Energieministerin Doris Leuthard.
Bern – Bundesrätin Doris Leuthard hat am Montag als Reaktion auf die Störfälle in Japan die Rahmenbewilligungs-Gesuche für drei neue AKW in der Schweiz auf Eis gelegt. Abklärungen sollen zeigen, ob Bedarf an schärferen Sicherheitsvorschriften besteht.
Die Erdbebensicherheit und die Reaktorkühlung sollen bei diesen Abklärungen im Vordergrund stehen, erklärte die Vorsteherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vor den Medien in Bern. Neben der Sistierung der Gesuche ordnete Leuthard die vorzeitige Sicherheitsprüfung bei allen bestehenden AKW an. Im AKW Mühleberg BE läuft diese Untersuchung bereits. Die Prüfungen nimmt das Eidgenössische Nuklear-Sicherheits-Inspektorat (ENSI) vor. Derzeit drohe der Schweiz keine Gefahr aus Japan, sagte Leuthard. Das ENSI werde die Bevölkerung täglich mit einem Lagebericht informieren, reagierte die Bundesrätin auf Kritik an der Informationspolitik der Behörden.
Genaue Analyse angeordnet
Atomkraftwerke sind in der Schweiz gemäss Leuthard so angelegt, dass sie einem Erdbeben der Stärke 7 widerstehen können. Das bisher katastrophalste Beben in der Schweiz – jenes von Basel 1356 – wurde nachträglich auf 6,5 bis 7 geschätzt. Ein solches Beben gilt für die Schweiz als Jahrtausendereignis. Leuthard betraute das ENSI mit einer genauen Analyse des Unglücks in Japan. Die Experten des Bundes sollen dabei mit Fachleuten der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), der OECD und der EU zusammenarbeiten. Für die Arbeiten setzte Leuthard keine Frist. So ist unklar, wann der Bundesrat über die Rahmenbewilligungen entscheidet. Ursprünglich war Mitte 2012 geplant. Liege die Analyse vor, werde sich weisen, ob die Schweiz schärfere Sicherheitsbestimmungen erlassen müsse, erklärte Leuthard. Die Erkenntnisse würden in die Beurteilung bestehender oder geplanter AKW einfliessen.
Erschüttertes Vertrauen
Das Vertrauen in die Nukleartechnologie in der Schweiz sei durch die Ereignisse in Japan sicher angeschlagen, räumte Leuthard ein, die aus ihrer Unterstützung der Atomkraft nie ein Hehl gemacht hat. Die Schweiz benötige indessen Grosskraftwerke, wolle sie nicht in eine Stromlücke fallen. Die Sicherheit gehe aber in jedem Fall vor, die Sistierung sei angesichts der Lage vernünftig. Bei der Verlängerung der Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg BE, ein Siedewasserreaktor wie jene in Fukushima, liegt der Ball derzeit bei der Justiz. Bundesrätin Leuthard erklärte, die Bewilligung sei angefochten und damit nicht Gegenstand der Debatte. Sollte die laufende Überprüfung Sicherheitsmängel ergeben, würde der Betrieb eingestellt. Die drei Rahmenbewilligungsgesuche waren im Jahr 2008 eingereicht worden. Um eine Bewilligung bewerben sich der Stromkonzern Alpiq am Standort Gösgen sowie die Konzerne Axpo und BKW für Beznau und Mühleberg. Das ENSI beurteilte alle Standorte als sicher.
Atomkritiker zufrieden – Bürgerliche nicht
Die Gesuchsteller zeigten sich mit der Sistierung einverstanden. Die Bernischen Kraftwerke AG (BKW) unterstützen die zusätzliche Sicherheitsprüfung und werten alle Informationen aus. Für das AKW Mühleberg drängten sich aktuell keine Sofortmassnahmen auf. Der Stromkonzern Axpo teilte mit, solange die genauen Fakten über die nuklearen Unfälle in Japan nicht bekannt seien, könne der Prozess der Rahmenbewilligungsgesuche nicht fortgesetzt werden. Die Konferenz der kantonalen Energiedirektoren begrüsste die Sistierung der Rahmenbewilligungsgesuche ebenfalls. Das erlaube den Kantonen, aufgrund gesicherter Kenntnisse Stellung zu nehmen. Gleich argumentierte der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen.
Allianz «Nein zu neuen AKW» verlangt Ausstieg
Die Parteien reagierten unterschiedlich auf den Entscheid Leuthards. Für die FDP ist der Schritt voreilig, eine vertiefte Analyse wäre angebracht gewesen. Die SVP schrieb, es sei selbstverständlich, dass Erkenntnisse aus den Ereignissen in Japan in bestehende AKW-Projekte einflössen. Die Planung neuer AKW zu verschleppen, gehe aber nicht an. SP und Grüne nahmen den Entscheid mit Zufriedenheit zur Kenntnis. Die Allianz «Nein zu neuen AKW» verlangte nach der Sistierung den zweiten Schritt, den Ausstieg aus der Atomenergie. (awp/mc/upd/ps)
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