Bern – Kurz vor den Bundesratswahlen vom Mittwoch stellen sich die Kandidatinnen und der Kandidat der offiziellen Tickets am Dienstag ein letztes Mal den Fragen der Parlamentarier. Während die St. Galler FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter immer noch als Favoritin gilt, verspricht das Rennen um den CVP-Sitz noch Spannung.
Die christlichdemokratischen Kandidatinnen Viola Amherd und Heidi Z’graggen gaben den Zeitungen der CH-Media vom Samstag ein Doppelinterview und legten dabei Rechenschaft über Gemeinsamkeiten und Unterschiede ab. Letztere zeigten sich etwa in ihren Ansichten zur Zuwanderungspolitik.
Die Walliser Nationalrätin Amherd verneinte, dass es in der Schweiz zu viele Ausländer gebe: «Es braucht die ausländischen Fachkräfte. Ich war ja vor kurzem im Spital. Und da wurde ich von zahlreichen ausländischen Personen betreut.»
Z’graggen sagte den Zeitungen dagegen, dass die Schweiz die Zuwanderung in ihrem eigenen Land selber mit ökonomischen Modellen steuern können müsse. Die Kosten der Zuwanderung seien hoch – allerdings gebe es auch willkommene Investoren aus dem Ausland.
Eine weitere grosse Herausforderung für die Schweiz ist laut Amherd die Sicherung der Sozialwerke, die sie als wichtig für die Gesamtbevölkerung erachtet. Für Z’graggen steht die Energiepolitik im Vordergrund.
Amherd im Vorteil
Die SVP hatte nach den Anhörungen vergangene Woche bekannt gegeben, bei der Ersatzwahl für Doris Leuthard mehrheitlich Z’graggen zu unterstützen. Die Grünen und die Grünliberalen wollen kommende Woche entscheiden. Weitere Hearings stehen bei der SP, der FDP, der CVP und der BDP an. Der Wahlausgang beim CVP-Zweierticket ist demnach noch offen.
«Die bisherige Geschichte der Bundesratswahlen gibt Amherd, der Vizefraktionspräsidentin, einen Insider-Vorteil», schrieb der Historiker Urs Altermatt in einem Gastbeitrag im «SonntagsBlick».
Die freisinnige Karin Keller-Sutter hingegen müsse «kaum mit einer ‹Nacht der langen Messer› rechnen», so der Verfasser des «Bundesratslexikons». Die Ostschweizerin kann etwa auf die Unterstützung der SVP zählen. Schon länger wird ihr auch in den Medien eine Favoritenrolle zugeschrieben.
«Alibikandidat» Wicki
Der zweite Anwärter auf den FDP-Sitz, der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki, sagte in einem Interview mit mehreren Westschweizer Zeitungen vom Samstag, dass er sich in einer schwierigen Ausgangslage befinde. «Die Frauenfrage ist zweifellos zentral», sagte der Innerschweizer, ohne seiner Parteikollegin Qualitäten absprechen zu wollen. Er rief zudem in Erinnerung, dass auch die Vertretung der Regionen ein wichtiger Faktor bei der Bundesratswahl sei.
Deutlicher formulierte es Historiker Altermatt im «SonntagsBlick»: Dem Mann auf dem FDP-Ticket für die Nachfolge von Bundesrat Johann Schneider-Ammann komme «die Rolle des Alibikandidaten» zu. «Die Wahl von mindestens einer zweiten Bundesrätin ist durch den Zeitgeist zur politischen Pflicht geworden.» Die FDP sehe sich stärker mit dieser Forderung konfrontiert, da sie seit der Demission von Elisabeth Kopp 1989 keine Bundesrätin mehr gestellt habe. (awp/mc/ps)