KPMG: Globale Mindeststeuer setzt die Schweiz unter Druck
Zürich – Die globale Steuerlandschaft ist im Umbruch – mit Folgen für die Schweiz und die ansässigen Unternehmen. Zwar ist die Schweiz sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen ein attraktiver Standort. Mit Blick auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer für grosse Unternehmen muss sich die Schweiz aber beeilen, wenn sie keine Nachteile in Kauf nehmen möchte. Ausserdem gewinnen die Themen Umweltsteuern und Steuertransparenz an Bedeutung und können für manche Unternehmen zur Herausforderung werden.
Die ordentlichen Gewinnsteuersätze für Unternehmen in der Schweiz sind im Vorjahresvergleich leicht gesunken – von 14,9% auf 14,7%. Grund dafür sind insbesondere die Steuersenkungen in den Kantonen Wallis (-1,6 Prozentpunkte), Aargau (-1,1 Prozentpunkte, vorbehältlich Volksabstimmung vom 15. Mai 2022) und Jura (-1,0 Prozentpunkt). Die tiefsten ordentlichen Gewinnsteuersätze veranlagen nach wie vor die Zentralschweizer Kantone sowie die Kantone Glarus und Appenzell-Innerrhoden. So führt der Kanton Zug die Rangliste der Kantone mit einem Satz von 11,9% an, gefolgt von den Kantonen Nidwalden (12,0%) und Luzern (12,2%). Der Kanton Bern bildet mit einem Gewinnsteuersatz von 21,0% das Schlusslicht.
Im internationalen Vergleich besteuert die Schweiz die Unternehmen tief. Niedrigere Steuersätze als die Tiefsteuerkantone bieten lediglich die klassischen Offshore-Domizile, Guernsey, Katar sowie einige (süd-)osteuropäische Staaten. Irland bleibt der wichtigste Konkurrent der Schweiz in Europa.
Die kantonalen Gewinnsteuersätze für Unternehmen im Überblick
Fast die Hälfte der Kantone entlasten Spitzenverdiener
Auch die Schweizer Steuersätze für Spitzeneinkommen sind im Vorjahresvergleich leicht zurückgegangen – von 33,7 auf 33,5%. Grund dafür ist, dass zwölf Kantone den Steuersatz für Spitzeneinkommen leicht gesenkt haben. Die grössten Reduktionen haben dabei die Kantone Schwyz (-1,5 Prozentpunkte), Schaffhausen (-1,0 Prozentpunkte), Thurgau und Luzern (je rund -0,6 Prozentpunkte) vorgenommen.
Am tiefsten werden Spitzeneinkommen in den Kantonen Zug (22,2%), Appenzell Innerrhoden (23,8%) und Obwalden (24,3%) besteuert. Die höchsten Steuersätze wenden die Kantone Genf (44,8%), Basel-Landschaft (42,2%) und Waadt (41,5%) an.
Die Einkommenssteuersätze der Schweizer Kantone im Überblick
Umweltsteuern im Fokus
Staaten weltweit setzen auf sogenannte «grüne» Steuern zur Erhöhung der Steuereinnahmen und zur Durchsetzung des Verursacherprinzips im Umweltbereich. Das Spektrum reicht dabei von Energiesteuern und emissionsbezogenen Massnahmen über Verkehrssteuern bis hin zu Steuern auf Umweltverschmutzung, Ressourcenmanagement und Abfallentsorgung. Zwar bewegt sich der Anteil der Umweltsteuereinnahmen gemessen am BIP noch auf tiefem Niveau. Er liegt gemäss OECD-Statistik in den OECD-Mitgliedstaaten bei rund 1,5%, in der EU bei ca. 2,3% und in der Schweiz bei rund 1,4%.
«Mit dem zu erwartenden Inkrafttreten bedeutender umweltpolitischer Massnahmen im Bereich der Besteuerung von CO2-Emissionen und Plastik wird der Anteil der Umweltsteuern am Gesamtsteuereinkommen in Zukunft erheblich steigen», prognostiziert Anne Marie Anselmi, Steuerexpertin bei KPMG.
