Leuthard: EU-Entscheid zu Börsenregulierung ist eine «klare Diskriminierung»

Bundesrätin Doris Leuthard, Vorsteherin UVEK. (Foto: UVEK)

Bern – Der Bundesrat hat die von der EU-Kommission am Donnerstag gutgeheissene Befristung der Gleichwertigkeit der Schweizer Börse scharf kritisiert. Nun will er bei der bereits versprochenen Kohäsionsmilliarde über die Bücher gehen.

«Wir betrachten die befristete Anerkennung als klare Diskriminierung der Schweiz», sagte Bundespräsidentin Doris Leuthard vor den Medien in Bern. Die Schweiz erfülle die Bedingungen für die Anerkennung der Börsenäquivalenz genauso wie die anderen Drittstaaten, die eine unbefristete Anerkennung bekommen hätten. Hierbei handelt es sich um Australien, Hongkong und die USA.

Diese Gleichwertigkeitsanerkennung durch die EU ist für die Schweizer Börse äusserst wichtig, um nach dem 3. Januar 2018 weiterhin europaweit Handel betreiben zu können. Dann nämlich treten neue EU-Regelungen (MiFID/MiFIR) in Kraft. Drittstaaten wie die Schweiz haben aber keinen Rechtsanspruch auf Äquivalenz.

Aus EU-Sicht gibt es mehrere Gründe für die unterschiedliche Behandlung. «Der signifikante Unterschied ist, dass die Schweiz Zugang zum EU-Binnenmarkt hat», hatte EU-Vizekommissar Valdis Dombrovskis bereits am Mittwoch gesagt.

Laut Communiqué vom Donnerstag ist der Aktienhandel zwischen der Schweiz und der EU zudem intensiver als bei den anderen Ländern und hat damit einen «grösseren und unmittelbareren Einfluss» auf die Integrität des EU-Finanzmarktes.

Stolperstein Rahmenabkommen
Hauptgrund für die Ein-Jahres-Frist dürfte aber die «aktuell nicht genügend substanziellen Fortschritte beim gemeinsamen institutionellen Rahmenabkommen» sein, wie Dombrovskis sagte. Die Anerkennung der Gleichwertigkeit könne aber «im Falle von genügend Fortschritten» verlängert werden.

Dies entspreche den Schlussfolgerungen von 2014 und jenen von Februar 2017 der EU-Staaten, in denen sie «jeglichen künftigen Zugang zum EU-Binnenmarkt» von einem Rahmenabkommen zur Bedingung gemacht hätten.

Die Frist sei zudem im Einklang mit der Absicht der Schweizer Regierung, das Abkommen bis Ende 2018 unter Dach und Fach zu bringen, sagte Dombrovskis weiter.

Bundespräsidentin Leuthard bezeichnete diese Verknüpfung als «sachfremd und inakzeptabel». «Aus Sicht des Bundesrates gibt es Zweifel an der Rechtmässigkeit dieses Entscheides.» Man habe zudem den Eindruck, dass der Entscheid der EU zum Ziel habe, den Finanzplatz Schweiz zu schwächen.

Schweizer Kakophonie irritiert EU
Bern war bis vor kurzem davon ausgegangen, dass die Schweizer Börse diese Gleichwertigkeitsanerkennung der EU zeitlich unbeschränkt erhalten wird. In einem ersten Vorschlag der EU-Kommission im November, der von allen EU-Staaten abgesegnet worden ist, war dies auch der Fall.

Doch dürfte die Kakophonie in der Schweiz, vor allem nach dem Besuch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Ende November in Bern, die EU irritiert haben, wie aus einem Gespräch mit einem hohen EU-Beamten deutlich wurde. Beispielsweise wurden Forderungen laut, die Kohäsionsmilliarde an die Äquivalenz oder an die Aufhebung der Guillotine-Klausel zu knüpfen.

Auch das Verhalten Berns beim Rahmenabkommen hat allem Anschein nach Irritation in Brüssel ausgelöst. Eigentlich hatte sich der Bundesrat zum Ziel gesetzt, die Verhandlungen zum Rahmenabkommen bis Ende 2017 abzuschliessen. Doch Mitglieder des Bundesrates machten später deutlich, dass man aber keine Eile habe.

Nach dem Treffen mit Bundespräsidentin Leuthard sagte Juncker vor den Medien, Brüssel und Bern visierten nun den Frühling 2018 an. Kurz darauf sprach der Bundesrat jedoch von Ende 2018.

Thema am Rande des EU-Gipfels
Deshalb sei am Rande des letzten EU-Gipfels die Schweiz Thema gewesen, und man habe einen «Tempowechsel» beschlossen, sagte der EU-Beamte.

Als Folge davon zog die EU-Kommission ihren ersten Vorschlag zur Äquivalenz zurück und lancierte einen neuen – mit einer Verknüpfung mit dem Rahmenabkommen und einer Ein-Jahres-Frist. Dies sei zwar ungewöhnlich, gab der EU-Beamte zu, doch bei «aussergewöhnlichen Umständen» durchaus möglich.

Der Entscheid der EU könnte nun auch Auswirkungen auf die vom Bundesrat bereits zugesagte Kohäsionsmilliarde zu Gunsten ärmerer EU-Staaten haben. Bern behalte sich vor, die Arbeiten an der Vernehmlassungsvorlage angesichts dieser Entwicklung «neu zu beurteilen», sagte Leuthard. (awp/mc/ps)

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