KOF Konjunkturprognose Winter 2019: Schwächephase hält an

Zürich – Die gebremste globale Konjunktur und das schwache Wachstum im Euroraum – insbesondere in der deutschen Industrie – drücken auf die Schweizer Wirtschaft. Gleichzeitig sind die internationalen Risiken etwas gesunken. Die heutigen Unterhauswahlen im Vereinigten Königreich könnten aber neue Unsicherheiten mit sich bringen. Die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich erwartet für 2019 unverändert einen BIP-Zuwachs von 0.9%. Die Prognosen für 2020 und 2021 senkt sie leicht auf 1.8% und 1.4%.

Die globale Konjunktur entwickelte sich im Sommerhalbjahr 2019 schwach. Auch in diesem und den kommenden Quartalen werden der Welthandel und die Weltwirtschaft voraussichtlich unter Potenzial wachsen. Trotzdem dürfte sich der seit 2018 beobachtete Abschwung zumindest nicht weiter verstärken. Dies unter anderem dank einer gewissen Entspannung beim Handelskonflikt zwischen den USA und China.

Die KOF belässt ihre Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahr 2019 unverändert bei 0.9%. Die Prognosen für 2020 und 2021 werden leicht gesenkt auf 1.8% und 1.4% (Herbstprognose: 1.9% und 1.5%). Bereinigt um die ausserordentlichen Einnahmen aus grossen internationalen Sportveranstaltungen, sind bis 2021 Wachstumsraten von 1.4%, 1.4% und 1.8% zu erwarten.

Deutsche Industrieschwäche bremst Schweizer Exportfirmen
Im Euroraum setzte sich die seit Frühjahr 2019 beobachtete, relativ schwache gesamtwirtschaftliche Dynamik im 3. Quartal 2019 fort. Das BIP wuchs um lediglich 0.9%. Die konjunkturelle Schwäche betrifft vor allem das Verarbeitende Gewerbe, genauer die Hersteller von Investitionsgütern. Diese sind exportorientierter und allgemein stärker in die globalen Wertschöpfungsketten eingebunden als viele Konsumgüterindustrien und Dienstleistungssektoren. Ein Ländervergleich zeigt, dass die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe derzeit umso schlechter ausfällt, je höher der Anteil der Vorleistungs- und Investitionsgüterproduktion an der gesamten industriellen Wertschöpfung eines Landes ist.

Gebremst wurde das Wachstum im Euroraum vor allem von der gesamtwirtschaftlichen Produktion in Deutschland. Die Produktion der deutschen Industrie ist nun seit mehr als einem Jahr rückläufig, was auch negative Auswirkungen auf das Verarbeitende Gewerbe in der Schweiz hat. Verantwortlich für die schleppende Entwicklung in Deutschland ist unter anderem der sich anbahnende Strukturwandel im Autogewerbe und die verhaltene Investitionsdynamik in der Welt. Auch die Wachstumsverlangsamung in China könnte Konsequenzen für die Schweizer Exportindustrie haben.

Steigende Reallöhne und leicht höhere Arbeitslosigkeit erwartet
Der private Konsum dürfte sich, wie häufig in der Vergangenheit, als wichtige konjunkturelle Stütze erweisen. Die KOF rechnet für die nächsten zwei Jahre mit einem leicht zunehmenden Wachstum der privaten Konsumausgaben – trotz der moderaten Nettozuwanderung. Ein Grund dafür sind die wieder steigenden Löhne: Bei praktisch stagnierenden Konsumentenpreisen wird für 2020 ein Wachstum der Reallöhne gemäss Schweizerischem Lohnindex um 0.7% erwartet.

Die Beschäftigung dürfte sich in den kommenden Quartalen hingegen nur verhalten entwickeln. Die KOF geht davon aus, dass sie 2020 mit einem Plus von 0.7% weniger stark wachsen wird als 2019 (1.2%). In der Industrie ist nächstes Jahr gar mit einem Stellenrückgang zu rechnen. Die Arbeitslosenquote gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) dürfte – ausgehend von einem gegenwärtig sehr tiefen Niveau – leicht ansteigen. Sie liegt dieses Jahr im Schnitt bei 2.3% und erreicht 2020 laut Prognose 2.4%. Die Arbeitslosenquote gemäss International Labour Organization (ILO) liegt nächstes Jahr bei 4.5%.