Anteil der Einnahmen aus Umweltsteuern gemessen am BIP
Obwohl die jüngsten Statistiken auf einen leichten Rückgang der Umweltsteuereinnahmen im Verhältnis zum BIP von 2019 auf 2020 hindeuten, widerspiegelt dieser Rückgang hauptsächlich Verzögerungen bei der Umsetzung der Umweltpolitik und der Anpassung an die Steuervorschriften während diesem Zeitraum. «Während die Länder in den letzten zwei Jahren vor allem mit der Bewältigung der Coronapandemie beschäftigt waren, müssen die Regierungen ihre Etats rasch auf die nächste sich anbahnende Krise ausrichten: den Klimawandel. Umweltsteuern sind eine Möglichkeit, die Steuereinnahmen zu erhöhen und gleichzeitig gezielte Anreize für eine nachhaltigere Wirtschaft zu setzen», so Anselmi.
Da Umweltsteuern in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich umgesetzt sind, ist der umweltpolitische Handlungsspielraum vor allem für international tätige Unternehmen oft unübersichtlich.
Nur 19% der Firmen in der Schweiz publizieren Steuertransparenzberichte
Gleichzeitig sind Unternehmen auch beim Thema Steuertransparenz zunehmend gefordert, denn diese entwickelt sich zu einer wichtigen Messgrösse zur Beurteilung des Governance-Konzepts von Unternehmen und ist eng mit anderen ESG-Kennzahlen verknüpft. Viele grosse Schweizer Unternehmen veröffentlichen heute Nachhaltigkeitsberichte, jedoch sind Steueraspekte in diesen Berichten nur selten detailliert abgedeckt.
Eine KPMG-Analyse der 150 grössten an der SIX Stock Exchange kotierten Unternehmen zeigt, dass gerade 19% der Firmen Steuertransparenzberichte publizieren. Dies wird sich künftig ändern. So werden zahlreiche Unternehmen voraussichtlich ab 2025 der Public-CbCR-Richtlinie der EU unterliegen. Diese verlangt neue Offenlegungspflichten für multinationale Unternehmen mit einer Niederlassung in einem EU-Land und einem Jahresumsatz ab EUR 750 Mio. Dies wird die Zahl der publizierten Steuertransparenzberichte deutlich erhöhen.
Globale Mindestbesteuerung: Schweiz muss sich beeilen
Dass sich die Schweiz den internationalen Steuerentwicklungen nicht entziehen kann, zeigt auch der Blick auf die bevorstehende Einführung einer globalen Mindeststeuer: 18 Kantone liegen mit ihren Steuersätzen unter dem von der OECD angepeilten Mindestgewinnsteuersatz von 15%. Heben diese Kantone bzw. die Schweiz ihre Gewinnsteuersätze für betroffene Unternehmen nicht auf diesen Schwellenwert an, könnte die Differenz im Ausland besteuert werden. «Dem Schweizer Fiskus würden gemäss Schätzungen des Bundes zumindest kurzfristig Steuereinnahmen von rund 1 bis 2.5 Milliarden Franken entgehen, auf die er angesichts der Pandemiefolgen und der anstehenden Herausforderungen nicht verzichten sollte», warnt Olivier Eichenberger, Steuerexperte bei KPMG.
Angesichts des ambitionierten Fahrplans der OECD und der G20-Staaten – erste Elemente der Mindestbesteuerung sollen bereits am 1. Januar 2023 in Kraft treten – ist die Schweiz mit ihrem Politsystem besonders stark gefordert. So hat der Bundesrat beschlossen, die Mindeststeuer mit einer Verfassungsänderung umzusetzen und mittels einer temporären Verordnung sicherzustellen, dass die Mindeststeuer per 1. Januar 2024 eingeführt werden kann. Das Schweizer Stimmvolk soll am 23. Juni 2023 darüber abstimmen.
Ungeachtet des Abstimmungsausgangs wird die globale Mindeststeuer weitreichende Bedeutung für den internationalen Standortwettbewerb haben. Sie schränkt die Möglichkeiten von Tiefsteuerländern ein, sich mittels kompetitiver Steuerregimes zu positionieren. «Länder wie die Schweiz sind stark gefordert, ihre anderen Standortfaktoren wie den Zugang zu Fachkräften oder flexible Arbeitsmarktbedingungen gezielt zu pflegen», so Stefan Kuhn, Leiter der Steuer- und Rechtsberatung von KPMG. (KPMG/mc)