaftsentwicklung gewinnt die Schweizer Konjunktur an Schwung. Die Preise steigen allmählich wieder, die Arbeitslosigkeit wird aber auf ihrem aktuellen Niveau verharren. Dies sind die Hauptergebnisse der aktuellen KOF Konjunkturprognose.
Konjunkturelle Entwicklung in der Schweiz
Die Schweizer Wirtschaft wird vom globalen Aufschwung profitieren. Der Wirtschaftsverlauf nimmt Fahrt auf und die von der Aufwertung des Frankens am stärksten betroffenen Unternehmen haben sich weitgehend den geänderten Rahmenbedingungen angepasst. Dank häufiger Interventionen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) konnte eine erneute Aufwertung des Frankens vermieden werden. Die KOF rechnet für ihre Prognose mit einem Frankenkurs von 1.09 CHF/EUR für die kommenden Monate.
Die Exportwirtschaft profitiert von der jüngsten Entspannung des Schweizerfrankens sowie der guten internationalen Konjunktur und kann ihre Margen geringfügig verbessern. Die KOF erwartet ein Exportwachstum von 2.9% in diesem und 3.3% im kommenden Jahr. Mit den Exporten ziehen auch die Importe langsam an (2017: 2.2%, 2018: 4.1%). Die Ausrüstungsinvestitionen sind von starken Sondereffekten, wie dem Import von Flugzeugen, geprägt. Sie bleiben insgesamt aber schwach (2017: -0.2%, 2018: 0.2%). Die Bauinvestitionen erholen sich langsam und wachsen in diesem Jahr um 1.2% (2018: 2.2%).
Insgesamt rechnet die KOF mit einem Anstieg des Bruttoinlandprodukts (BIP) in diesem Jahr von 1.3%. Dies entspricht einer Revision nach unten gegenüber der vorhergehenden März-Prognose (1.5%). Die Einschätzung der KOF der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung ist aber eher leicht positiver; die Revision der Jahreswachstumsrate ist auf den gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schwachen Verlauf im 1. Quartal dieses Jahres zurückzuführen. Für das nächste Jahr prognostiziert die KOF bei annähernd gleich bleibender Konjunkturlage eine Wachstumsrate von 2.1%.
Preise steigen wieder
Nach fünf Jahren rückläufiger Konsumentenpreise beginnen diese langsam wieder zu steigen (2017 und 2018: 0.3%). Der Anstieg ist aber so gering, dass eine Verschärfung der Geldpolitik unwahrscheinlich ist. Eine solche würde wohl auch einen Abbau der Devisenreserven der SNB verunmöglichen und eher erneute Devisenkäufe nach sich ziehen. Die Kurzfristzinsen werden sich daher nicht verändern; die längerfristigen Zinsen nur leicht. Erst wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik restriktiver gestaltet, wird die SNB die Möglichkeit in Betracht ziehen, ihre Politik restriktiver auszurichten.
Die grössten Auswirkungen der mit dem SNB-Entscheid vom Januar 2015 erfolgten Aufwertung des Schweizerfrankens sind am Arbeitsmarkt sichtbar und diese Entwicklungen sind wohl auch noch nicht ganz abgeschlossen. Aufgrund der zunehmend positiven Meldungen vom Arbeitsmarkt erwartet die KOF zwar insgesamt keine Zunahme der Arbeitslosigkeit, aber auch keine Verringerung. Die Arbeitslosenquote dürfte somit gemäss Definition der International Labour Organization (ILO) dieses Jahr 4.9% und nächstes Jahr 4.8% betragen. Da der Druck zu weiteren Rationalisierungen in weiten Teilen der Wirtschaft bestehen bleibt, wird der Beschäftigungsanstieg schwach ausfallen.
Die geringe Teuerung sowie die reduzierten Margen in den meisten Branchen bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Löhne. Deren Anstieg war bereits in den letzten Jahren gering oder inexistent. Aufgrund des Preisrückgangs waren die Reallohnzuwächse aber durchwegs positiv. Mit der erwarteten Rückkehr zu schwach steigenden Preisen wird der Reallohn im Prognosezeitraum geringfügig steigen. Das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen, das auch Strukturveränderungen und leistungsabhängige Lohnkomponenten mit einschliesst, wird etwas stärker steigen als der Schweizerische Lohnindex. Die Wachstumsraten bleiben gemäss aktuelle KOF-Prognose allerdings unter 1%.
