Amsterdam – Der Online-Reiseanbieter LM Group («Lastminute») profitiert nach Corona von dem wieder boomenden Reisegeschäft. Personalmangel und -streiks an den Flughäfen trüben zwar etwas die Aussichten. Von einer möglichen Beeinträchtigung des Geschäfts durch die Inhaftierung der wichtigsten Manager will die Gruppe derzeit nichts wissen.
«Die Untersuchungen des wegen möglichen Missbrauchs von Covid-19-Kurzarbeitsentschädigungen sind nicht gegen das Unternehmen selbst, sondern gegen einzelne Personen gerichtet», sagte Verwaltungsratspräsident Laurent Foata am Freitag in einer Telefonkonferenz zu den Semesterzahlen. In Untersuchungshaft befindet sich unter anderem der CEO und Firmengründer Fabio Cannavale.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin hatte die besagten Untersuchungen bei mehreren Schweizer Töchtern der Gruppe vor rund zwei Wochen eingeleitet. Dabei wurden Gelder von insgesamt 7 Millionen Franken eingefroren.
Geschäft nicht beeinträchtigt
Die Führungsriege bemühte denn auch vor allem den «Courant normal». Finanzchef Sergio Signoretti betonte, dass die Untersuchungen bisher keinen Einfluss auf den Geschäftsgang hatten. Es sei aber es noch zu früh, um eine Prognose zu den möglichen Auswirkungen des Rechtfalls abzugeben.
Einen gravierenden Einschnitt hatte der Fall bereits auf Personalebene: Cannavale wurde infolge der Untersuchungen als CEO der Gruppe abgesetzt. Ad interim steht nun Laura Amoretti dem Unternehmen vor, eine permanente Nachfolge wird gesucht.
Der Lastminute-Gründer kontrolliert direkt und indirekt 72,4 Prozent des Aktienkapitals. Was künftig mit seinem Aktienbesitz werden soll, konnte Signoretti nicht sagen: Darüber könne er derzeit nicht spekulieren.
Reiseboom, aber Chaos an Flughäfen
Die Ereignisse überschatten den guten Geschäftsgang. Der Umsatz lag im ersten Halbjahr gut drei Mal so hoch wie im Vorjahr und am Ende stand endlich wieder ein Gewinn zu Buche. Und von April bis Juni lag der Umsatz gar 8 Prozent über dem Niveau von 2019 und auch der Gewinn lag im zweiten Quartal wieder auf Vor-Krise-Niveau.
Interimschefin Amoretti sprach von einem Reiseboom: «Reisende holen nun nach, was sie wegen Corona verpasst haben.» Auch der Krieg in der Ukraine habe das Geschäft nicht bremsen können. Mit Blick auf den weiteren Sommer rechnet sie mit einer andauernden Erholung. Sorgen bereiten dem Online-Reiseanbieters aber die Probleme an europäischen Flughäfen.
CFO Signoretti verwies auf den Personalmangel und die Streiks, die zu gestrichenen Flügen und Verspätungen führten. Der Flughafen London Heathrow etwa führte etwa eine Obergrenze für abreisende Passagiere ein, nachdem Dutzende Flüge wegen Überlastung gestrichen werden mussten.
Situation bleibt unsicher
Signoretti rechnet er nun mit einem «lang anhaltenden» Sommergeschäft, das allerdings ohne die üblichen Höhepunkte im Juli und August auskommen müsse. Auf einen konkreten Ausblick verzichtet das Management angesichts dieser untypischen Situation aber.
Der erwünschte «Courant normal» bei Lastminute dürfte aber angesichts der laufenden Untersuchen mit ungewissem Ausgang nicht so schnell einsetzen. Die Ungewissheit widerspiegelt derzeit die Entwicklung an der Börse. Nach Bekanntwerden der Untersuchungen verlor die Lastminute-Aktie rund einen Drittel an Wert.
Die Titel schlossen am Freitag leicht tiefer auf 21,80 Franken (-0,2%). Seit Jahresbeginn notierten die Titel damit knapp 45 Prozent im Minus. (awp/mc/pg)