Bern – Diverse Konjunkturforscher haben ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr bestätigt. Sowohl die Schweizerische Nationalbank (SNB) wie auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und die ETH-Konjunkturforschungsstelle KOF erwarten eine Steigerung des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) im Bereich von 1,0 bis 1,5%. Allerdings werden die Risiken wie etwa ein Brexit als hoch eingestuft.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) etwa rechnet wie bereits bei der letzten Prognose im März mit einem Wachstum des realen BIP zwischen 1,0 und 1,5% für 2016. Nach einer robusten Entwicklung im vierten Quartal 2015 hat sich das Wachstum im ersten Quartal zwar verlangsamt und nahm gemäss der ersten offiziellen Schätzung annualisiert um 0,4% zu. Die Verlangsamung sei aber nicht einer fundamentaleren Abschwächung zuzuschreiben und die verfügbaren Indikatoren deuteten auf eine weitere Erholung hin, teilte die SNB am Donnerstag mit. Die allmähliche Verbesserung des internationalen Umfelds komme der Schweiz zugute und die Belebung der Exporte dürfte sich entsprechend fortsetzen.
Entgegengesetzte Einflüsse
Die Konjunkturexperten des Bundes gehen weiterhin von einem realen BIP-Wachstum von 1,4% aus. Für das kommende Jahr wird dann eine Beschleunigung auf 1,8% erwartet, wie das Seco mitteilte. Die Schweizer Konjunktur stehe seit einigen Monaten unter verschiedenen teils entgegengesetzten Einflüssen. Auf der einen Seite zeichne sich in verschiedenen europäischen Ländern eine Erholung des Wachstums ab, was positive Auswirkungen auf den Aussenhandel habe.
Auf der anderen Seite verhindere die vor allem aufgrund des geringen Wachstums in den Schwellenländern abgeschwächte Dynamik des Welthandels, dass die Schweizer Handelsbilanz stärkere Wachstumsimpulse liefere. Auch in Bezug auf die verschiedenen Industriezweige liessen sich entgegengesetzte Tendenzen beobachten.
Weiterhin von einem Wachstum von 1,0% geht die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich aus. Aber auch sie erwartet für 2017 eine Beschleunigung: Es sollte dann ein reales BIP-Wachstum von 1,9% resultieren, ein Zehntel Prozentpunkt weniger als noch im Frühjahr vorausgesagt.
Zwar sei die europäische Konjunktur zum Jahresanfang etwas besser als prognostiziert, aber ohne dass sie sich in den bislang bekannten schweizerischen Produktionsdaten stark bemerkbar gemacht hätte. Im weiteren Prognosezeitrum hätten sich die Erwartungen für die wirtschaftliche Entwicklung in der EU etwas verschlechtert und die exportorientierten Wirtschaftszweige stünden nach wie vor unter Druck, die Produktionskosten mit den Weltmarktpreisen in Einklang zu bringen. Weiterhin konjunkturstützend wirke sich der private Konsum aus, heisst es bei der KOF.
Brexit als Risiko
In allen drei Konjunkturprognosen wird ein allfälliger Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU als Risiko eingestuft. So stellt ein Brexit gemäss KOF ein Abwärtsrisiko dar. Nach Einschätzung der Nationalbank könnte es im Zusammenhang mit der bevorstehenden Abstimmung in Grossbritannien vermehrt zu Unsicherheiten und Turbulenzen kommen.
Und für die Konjunkturexperten des Bundes hätte ein Brexit mit noch unklaren Modalitäten Auswirkungen sowohl auf verschiedene Wechselkurse und andere Finanzmarktvariablen, als auch auf die Unternehmensinvestitionen und möglicherweise auf den Welthandel.
Rascher Anstieg der Inflation
Überraschend schnell haben sich derweil seit der letzten Prognose die Inflationsperspektiven verändert. Wegen des deutlich gestiegenen Ölpreises erwartet die Nationalbank für die kommenden Quartale einen rascheren Anstieg. Die Inflationsprognose liegt für 2016 nun mit minus -0,4% um 0,4 Prozentpunkte höher als noch im März. Für 2017 erwartet die SNB eine Inflation von 0,3% gegenüber 0,1% in der Prognose des letzten Quartals.
Die Konjunkturexperten des Bundes erwarten im laufenden Jahr ebenfalls eine Inflation von -0,4%, dies nach -0,6% noch im März. Für 2017 prognostizieren sie eine Zunahme von 0,3% (+0,2%). Und auch die KOF-Ökonomen rechnen für 2016 mit einer Inflation von -0,4% (-0,7%) und für nächstes Jahr mit einem Anstieg um 0,2% (+0,1%).
Die Arbeitslosenquote wird laut KOF in diesem Jahr bei 3,5% und nächste Jahr bei 3,6% liegen. Die SNB rechnet in der zweiten Jahreshälfte mit einer Stabilisierung der Arbeitslosenquote. Die Experten des Bundes gehen von einer Quote von 3,6% in diesem und 3,5% im nächsten Jahr aus. (awp/mc/pg)