KOF: Wie widerstandsfähig ist die Schweizer Volkswirtschaft?

KOF: Wie widerstandsfähig ist die Schweizer Volkswirtschaft?
(Unsplash)

Zürich – Seit Antritt der neuen US-Administration haben sich die geopolitischen Risiken und internationalen Handelskonflikte deutlich verschärft. Die KOF hat untersucht, was die Risiken und Folgen für die Schweizer Volkswirtschaft sind. Es zeigt sich: Handelskonflikte führen zu Rückgängen des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP), die von Bruchteilen bis über ein Prozent pro Jahr dauerhaft gehen können. Bei scharfen und lang andauernden Handelskonflikten könnte die Wirtschaft in eine Rezession geraten.

In ihrem KOF Working Paper «Resilience of Small Open Economies to Geopolitical Shocks: The Case of Switzerland» untersuchen die KOF-Ökonomen Hans Gersbach, Paul Maxence Maunoir und Kieran James Walsh in verschiedenen Szenarien die Risiken für die Schweizer Volkswirtschaft durch die Handelskonflikte und ihre Folgen. «Die Schweizer Volkswirtschaft ist resilient und verletzlich zugleich», resümiert Hans Gersbach, Co-Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, die Erkenntnisse aus der Untersuchung.

Zwar ist die Schweizer Volkswirtschaft relativ widerstandsfähig gegenüber den Auswirkungen geopolitischer Schocks, aber bei scharfen und längeren Handelskonflikten auch durchaus verwundbar. Dann sind dauerhafte Verluste in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) pro Jahr und dauerhaft möglich. Bei einigen Szenarien können zudem weitere Wirkungen (sogenannte «Second-Layer»-Effekte) diese Verluste vergrössern. Käme es zu harten Handelskonflikten zwischen den USA, Mexiko und Kanada sowie zwischen den USA und Europa, würde dies eine klare Rezessionsgefahr für verschiedene Länder, einschliesslich der Schweiz, bedeuten.

Zweistufiges Verfahren für die Analyse
Für die Untersuchung der Resilienz der Schweizer Volkswirtschaft verwendeten die Autoren ein zweistufiges Vorgehen. Die Auswirkungen von geopolitischen Verwerfungen auf den internationalen Handel mit Gütern und Dienstleistungen für die Schweiz und andere Länder werden mit dem neuen «KOF Handelsmodell» analysiert. Dieses Modell ist ein modernes quantitatives Gleichgewichtsmodell globaler Handelsnetzwerke. Es erfasst alle Auswirkungen der relativen Preis- und Nachfrageänderungen infolge der Zölle, wie die Unternehmen in ihrer Produktion von Gütern und Dienstleistungen darauf reagieren sowie alle Rückkopplungen auf alle Marktteilnehmenden dieser Veränderungen.

Allerdings werden eine Reihe von weitergehenden Auswirkungen wie eine sich verstärkende Abwärtsdynamik, strukturelle Änderungen der Investitionstätigkeit, weitergehende Wechselkursveränderungen oder direkte Lieferkettenunterbrüche nicht in das Modell einberechnet. Je nach Szenario können diese Second-Layer Effekte eine kleine, grössere oder grosse Bedeutung haben. Sie müssen dann für eine umfassende Einschätzung einbezogen werden.

In (fast) allen Szenarien erleidet die Wirtschaft Verluste
Die Schweizer Volkswirtschaft ist besonders verwundbar, wenn die US-Administration Zölle gegen Importe aus allen Ländern einführt, welche auch Schlüsselbranchen in der Schweiz betreffen. Diese Branchen wären zum Beispiel die Pharmaindustrie, der Maschinenbau und Präzisionsinstrumente. Träte dieses Szenario ein, würde die schweizerische Volkswirtschaft am meisten von allen Ländern auf dem europäischen Festland getroffen werden. Würde die Europäische Union (EU) auf allgemeine Importzölle der US-Administration mit umfassenden Gegenmassnahmen, auch gegen die Schweiz, reagieren, entstünden beträchtliche Verluste, die über ein Prozent des BIPs steigen können.

Allerdings würden in beiden Szenarien auch die Volkswirtschaften der USA und in wichtigen Ländern der EU gleich stark oder noch stärker leiden. Deswegen sind solche umfassenden Zollkriege sehr schwer für diese Länder länger durchzuhalten und deshalb nicht das wahrscheinliche Szenario. Sollten aufgrund der geopolitischen Auseinandersetzungen kritische Rohstoffe oder Computerchips nicht genügend verfügbar sein oder es zu einer rasch fortschreitenden handelspolitischen Entkopplung zwischen einer westlichen Sphäre, einschliesslich der Schweiz, und einer Sphäre mit China im Zentrum kommen, wären grössere Verwerfung zu erwarten. Bei einer solchen handelspolitischen Entkopplung käme es sogar zu einer Weltwirtschaftskrise.

Fazit
Die Ergebnisse bieten eine Grundlage für die Diskussion darüber, wie die wirtschaftliche Resilienz der Schweiz gestärkt werden kann und welche Rolle der Staat in diesem Prozess spielt. Zentrale politische Stellhebel sind Freihandelsabkommen zur Förderung von Diversifikation und Risikominderung, Rahmenbedingungen zur Versorgungssicherheit sowie der staatliche Beitrag zu einem widerstandsfähigen Innovationssystem. (KOF/mc)

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