Konfiszierung von Russen-Geldern wäre laut Bund verfassungswidrig
Bern – Die Konfiszierung privater russischer Vermögen würde gegen die Schweizer Verfassung und auch gegen internationale Verpflichtungen verstossen. Zu diesem Schluss kommt eine Arbeitsgruppe, die der Bundesrat nach Diskussionen über diese Finanzierungsquelle für den Wiederaufbau in der Ukraine eingesetzt hat.
Blockierte russische Gelder für den Wiederaufbau der vom Angriff zerstörten ukrainischen Städte und Dörfer zu verwenden, wird im In- und Ausland diskutiert. Russland habe mit dem Angriff internationales Recht verletzt und sei grundsätzlich verpflichtet, die entstandenen Schäden wiedergutzumachen, schrieb der Bundesrat nun.
Daher beauftragte der Bundesrat die Verwaltung, die Rechtsfragen im Zusammenhang mit Geldern zu prüfen, die die Schweiz zurzeit aufgrund der Sanktionen gegen Russland gesperrt hat. Nach jüngsten Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) sind es rund 7,5 Milliarden Franken und 15 Liegenschaften.
Die interne Expertengruppe kam nun zum Schluss, dass die Enteignung von Privateigentum rechtmässiger Herkunft ohne Entschädigung nach Schweizer Recht nicht zulässig sei, wie es in der Mitteilung des Bundesrates hiess.
Das Einziehen von eingefrorenen privaten Vermögenswerten widerspräche der Bundesverfassung und der geltenden Rechtsordnung, und es verletze internationale Verpflichtungen der Schweiz. Andere Staaten kannten ähnliche verfassungsmässige Rechte und Garantien.
Einziehung von Währungsreserven
Auf internationaler Ebene würden auch Möglichkeiten diskutiert, Währungsreserven der russischen Nationalbank sowie weiteres russisches Staatseigentum einzuziehen, schrieb der Bundesrat. Geprüft würden auch schärfere Strafnormen für sanktionierte Personen, die Sanktionen verletzten.
«Die Schweiz verfolgt die Überlegungen und beteiligt sich an den Diskussionen, um ihre Sichtweise einzubringen», schrieb der Bundesrat. Die Verwaltung werde die Regierung regelmässig über die internationalen Entwicklungen informieren. Der Bundesrat bekräftigte zudem die Absicht, die Ukraine auch weiterhin zu unterstützen.
Aussenminister Ignazio Cassis hatte die gesperrten Vermögenswerte im Januar in Interviews eine wichtige Finanzierungsquelle für den Wiederaufbau in der Ukraine genannt. Er räumte aber gleichzeitig ein, dass der Schweiz die rechtlichen Grundlagen fehlten dafür.
Schweizer unter Druck
Cassis sah die Schweiz damals unter Druck, auch mitzumachen, wenn die russischen Vermögen, die auf der Welt verteilt sind, für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden sollen. «Es gibt schon international Druck, dass sich alle Staaten daran beteiligen, also auch wir», sagte er.
Kritisiert wurde die Idee unter anderem in Bankenkreisen. Eine Einschränkung der Eigentumsgarantie und der Rechtssicherheit könnte der Anfang vom Ende des Schweizer Finanzplatzes sein, wurde befürchtet.
Und im Parlament erhielt die Forderung der SP nach einem Einzug der Vermögen von sanktionierten Personen aus Russland und Belarus im Juni 2022 mit 78 zu 103 Stimmen keine Mehrheit. SVP, FDP und die meisten Mitglieder der Mitte-Fraktion lehnten den Vorstoss ab. (awp/mc/ps)