Stimmende versenken Kostenbremse-Initiative mit fast 63 Prozent
Bern – In der Bundesverfassung wird keine Kostenbremse im Gesundheitswesen verankert. Volk und Stände haben die Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei deutlich abgelehnt – mit 62,8 Prozent der Stimmen.
Gemäss den Endresultaten aus den Kantonen sagten 1’563’400 Stimmende Nein zur Vorlage. 927’300 befürworteten sie. Die Stimmbeteiligung lag bei 44,8 Prozent.
Der Blick auf die Abstimmungskarte zeigt einen Sprachgraben. Vier Westschweizer Kantone und das Tessin befürworteten die Kostenbremse-Initiative. In der Deutschschweiz lehnten alle Kantone das Volksbegehren ab – mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 60 Prozent und darüber. Der deutlichste Nein gab es in Appenzell Innerrhoden mit 73 Prozent. Der Kanton Jura am anderen Ende des Spektrums nahm die Initiative mit 61 Prozent an.
Das Nein zur Initiative kommt nicht überraschend. Die Zustimmungswerte waren in verschiedenen Umfragen zuletzt eingebrochen. Die Ausgangslage für die Befürworter war von Beginn weg schwierig: Die Mitte-Partei wurde nur vom Krankenkassenverband Santésuisse und von den Kleinparteien EVP und EDU unterstützt.
Initiative wollte Druck machen
Das Volksbegehren «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)» verlangte staatliche Massnahmen, wenn die Beiträge für Krankenkassenprämien in einem Jahr stärker gestiegen wären als die Löhne und das Bruttoinlandsprodukt. Welche Massnahmen hätten ergriffen werden müssen, liess der Initiativtext offen.
Mehrere Sparvorschläge im Gesundheitswesen seien längst bekannt, machte die Mitte-Partei geltend. Damit sich endlich etwas ändere und die Prämienexplosion gestoppt werde, brauche es jetzt den Druck einer Volksinitiative. Mit gezielten Massnahmen könnten bis zu sechs Milliarden Franken pro Jahr eingespart werden, und das ohne Qualitätsverlust.
Angst vor Zweiklassenmedizin
Bundesrat, Kantone und auch die meisten Akteure des Gesundheitswesen anerkennen die Wichtigkeit der Kostendämpfung im Gesundheitswesen, lehnten die Initiative aber ab. Die Kostenbremse-Initiative gefährde eine gute, zeitgemässe Versorgung für alle, machten die Gegnerinnen und Gegner geltend. Sie blende nämlich aus, dass ein Teil des Kostenwachstums gerechtfertigt sei und sich aus der Alterung der Bevölkerung sowie dem medizinischen Fortschritt ergebe.
Die Gegnerschaft warnte zudem vor einem Leistungsabbau bei einer Annahme der Initiative. Sie sprach von einer drohenden Zweiklassenmedizin. Zudem würden sich die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals verschlechtern.
Neue Kostenziele
Um kostendämpfende Massnahmen zu beschliessen, brauche es keinen neuen Verfassungsartikel, hielten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative fest. Der vom Parlament verabschiedete Gegenvorschlag, der nun in Kraft tritt, reiche.
Demnach legt der Bundesrat künftig in Absprache mit den Akteuren des Gesundheitswesens alle vier Jahre fest, wie stark die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung höchstens steigen dürfen. Die Akteure im Gesundheitswesen müssen zuvor begründen, weshalb und wie stark die Kosten pro Bereich steigen werden.
Die Kantone können zudem eigene Kosten- und Qualitätsziele festlegen, wobei sie die Vorgaben des Bundesrats berücksichtigen und die Versicherer, Versicherten und Leistungserbringer vorgängig anhören müssen. Eine Kommission für das Kosten- und Qualitätsmonitoring wird die Entwicklung der Kosten überwachen und zuhanden des Bundes und der Tarifpartner Empfehlungen zu geeigneten Kostendämpfungsmassnahmen abgeben.
Rezepte liegen auf dem Tisch
Die Liste der Ideen für die Dämpfung der Gesundheitskosten ist lang: Im Abstimmungskampf wiederholt erwähnt wurden ein funktionierendes elektronisches Patientendossier, eine nationale Spitalplanung und die Deckelung gewisser Tarife.
Auch bei den Arzneimittelpreisen und unnötigen Behandlungen bei Spezialisten und Spezialistinnen müsse angesetzt werden, hielten Befürworter wie Gegner der Kostenbremse-Initiative fest. Es müssten alle Akteure Verantwortung für die Kostenentwicklung übernehmen.
Mehrere Reformpakete waren in den vergangenen Jahren entweder gescheitert oder vom Parlament abgeschwächt worden. (awp/mc/pg)