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Zürich – Der Anstieg der Gesundheitsausgaben in der Schweiz wird sich im Vergleich zum langjährigen Schnitt (3,9 Prozent) in den kommenden Jahren abflachen – nach dem Wachstum der Vorjahre allerdings auf einem höheren Kostenniveau. Die KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich sagt in ihrer vom Internet-Vergleichsdienst comparis.ch finanziell unterstützten Herbstprognose für das laufende Jahr ein Plus von 2,1 Prozent voraus, für 2015 von 2,8 Prozent und für 2016 von 3,7 Prozent. Damit steigen die Gesundheitsausgaben von rund 71,3 Milliarden Franken in 2013 auf 77,6 Milliarden Franken in 2016.
«Vor allem Preissenkungen bei Medikamenten und die moderat steigenden Löhnen bremsen die Steigerung der Gesundheitsausgaben leicht ab» erläutert Prof. Marko Köthenbürger, Bereichsleiter Öffentliche Finanzen bei der KOF. Zuletzt belief sich das Kostenplus 2013 gemäss rückwirkender Prognose auf 4,9 Prozent; die offiziellen Zahlen des Bundsamtes für Statistik für 2013 werden erst im kommenden Jahr veröffentlicht. Hauptgrund für diesen überdurchschnitt-lichen Anstieg ist die 2012 eingeführte neue Spitalfinanzierung.
Wieder stärkeres Kostenwachstum ab 2016
Die vorhergesagte Abflachung des Kostenanstiegs liegt den Konjunkturforschern zufolge aber auch darin begründet, dass der Kostenanstieg in den Jahren 2012 und 2013 in Folge der Umstellung der Spitalfinanzierung auf Fallpauschalen vorübergehend aussergewöhnlich hoch war. Zu dem weniger starken Anstieg der Ausgaben führen darüber hinaus die Wiedereinführung des Zulassungsstopps für Ärzte sowie die im Juni 2013 in Kraft getretenen Preissenkungen bei Medikamenten. Letztere beziffert das Bundesamt für Gesundheit auf 720 Millionen Franken. Preissenkungen beeinflussen das Kostenwachstum nicht nachhaltig, weil neu zugelassene Medikamente in der Regel viel teurer sind. Ab 2016 wird sich das Ausgabenwachstum der Prognose zufolge wieder beschleunigen, weil keine kostendämpfenden Faktoren auszumachen sind.
Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte beim Internet-Vergleichsdienst comparis.ch, sagt dazu: «Primäre Kostentreiber sind die steigenden Mengen und nicht die Preise. Deshalb haben Preissenkungen jeweils nur eine kurzfristige Wirkung auf die Kosten und Krankenkassenprämien.»
Kostenfaktor Lohnentwicklung
Für das Ausgabenwachstum im Gesundheitssektor von wesentlicher Bedeutung ist die Lohnentwicklung. Zum einen, weil steigende Löhne im Gesundheitswesen bei konstanter Leistung höhere Kosten verursachen. Zum anderen, weil sich die Konsumenten bei steigenden Löhnen höhere Gesundheitsausgaben leisten können. Für 2014 erwartet die KOF ein Lohnwachstum von 0,8 Prozent, in den kommenden beiden Jahren von jeweils 0,6 Prozent.
Wirtschaftsfaktor Gesundheitssystem
In der vorliegenden Prognose bestätigt sich erneut die wirtschaftliche Bedeutung des Gesundheitswesens in der Schweiz. In Vollzeitstellen ausgedrückt stieg der Anteil der in dieser Branche Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung von 4,9 Prozent im Jahr 1992 auf 6,7 Prozent im Jahr 2013. Die KOF-Prognose geht davon aus, dass der Anteil der Gesundheitsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt bis 2016 auf 12,0 Prozent steigt. 2012, im Jahr mit den aktuellsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik, hatte dieser bei 10,9 Prozent gelegen. Felix Schneuwly weist darauf hin, dass Gesundheitsausgaben volkswirtschaftlich nicht nur positiv sind, weil Krankheiten die Produktivität einschränken und weil mangelnder Wettbewerb im Gesundheitswesen Effizienz und transparente Qualität verhindern. Ausserdem ist der BIP-Anteil stark vom übrigen Wirtschaftswachstum abhängig.
Überdurchschnittlicher Anstieg bei ambulanten Leistungen
Bei den Leistungen zeigt sich, dass sich vor allem der Kostenanstieg bei ambulanten Spitalbehandlungen überdurchschnittlich fortsetzen wird. Hier sagt die Prognose ein Plus von 3,5 Prozent in diesem Jahr voraus, anschliessend 6,4 Prozent im Jahr 2015 und 7,3 Prozent im Jahr 2016. Nach Leistungsbringern betrachtet zeigen sich in den kommenden Jahren überdurchschnittliche Kostensteigerungen bei sozialmedizinischen Institutionen wie Pflegeheimen, Krankenhäusern und Spitex-Diensten. Die Ausgaben für Pflegeheime werden gemäss Prognose im Jahr 2015 erstmals die 10-Milliarden-Franken-Marke durchbrechen.
Schneuwly weist darauf hin, dass die Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen volkswirtschaftlich grundsätzlich positiv sei. «Ambulante Behandlungen sind in der Regel günstiger, und Patienten fühlen sich zu Hause wohler als in Spitälern und Heimen», hält Schneuwly fest. Allerdings bestehe derzeit ein Fehlanreiz für Spitäler und Versicherer. Denn ambulante Leistungen würden im Gegensatz zu den stationären allein durch Steuern und durch Krankenkassenprämien ohne direkte Beiträge der öffentlichen Hand bezahlt. Darum plädiert Schneuwly dafür, das Krankenversicherungsgesetz dahingehend zu ändern, ambulante und stationäre Leistungen im gleichen Masse zu finanzieren. (comparis.ch/mc/pg)
Zur Studie
Die Prognose der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH zur Entwicklung der Schweizerischen Gesundheitsausgaben wird zweimal jährlich publiziert. Die Herbstprognose unterstützt der Internet-Vergleichsdienst comparis.ch durch einen Forschungsbeitrag, die Frühjahrsprognose die Firma Toppharm. Die Prognose war bereits in den Jahren 2005 bis 2011 erstellt worden.