Bern – Grosse international tätige Unternehmen sollen ab Anfang 2024 auch in der Schweiz eine Mindeststeuer von 15 Prozent bezahlen müssen. Dafür braucht es eine Verfassungsänderung, über die Volk und Stände voraussichtlich am 18. Juni 2023 abstimmen werden.
Diesen zeitlichen Fahrplan hat der Bundesrat am Mittwoch festgelegt. Die neuen globalen Konzernsteuerregeln sollen nach den Plänen der OECD/G20 eigentlich bereits ab dem 1. Januar 2023 gelten. Laut Finanzminister Ueli Maurer dürfte die einjährige Verspätung zu keinerlei Problemen führen: «Wir haben uns abgesichert, dass es bei uns etwas länger geht», sagte er am Donnerstag vor den Medien in Bern.
Die internationale Mindeststeuer soll Steuerdumping vermeiden. Die von 137 Ländern erarbeiteten neuen Regeln sehen unter anderem eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für international tätige Unternehmen mit Umsätzen über 750 Millionen Euro vor. In der Schweiz dürften laut Maurer rund 2500 Unternehmen betroffen sein.
«Reiner Selbstnutzen»
Für die Steuerreform muss die Verfassung geändert werden. Dafür ist eine Volksabstimmung nötig. Diese soll am letztmöglichen Termin vor den Parlamentswahlen, am 18. Juni 2023, stattfinden. Sinngemäss soll in der Verfassung verankert werden, dass Bund und Kantone Unternehmen unterschiedlich hoch besteuern können, weil ja nur ein Teil der Firmen von der globalen Reform betroffen sein wird. Für rein national orientierte Unternehmen und für KMU soll sich nichts ändern.
«Die Verfassungsänderung müsste eigentlich mehrheitsfähig sein», sagte Maurer. Es gehe um nichts anderes als die Kompetenz, mehr Steuern einzuziehen. Die Schweiz habe ein ureigenes Interesse daran, bei der Reform mitzuziehen. «Wenn schon 15 Prozent erhoben werden müssen, dann wollen wir das in der Schweiz tun. Das ist ein reiner Selbstnutzen.» Denn: Hält ein Land an tieferen Steuern fest, können andere Länder die unterbesteuerten Unternehmen zusätzlich besteuern.
Zum Zeitpunkt der Abstimmung soll die Bevölkerung über die Umsetzungsmodalitäten im Bilde sein, auch über die finanziellen Auswirkungen für den Bund und die Kantone. Finanzminister Maurer betonte, dass die OECD in den kommenden Monaten weitere Details zur Umsetzung der Reform bekanntgeben werde. «Derzeit ist unklar, 15 Prozent von was genau besteuert werden soll.»
Mitmachen ist alternativlos
Derzeit geht der Bundesrat davon aus, dass rund zwanzig Kantone durch die Reform mehr Steuern einziehen werden. Dieses Geld sollen sie dann wiederum in den Werkplatz investieren für gute Rahmenbedingungen. Eine gewisse Umverteilung der Einnahmen zwischen den Kantonen soll über den Finanzausgleich geschehen.
Die Kantone unterstützen das Vorgehen und die Eckwerte des Bundesrats, wie zwei Vorstandsmitglieder der kantonalen Finanzdirektorenkonferenz (FDK) an der Seite von Maurer betonten. «Die Firmen brauchen rasche Rechtssicherheit, sonst könnten sie abwandern», sagte der Schwyzer Finanzdirektor Kaspar Michel (FDP). Wenn die Schweiz nicht handle, drohe ein Verlust von hochqualifizierten und gut bezahlten Arbeitsplätzen.
Wegen der Mindestbesteuerung werden einige Unternehmen deutlich mehr Steuern bezahlen müssen. In Einzelfällen dürften es laut Maurer bis zu hundert Millionen Franken pro Jahr sein. Umso wichtiger sei es, für die betroffenen Firmen attraktiv zu bleiben. Wie das genau geschehen soll, blieb am Donnerstag weitgehend unklar.
Diskussionen «ohne Zeitdruck»
Die Kantone seien in engem Austausch mit den Unternehmen, sagte die Genfer Finanzdirektorin Nathalie Fontanet (FDP). Die Unternehmen wünschten sich etwa, dass die Arbeitskosten – die in der Schweiz im internationalen Vergleich hoch sind – gesenkt würden. Denkbar wäre etwa, dass der Staat einen Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen übernehmen würde. Spruchreif ist aber noch nichts.
Klar ist dagegen, dass der Bundesrat die Reform vorerst auf dem Verordnungsweg einführen will. Das Bundesgesetz über die direkten Bundessteuern und das Steuerharmonisierungsgesetz sollen danach im ordentlichen Verfahren geändert werden und schliesslich die Verordnung ablösen.
Dem Bundesrat ist wichtig, dass die Anpassung des Schweizer Rechts «ohne Zeitdruck» sowie «mit Augenmass und mit Fokus auf einen attraktiven Wirtschaftsstandort» geschehe. Maurer warnte die generellen Skeptiker von Unternehmenssteuerreformen: «Wir sind manchmal etwas im Schlafwagen und merken nicht, wie die Konkurrenz aufholt.» (awp/mc/ps)