Zürich – Die Schweizer Wirtschaft wird in diesem Jahr um 2.7 Prozent und im nächsten Jahr um 1.6 Prozent zunehmen. Zwar bremsen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges die Weltwirtschaft. Dennoch behauptet sich die Schweiz dank des Inlandkonsums und einer im internationalen Vergleich relativ niedrigen Inflationsrate. Von dieser Entwicklung geht die KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich aus.
Die Folgen der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges sorgen in der Weltwirtschaft für Gegenwind. Gerade als die globale Konjunktur im Begriff war sich von der Corona-Krise zu erholen, kam der nächste Dämpfer in Form der russischen Invasion der Ukraine. Zudem hat die Inflationsrate in vielen Ländern besorgniserregende Höhen erklommen und wird die internationale Nachfrage zusätzlich belasten.
Schweizer Wirtschaft wächst trotz geopolitischer Krisen – vor allem dank des Inlandkonsums
Trotz der geopolitischen Krisen behauptet sich die Schweizer Wirtschaft. Das um Sportevents bereinigte Bruttoinlandprodukt (BIP) steigt gemäss Prognose der KOF in diesem Jahr um 2.7 Prozent und im nächsten Jahr um 1.6 Prozent. Produktionsseitig ist das Wachstum gestützt durch die Normalisierung der Dienstleistungssektoren sowie der stabil wachsenden Industrie. Speziell der Tourismus dürfte ebenfalls wieder besseren Zeiten entgegensehen. Die nach der Aufhebung der Corona-Restriktionen eingesetzte Erholung dürfte anhalten. Es ist davon auszugehen, dass der inländische Konsum die Schweizer Konjunktur tragen wird: Zum einen hat sich das Lohnwachstum überraschend positiv entwickelt, was zusätzliche Konsumanreize setzte. Zum anderen hatten die Haushalte nach dem coronabedingten Zwangssparen Mittel zur Seite legen können, die nun ausgegeben werden können.
Inflation fällt in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ gering aus
Die hohe Inflation zählt derzeit zu den grössten Konjunkturrisiken. Die Gründe für die stark steigenden Preise sind vielfältig: Einerseits spielt ein Nachfrageüberhang, der auf die durch Corona-Krise verursachten Aufholeffekte zurückgeführt werden kann, eine Rolle. Andererseits dürften Engpässe bei den Lieferketten eine entscheidende Rolle spielen. Darüber hinaus haben die durch die russische Invasion der Ukraine entstandene Versorgungsunsicherheit sowie Knappheit zu stark steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen geführt. Als kleine offene Volkswirtschaft bleibt die Schweizer Wirtschaft von diesen internationalen Preisentwicklungen nicht verschont. Dennoch fällt die Teuerungsrate in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ gering aus. Die KOF erwartet für die Schweiz eine Inflation von 2.6 Prozent für das laufende Jahr und 1.5 Prozent für das nächste Jahr.
KOF erwartet weitere Zinsschritte in der Schweiz – Franken dürfte aufwerten
Wie viele Zentralbanken weltweit, hat auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) in ihrer jüngsten Lagebeurteilung entschieden, ihre Geldpolitik zu verschärfen, um der gestiegenen Inflation entgegenzuwirken. Sie hob dabei den Leitzins stärker an, als es erwartet wurde und der Franken wertete leicht auf. Der Leitzins stieg um 0.5 Prozentpunkte auf -0.25 Prozent. Diesem Zinsschritt dürften im Laufe des Jahres noch weitere folgen. Zudem hat die SNB kommuniziert, dass sie den Franken nicht mehr als «hoch bewertet» einstuft. Sie brachte neu auch die Möglichkeit von Devisenmarktinterventionen zur Stützung des Wertes des Franken ins Spiel. Wegen des im Augenblick ungewöhnlich hohen Inflationsunterschieds zum Ausland ist von einer nominal höheren Aufwertung des Frankens auszugehen (2 Prozent pro Jahr).
Beschäftigung wächst trotz Ukraine-Krise und gestiegenen Inflationsängsten
Der Schweizer Arbeitsmarkt ist in einer konjunkturellen Hochphase. Im ersten Quartal des laufenden Jahres gab es einen kräftigen Beschäftigungsaufbau. Die grössten Zuwächse verzeichneten die Industrie und das Gastgewerbe. Auch im laufenden Quartal geht die KOF davon aus, dass sich diese positive Entwicklung fortsetzen wird. Kurzfristig ist trotz Ukraine-Krise und gestiegenen Inflationsängsten nicht mit einem abrupten Ende des Beschäftigungsaufbaus zu rechnen.
Im Negativszenario droht auch in der Schweiz eine Rezession
Die internationalen Inflationsrisiken erzeugen eine grosse Prognoseunsicherheit. Die geldpolitischen Massnahmen, um die hohen Teuerungsraten in den Griff zu bekommen, können stark variieren und zu unterschiedlichen Konjunkturbildern führen. Vor diesem Hintergrund hat die KOF ein Negativszenario erstellt, das die Risiken zu hoher Inflation und eines entscheidenden Eingreifens seitens der Geldpolitik modelliert. Dieses Negativszenario nimmt an, dass sich die Inflation 2022 im Euroraum und den USA für die amerikanische Notenbank (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) in unakzeptable Höhen entwickelt und dass im kommenden Winter die Zentralbanken mit weiteren schnellen und starken Zinsanstiegen den hohen Inflationsraten entgegensteuern. Ab dem ersten Quartal 2023 stürzt daraufhin die Weltwirtschaft in eine Rezession, die für die USA drei Quartale und den Euroraum vier Quartale andauert. Als Folge davon schlittert in diesem Negativszenario auch die Schweiz in eine Rezession und einer längeren Stagnation, die bis zum Ende des Prognosezeitraums andauert. Weitere potenzielle Abwärtsrisiken sind eine Eskalation des Ukraine-Krieges und ein erneuter Ausbruch der COVID-19-Pandemie. (KOF/mc/pg)