Achtungserfolg für Befürworter der Konzernverantwortungsinitiative
Bern – Die Befürworter der Konzernverantwortungsinitiative haben eine knappe Mehrheit der Schweizer Stimmenden von ihrem Anliegen überzeugen können. Doch die Vorlage scheiterte deutlich am Ständemehr. Damit stehen beide Seiten in der Verantwortung.
Die Konzernverantwortungsinitiative ist erst das zweite Volksbegehren seit Bestehen des Bundesstaates, das vom Volk angenommen, aber von den Ständen abgelehnt wurde. Schliesslich sagten 50,7 Prozent des Stimmvolks Ja, aber nur 8,5 der erforderlichen 12 Stände.
Das knappe Ergebnis überrascht nicht. Abstimmungsumfragen sahen in den vergangenen Wochen und Monaten zwar jeweils die Befürworter im Vorteil, jedoch schrumpfte ihr Vorsprung zuletzt beträchtlich. Die jahrelange Kampagne der Initianten wirkte letztlich nur in der lateinischen Schweiz und in urbanen Gegenden der Deutschschweiz. In den übrigen Kantonen behielten die grossen Wirtschaftsverbände, die Mehrheit der bürgerlichen Parteien und der Bundesrat die Oberhand.
Keine neue Haftungsregeln
Die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt (Konzernverantwortungsinitiative)» wollte Firmen mit Sitz in der Schweiz einem zwingenden Regelwerk unterstellen, wenn es um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzstandards bei weltweiten Tätigkeiten geht. Wäre ein Unternehmen der neuen Sorgfaltsprüfungspflicht nicht nachgekommen, hätte es auch für allfällige Schäden gehaftet, die seine Tochterfirmen und kontrollierten Zulieferer im Ausland verursacht haben.
Nun tritt der indirekte Gegenvorschlag in Kraft, den Justizministerin Karin Keller-Sutter konzipiert und den das Parlament nach langem Hin und Her im Sommer schliesslich knapp verabschiedet hat. Das Gesetz beinhaltet Berichterstattungspflichten für gewisse Unternehmen. Geht es um Konfliktmineralien und Kinderarbeit, müssen die Unternehmen zusätzlich Sorgfaltsprüfungspflichten erfüllen. Verstösse werden mit Busse bestraft. Eine Ausweitung der Haftungsregeln ist nicht vorgesehen.
«Keine Zeit für Experimente»
Die Wirtschaftsverbände zeigten sich erleichtert. Der Gegenvorschlag entspreche den internationalen Standards und enthalte die wichtigen Themen, sagte Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder. Für den Gewerbeverband zeigt das Nein, dass «der Souverän in der jetzigen Zeit Experimente und Sonderregelungen ablehnt», wie er schreibt. «Gerade jetzt wäre die krisengeschüttelte Wirtschaft immens belastet worden», konstatiert auch der Arbeitgeberverband in seiner Mitteilung.
Gespalten waren die Parteien. Die Mehrheit der Bürgerlichen war erleichtert. In den Worten der FDP wurde ein «schädlicher Alleingang» verhindert. Die CVP schrieb, der Gegenvorschlag sei der effektivere Weg, um das Anliegen der Initiative umzusetzen. Die SVP nannte das knappe Resultat einen Weckruf für Wirtschaftsverbände und Mitteparteien, sich «endlich klar gegen Links-Grün und deren Umverteilungs-Sozialismus abzugrenzen».
«Schweiz riskiert guten Ruf»
Für die Initianten und ihre Unterstützer – über 130 Hilfswerke, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, kirchliche Organisationen und andere Vereinigungen – ist das Nein eine Enttäuschung. Die Schweiz riskiere damit einmal mehr, auf dem letzten Platz zu landen, wie schon beim Thema Geldwäscherei oder beim Bankgeheimnis, sagte der ehemalige Tessiner FDP-Ständerat Dick Marty, Co-Präsident des Initiativkomitees.
Mehr als ein Achtungserfolg ist aber die Tatsache, dass das linke Anliegen überdurchschnittlich grossen Rückhalt über die Parteigrenzen hinaus genoss. GLP, BDP und EVP und mit ihnen Mitglieder von CVP, FDP und SVP hatten die Initiative im bürgerlichen Pro-Komitee unterstützt. Der ungenügende Gegenvorschlag müsse bald weiterentwickelt werden, bilanzierte das Komitee.
Keller-Sutter glättet Wogen
In Erinnerung bleibt nach diesem Abstimmungssonntag auch der vergleichsweise intensive Abstimmungskampf von beiden Seiten. Sowohl Initianten und Gegner waren während der vergangenen Wochen und Monaten im Kampagnenmodus. Zu reden gaben vor allem ethisch-moralische Fragen.
Justizministerin Karin Keller-Sutter versuchte am Abend des Abstimmungssonntag, die Wogen zu glätten und würdigte die Arbeit der Initianten. Die Mehrheit der Stände habe sich zwar gegen den Weg der Initiative ausgesprochen, aber nicht gegen das Anliegen an sich, kommentierte sie vor den Medien in Bern.
Die Befürworter stünden nicht mit leeren Händen da. «Mit dem Gegenvorschlag wird für Unternehmen nun vieles verbindlich, was vorher freiwillig war.» Das Gesetz werde in Kraft treten, sofern in den nächsten hundert Tagen kein Referendum dagegen zustande komme. Sobald es so weit sei, werde die Schweiz bei der Bekämpfung der Kinderarbeit weiter gehen als die meisten Länder. (awp/mc/pg)