Markante Unterschiede zwischen den Branchen
Der Schrumpfungsprozess in vielen Industriebranchen dürfte langsam zu Ende gehen und die Branchen, denen es bisher relativ gut ging, werden ihre Produktion ausweiten können. Dies trifft in erster Linie für die pharmazeutische Industrie und die Medizinaltechnik zu, aber auch die chemische Industrie wird vom besseren Wirtschaftsgang in der EU profitieren. Die Uhrenindustrie ist dagegen stärker von den Fernmärkten abhängig, deren Wachstum etwas nachgelassen hat. Trotzdem erachtet die KOF einen weiteren Rückgang der Wertschöpfung in dieser Branche als unwahrscheinlich. Vielmehr geben die letzten Ausfuhrzahlen Anlass zu vorsichtigem Optimismus.
Innerhalb der Dienstleistungsbranchen dürfte die Finanzindustrie wieder zulegen können. Der Margendruck wird aber voraussichtlich sowohl für die Banken als auch für die Versicherungen bestehen bleiben. Der Gesundheitssektor wird aufgrund des Bevölkerungswachstums und der zunehmenden Alterung der Bevölkerung sowie weiterer Fortschritte in der Medizin wie bislang stark wachsen. Der Detailhandel tut sich dagegen immer noch schwer mit dem Strukturwandel und den grenzübergreifenden Einkäufen. Für den Einkaufstourismus ist aber zumindest keine weitere Zunahme zu erwarten. Der Grosshandel schneidet regelmässig besser ab als der Detailhandel, was zu einem grossen Teil auf den Transithandel zurückzuführen ist. Die Erträge im Transithandel schwanken stark und beeinflussen durch ihre Grösse die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten markant. Die Bauwirtschaft hat die vergangenen Krisenjahre gut überstanden. Eine starke Ausweitung der Bautätigkeit ist jedoch nicht zu erwarten. Der durch den Wechselkurs stark gebeutelte Tourismus kann gemäss der aktuellen Prognose insgesamt etwas zuversichtlicher in die Zukunft blicken, aber auch hier zeigt sich schon seit Längerem ein wohl irreversibler Strukturwandel: weg von der klassischen Tourismusnachfrage in den Berggebieten hin zu den Städten.
Internationales Umfeld
Nachdem die Weltwirtschaft im zweiten Halbjahr 2016 kräftig zulegte, verlangsamte sich die konjunkturelle Dynamik Anfang dieses Jahres. Hierfür war insbesondere die wirtschaftliche Abschwächung in den USA und im Vereinigten Königreich verantwortlich. In den übrigen grossen Volkswirtschaften setzte sich die gute konjunkturelle Entwicklung hingegen fort. Der Euroraum befindet sich weiterhin in einem Aufschwung. Die gesamtwirtschaftliche Produktion expandierte kräftig in Deutschland, Frankreich, Spanien, den Niederlanden und Portugal; auch in Italien fasste die Erholung wieder Tritt. Die chinesische Volkswirtschaft verbuchte einen verhältnismässig geringen Zuwachs des Bruttoinlandprodukts im 1. Quartal 2017, allerdings deuten verschiedene Monatsdaten auf eine hohe Dynamik im 1. Quartal hin.
Der Aufschwung der Weltwirtschaft dürfte in den kommenden Quartalen zusätzlich an Breite gewinnen. Von den entwickelten Volkswirtschaften, allen voran der EU, werden weiterhin deutliche Impulse für die Weltwirtschaft kommen. Die Wirtschaft in den USA wird wohl nach dem verhaltenen 1. Quartal wieder stärker expandieren. Ein gemischtes Bild liefern dagegen die Schwellenländer: Die Erholung in Russland wird sich fortsetzen. Auch in Lateinamerika hellen sich die wirtschaftlichen Erwartungen langsam auf, jedoch bleibt die Lage in Brasilien prekär. In China hat die starke konjunkturelle Dynamik wohl ihren Zenit überschritten, die KOF geht von einer graduellen Verflachung in den kommenden Quartalen aus. Gleichwohl ist die Wirtschaft Chinas angesichts einer hohen Verschuldung einem deutlichen Abwärtsrisiko ausgesetzt.
Weitere Informationen zur KOF Konjunkturprognose finden Sie hier. (KOF/mc/ps)