Wohnbau leidet unter schwacher Nachfrage und steigenden Leerständen
Der Schweizer Bausektor verliert zunehmend an Dynamik. Für das Jahr 2019 erwartet die KOF ein Wachstum der realen Bauinvestitionen um nur noch 0.3%. 2020 und 2021 dürften die Bauinvestitionen stagnieren und somit nicht zum Wachstum der Schweizer Wirtschaft beitragen. Insbesondere die Wohnbauinvestitionen werden sich voraussichtlich schwach entwickeln. Überkapazitäten, eine schwache Nachfrage und steigende Leerstände bremsen den Wohnbau, obwohl die Finanzierungsbedingungen nach wie vor sehr attraktiv sind. Investitionen in die Schweizer Infrastruktur stützen allerdings den Bausektor. Der Tiefbausektor dürfte sich dynamisch entwickeln und den Rückgang der Wohnbauinvestitionen abfedern.

Bei den Ausrüstungsinvestitionen erwartet die KOF im kommenden Jahr einen Rückgang des Wachstums auf 1% (2019: 1.7%). Die Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe ist im 3. Quartal 2019 weiter gesunken. Gleichzeitig stagniert die Ertragslage. Der Investitionsdruck hat sich damit weiter reduziert.

In den Konjunkturumfragen der KOF fallen die Antworten aus der Industrie und dem Verarbeitenden Gewerbe denn auch zunehmend negativ aus. Andere Unternehmen sind hingegen weiterhin zuversichtlich. Der Tourismussektor, der bei schleppendem Wirtschaftsgang häufig zu den am stärksten betroffenen Wirtschaftszweigen gehört, ist trotz des erstarkten Frankens recht optimistisch. Ähnliches gilt für den Detailhandel.

Grundlage für Leitzinssenkung der SNB entfällt
Die meisten Zentralbanken in Industrie- und Schwellenländern verhalten sich abwartend. Auch Christine Lagarde, die neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), wird zunächst keine neuen geldpolitischen Massnahmen ergreifen. Die Lage am Devisenmarkt ist derzeit ebenfalls stabil. Damit entfällt die Grundlage für die Leitzinssenkung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zum Jahresende, welche die KOF in ihrer Herbstprognose angenommen hatte. Die SNB dürfte ihre Politik vorerst unverändert fortführen.

Prognoserisiken
Am heutigen 12. Dezember 2019 finden Unterhauswahlen in Grossbritannien statt. Der Regierungspartei von Premierminister Boris Johnson wird eine Mehrheit vorausgesagt. Die KOF geht davon aus, dass das Vereinigte Königreich am 31. Januar 2020 aus der EU austreten wird und es hierbei nicht zu wirtschaftlichen Verwerfungen kommt. Das zukünftige Verhältnis Grossbritanniens zur EU wird allerdings erst bei danach folgenden Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen geklärt. Eine weitere Verzögerung des Austritts, zum Beispiel bei einem Patt bei den Unterhauswahlen, würde die Unsicherheit wieder erhöhen und stellt somit ein konjunkturelles Abwärtsrisiko dar.

Die Schweizer Pharmaindustrie verzeichnet einen hohen und wachsenden Handelsüberschuss gegenüber den USA, was der Trump-Administration ein Dorn im Auge ist. Es besteht das Risiko, dass die US-Regierung Druck auf die Schweiz in Form von Zöllen auf Pharmaimporte ausüben wird. Auch die Streiks in Frankreich gegen die Rentenpläne der Regierung stellen ein Abwärtsrisiko dar. Dasselbe gilt für die Geschehnisse am amerikanischen Repomarkt. Mitte September kam es hier zu Liquiditätsengpässen, woraufhin die US-Notenbank Fed den Markt mit Liquidität flutete. Im Oktober begann sie zudem, wieder Staatsanleihen zu kaufen, um zusätzlich Liquidität bereitzustellen. (KOF/mc/ps)

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