Doris Leuthard, Vorsteherin UVEK. (Foto: admin.ch)
Bern – Bundesrätin Doris Leuthard rechnet nicht mit einem baldigen Stromabkommen mit der EU. «Ich gehe nicht davon aus, dass wir hier 2016 einen Vertrag unterschreiben können», sagte die Vorsteherin des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) am 10. Schweizerischen Stromkongresses am Montag in Bern. Damit sei auch der Zeitpunkt der vollständigen Marktöffnung in der Schweiz wieder offen. Ursprünglich war diese für Anfang 2018 anvisiert.
Solange die institutionellen Fragen nicht geklärt sind, werde sich die EU nicht auf ein Abkommen einlassen, so Leuthard. Dabei spielten Themen wie die Überwachung eine Rolle oder welches Gremium bei Streitfragen als Gericht fungieren könnte. Seit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative in der Schweiz sind die Verhandlungen mit der EU ins Stocken geraten.
Rechtsunsicherheit schlecht für Investoren, Unternehmen und Kunden
Im laufenden Jahr rechnet Leuthard nicht mit grossen Bewegungen bei den Verhandlungen. Kurz- und mittelfristig hätte dies ihr zufolge auch keine drastischen Konsequenzen. Mittel- und langfristig wäre die Rechtsunsicherheit allerdings «schlecht» für Investoren, Unternehmen und Kunden. Seit Februar 2015 gebe es die Marktkopplung (der gleichzeitige Handel der Energielieferung und Netzkapazität an den Grenzen) in über 19 Ländern, und sie funktioniere, so die Energieministerin.
Kosten in dreistelliger Millionenhöhe bei Nicht-Ankopplung der Schweiz
Der europäische Strom-Binnenmarkt mit gleichen Regeln führe zu mehr Effizienz und wirtschaftlichen Vorteilen. Und auch für die Schweiz ist ein Europa ohne Binnenmarkt kaum mehr vorstellbar, sagte die Bundesrätin. Die Mehrheit der grossen Schweizer Energieunternehmen seien bereits integriert und deckten sich am europäischen Strommarkt ein. Aber sie würden mit Drittstaaten-Status behandelt, und die Nachteile würden schleichend kommen. Schleppend werde die Nicht-Ankopplung der Schweiz «schnell dreistellige Millionenbeträge» kosten. «Da müssen wir uns keine Illusionen machen.» Leuthard hatte im Sommer 2015 noch vergeblich versucht in Brüssel, ein provisorisches Abkommen als Grundlage für eine Marktkopplung zu erreichen.
Eine Bedingung für das Stromabkommen ist der zweite Liberalisierungsschritt. Es sei ein Akt der Vernunft, diesen nicht ohne politische Notwendigkeit in die Wege leiten zu lassen, so Leuthard am Montag weiter. Das Stromabkommen sei Taktgeber für die hiesige Marktöffnung. Mit den Verzögerungen beim Stromabkommen könnte sich diese nun durchaus auf 2019 verschieben, sagte sie am Rande des Kongresses zu AWP. Die Vernehmlassung zum zweiten Schritt der Liberalisierung (freier Markt auch für Privathaushalte in der Schweiz) sei bereits durch; man könnte also theoretisch durchaus relativ schnell umsetzen. Allerdings bräuchten die Unternehmen ein bis zwei Jahre zur Vorbereitung. (awp/mc/pg)