Schindellegi – Ob Staus an den Häfen oder Personalmangel an den Flughäfen: Dem Logistikdienstleister Kühne+Nagel haben die globalen Lieferkettenprobleme im zweiten Quartal nicht geschadet. Der Konzern steigerte sich bei allen wichtigen Kennzahlen. An der Börse nutzen Anleger die Neuigkeiten für Gewinnmitnahmen.
Die Probleme in den globalen Lieferketten beschäftigen die Weltwirtschaft nun schon eine ganze Weile. Trotzdem dürften etwa die Staus in den Häfen noch eine ganze Weile anhalten. Die Lage bleibe angespannt, sagte Markus Blanka-Graff, der Finanzchef von Kühne+Nagel am Montag zu AWP.
Sein Unternehmen trackt die Lage in der Seefracht mit der firmeneigenen Plattform Sea Explorer. Diese liefert den Kunden Daten zur Optimierung ihrer Lieferketten. Derzeit liege der Sea Explorer Disruption Indicator, der die Wartezeiten in den Häfen misst, bei hohen 10,4 Mio. Container-Wartetagen.
Mehr Gewinn
Kühne+Nagel hat dies, was die Umsätze und die Profitabilität anbelangt, im zweiten Quartal 2022 jedoch nicht geschadet. Ganz im Gegenteil: Warenströme zu organisieren, ist im aktuell schwierigen Umfeld aufwändiger und damit für die Kunden teurer geworden. Denn der Konzern verfügt über eine grosse Preissetzungsmacht.
Konkret nahm der Rohertrag um 28 Prozent auf 2,96 Milliarden zu. Mit dieser Zahl wird ausgedrückt, wie viel Geld bei Kühne+Nagel bleibt, nachdem die oft schwankenden Frachttarife der Reeder und Fluggesellschaften beglichen wurden.
Unter dem Strich ging es gar noch stärker aufwärts. Der operative Gewinn (EBIT) stieg um knapp 78 Prozent auf 1,08 Milliarden und der Reingewinn um 79 Prozent auf 796 Millionen Franken. Die Erwartungen der Analysten wurden damit übertroffen.
Keine Entspannung in Sicht
Mit Blick nach vorne geht Finanzchef Blanka-Graff davon aus, dass sich am Umfeld in der Seefracht in nächster Zeit nichts ändern wird. Ähnlich sieht er es aber auch bei der Luftfracht, wo Kühne+Nagel inzwischen ebenfalls die Nummer eins der Welt ist. «Ihr Schicksal hängt direkt mit dem der Seefracht zusammen», führte der Manager aus.
Denn gebe es Probleme zur See, so würden die Kunden versuchen auf die Luft umzusteigen. Die Folge sei daher ein sehr grosser Auftragsbestand dieser Sparte. Und auch hier gebe es nach wie vor Probleme, primär wegen der mangelnden «Belly»-Kapazität. Rund 50 Prozent aller Fracht transportiert die Logistikbranche normalerweise nämlich in Passagierflugzeugen mittels sogenannter «Belly Freight» in deren Laderaum.
Starker Personalmangel
Doch leiden die Flughäfen und Airlines derzeit unter starkem Personalmangel. «Wenn Flüge gestrichen und die Koffer der Passagiere nicht ausgeladen werden, dann bleibt auch das Cargo liegen», führte Blanka-Graff aus. Daher werde man auch in den nächsten Monaten zusätzliche Frachter chartern müssen, um das Gros der Volumen zu bewältigen.
Lässt man den Blick etwas weiter in die Zukunft schweifen, so schwächen sich die globalen Wirtschaftsaussichten aufgrund hoher Inflation und steigender Zinsen jedoch ab. Und das dürfte man dann auch bei Kühne+Nagel spüren, heisst es in Analystenkreisen.
An der Börse kam es daher am Montag zu Gewinnmitnahmen. So verloren die Kühne+Nagel-Aktien bei Handelsschluss 2,5 Prozent auf 239,80 Franken. (awp/mc/ps)