Zürich – Die inländischen Touristen werden das Ausbleiben der ausländischen Gäste im Sommer nicht kompensieren können. Die Städte müssen in den Sommermonaten mit 50% weniger Logiernächten rechnen, der Alpenraum mit 20 bis 30%. Im gesamten Tourismusjahr 2020 dürfte die Zahl der Logiernächte im Vergleich zum Vorjahr um über 30% einbrechen.
Für die Hotellerie entsteht daraus ein Wertschöpfungsverlust von mehr als 900 Mio. Franken. Das Niveau des letzten Jahres dürfte erst nach 2021 wieder erreicht werden, wie die KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich am Donnerstag mitteilt.
Abruptes Ende der Wintersaison 2019/2020 – Logiernächte sinken deutlich
Der Start in die Wintersaison 2019/2020 verlief vielversprechend – bis die COVID-19-Pandemie den Tourismus zum Stillstand brachte. Kaum eine andere Branche ist von den Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie so stark betroffen. Im Verlauf des März verliessen praktisch alle ausländischen Gäste die Schweiz. Die Zahl der Logiernächte in Hotels fiel um 62% gegenüber dem Vorjahr, im April dürfte die Auslastung noch bei 10% gelegen haben. Für die gesamte Wintersaison 2019/2020 bedeutet dies einen Rückgang der Zahl der Logiernächte um 23% gegenüber der vorjährigen Saison.
Sommersaison 2020: Gewichte zwischen den Regionen verschieben sich
Zur Sommersaison hin wird der Tourismus nun langsam wieder hochgefahren. Wie in vielen anderen Ländern auch, wird der Fokus in der Schweiz auf dem Inlandstourismus liegen. Davon profitieren vor allem der Alpenraum und das Tessin. Hier dürfte die Zahl der Logiernächte von inländischen Gästen im Juli und August gegenüber dem Vorjahr um 10 bis 15% ansteigen. In den Städten wird die Nachfrage hingegen aufgrund des Veranstaltungsverbots und den Verhaltensänderungen der Menschen deutlich gebremst bleiben. Über die Sommermonate müssen sie mit einem Minus der inländischen Logiernächte von 20% gegenüber dem Vorjahr rechnen.
Die inländische Nachfrage wird den Ausfall der Auslandsnachfrage im Sommer bei Weitem nicht kompensieren können. Bei den europäischen Gästen wird wegen der geplanten, ersten Grenzöffnungen ab Mitte Juni zwar eine gewisse Erholung spürbar sein. Bei den Fernmärkten ist aber fast mit einem Totalausfall der Nachfrage zu rechnen. Weil Gäste aus den Fernmärkten überproportional oft in den Städten übernachten, führt dies zusätzlich zu einer Verschiebung der Gewichte zwischen den touristischen Regionen. In den Städten dürfte sich die Zahl der gesamten Logiernächte durch die Pandemie in den Sommermonaten um knapp 50% reduzieren, im Alpenraum um rund 20 bis 30%.
Tourismusjahr 2020: Verlust von 14.3 Millionen Logiernächten
Im gesamten Tourismusjahr 2020 sinkt die Zahl der Logiernächte im Vergleich zum Vorjahr prognostiziert um 31.4%. Während der Einbruch bei der inländischen Nachfrage vergleichsweise gering ausfällt (-14%), sind die Verluste im internationalen Geschäft massiv (-45%). Die Zahl der Logiernächte von Gästen aus den Fernmärkten sinkt dabei um bis zu 60%. Auch 2021 dürfte das Niveau von 2019 noch nicht wieder erreicht werden. Die inländische und europäische Nachfrage werden sich zwar stetig erholen. Die Nachfrage aus den Fernmärkten dürfte sich aber erst 2022 wieder normalisieren.
Insgesamt führt die COVID-19-Pandemie zu einem geschätzten Verlust von 14.3 Millionen Logiernächten im Tourismusjahr 2020 – dies im Vergleich zu einem Szenario ohne Pandemie mit einer anhaltend guten Nachfragesituation. Für die Hotellerie resultiert daraus hochgerechnet ein Wertschöpfungsverlust von 904 Mio. Franken. Der Umsatzverlust dürfte bei 1.8 Mrd. Franken liegen.
Die Preise in der Hotellerie werden – bis auf einige wenige Hotspots – im laufenden Jahr voraussichtlich sinken und sich 2021 wieder erholen. Im Gastgewerbe ist eher mit steigenden Preisen zu rechnen, um die geringe Auslastung und die durch Auflagen teilweise verminderte Kapazität zu kompensieren. Auch bei den Bergbahnen könnten die Preise deutlich steigen, falls die Zahl der Gäste drastisch reduziert werden muss.
Prognoserisiken
Mit dieser Prognose sind erhebliche Abwärtsrisiken verbunden. So könnte sich die Krise länger hinziehen als im Basisszenario unterstellt. Insbesondere die weitere Entwicklung des internationalen Tourismus ist derzeit schwierig abzuschätzen. Zu den weiteren Abwärtsrisiken gehört die Gefahr einer Welle von Staatsschuldenkrisen im Euroraum, da die Staatsfinanzen in vielen Ländern durch die tiefe Rezession unter Druck geraten. Eine beschleunigte Bekämpfung der Pandemie – etwa durch rasche Fortschritte bei der Entwicklung eines Impfstoffes – könnten allerdings auch zu einer besseren als der hier prognostizierten Entwicklung im Tourismus führen. (KOF/mc/ps)