Zürich – Auch in den bitteren Pandemiezeiten hält Lindt & Sprüngli an süssen Träumen fest. Der Traditionskonzern hat am Donnerstag in Kilchberg das grösste Schokolademuseum der Schweiz eingeweiht, das am Sonntag eröffnet wird.
Das «Lindt Home of Chocolate» sei ein Meilenstein für die Schweiz, die seit eh und je ein Land der Schokoladepioniere sei, sagte Lindt & Sprüngli-Verwaltungsratspräsident und Präsident der Lindt-Schokoladenkompetenz-Stiftung Ernst Tanner am Donnerstag vor den Medien. Der 20 Meter hohe Bau von der Fläche eines Fussballfelds sei in nur 36 Monaten errichtet worden.
Tanner war sichtlich stolz, das imposante Gebäude den Medien und geladenen Gästen an der Voreröffnung präsentieren zu können. Anwesend waren auch Tennisstar und Lindt-Botschafter Roger Federer und Bundesrat Ueli Maurer.
Das ganze Projekt habe sieben Jahre gedauert. Der Hang hinter dem Gebäude an den SBB-Gleisen musste mit 250 Tonnen Stahl gestützt werden. Die Baugrube war 13 Meter tief. Trotz der Dimensionen sei der Bau insgesamt reibungslos verlaufen, sagte Tanner. Im November 2019 war das Gebäude fertig und der Innenausbau konnte beginnen.
Der Eröffnungstermin war auf den 7. Mai geplant. Doch dann kam die Coronapandemie, was zu einer monatelangen Verzögerung führte.
Riesiger Schokobrunnen
Das Highlight des Museums ist der über 9 Meter hohe Schokoladebrunnen im Eingangsbereich, in dem 1,4 Tonnen Schokolade fliessen. Das sei der höchste freistehende Schokoladebrunnen der Welt, sagte Tanner im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Man habe lange gesucht, bis man eine Firma gefunden habe, die so einen grossen Brunnen habe herstellen können.
Die Betonung liegt allerdings auf «freistehend». Denn in Österreich steht in Allhaming ein noch ein höherer Brunnen, der aber nicht frei steht. Dort ergiessen sich aus über 12 Metern Höhe 1,5 Tonnen Schokolade in Kaskaden herab.
Der Schokoladebrunnen in Kilchberg sei eine Hommage an die Lindor-Kugel, sagte Tanner. Unter einem Goldkonfettiregen wie bei Champions League-Siegesfeiern fiel der riesige Vorhang aus Goldfäden, der den Brunnen verhüllte.
Schweizer Schokoladenpioniere
Die Schokolade-Erlebnistour beginnt in einem Raum, der die Besucher mit Kakaobäumen und Urwaldgeräuschen in den Regenwald von Ghana führt. Hier erfahren sie, wie der Kakao für die Lindt-Schokolade angepflanzt und gewonnen wird.
Die nächsten Räume informieren über die Geschichte der Schokolade, die 5’000 Jahre alt ist und in Südamerika begann. Dort wurde Kakao allerdings nur als Getränk konsumiert. Mit der Eroberung Lateinamerikas durch die Spanier kam der Kakao nach Europa, wo er zu einem Modegetränk für den Adel wurde.
Zum Gaumengenuss wurde der Kakao erst durch den Erfindergeist der Schweizer Schokoladepioniere ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, wie Ernst Tanner sagte. Der Themenwelt der Schokoladepioniere zeigt die Erfindungen von François-Louis Cailler, Daniel Peter, Philippe Suchard und Theodor Tobler. So kreierte Peter die Milchschokolade.
Der Berner Rodolphe Lindt erfand 1879 die zartschmelzende Schokolade. Die Maschine für die Veredelung nannte er wegen der Form «Conche», was vom griechischen Wort für Muschel abgeleitet ist. Das Verfahren des Conchierens verkaufte Rodolphe Lindt 1899 an den Zürcher Johanne Rudolf Sprüngli, der die Schokoladenfabrik in Kilchberg gründete.
Erlebnistour für Geist und Sinne
Das Museum bietet aber nicht nur Nahrung für den Geist, sondern auch für die Sinne. Es zeigt die Produktion der Schokolade von der Bohne über die Kakaomasse über die Schokolademasse bis zur fertigen Tafel. Zudem können die Besucher allerlei Schokolade probieren. Das Museum enthält auch eine Chocolateria für Schokoladenkurse, ein Lindt-Café und den grössten Schokoladenshop der Schweiz.
Auch eine Testanlage für die Produktion von Schokolade wurde installiert. Hier können neue Produktkreationen ausprobiert werden. Man wolle künftig mehr Innovationen auf den Markt bringen, sagte Tanner. Wenn man die Tüfteleien auf den grossen Anlagen in der Fabrik machen würde, gäbe es einen Produktionsunterbruch von zwei Tagen.
Die Testanlage stehe auch Startups offen, sagte Tanner. Sie diene zudem der Weiterbildung in der Branche. Damit wolle man den Spitzenplatz der Schweiz in der Schokoladenindustrie stärken.
«Sie können sein, wo sie wollen auf der Welt. Man weiss dass die Schweiz die beste Schokolade hat», sagte Bundesrat Ueli Maurer in seiner Rede. «Diese ist die einzige Medizin, die ich regelmässig nehme. Ich bin der Meinung, dass Schweizer Schokolade von den Krankenkassen übernommen werden sollte», sagte der Finanzminister lachend. Er esse eindeutig mehr als die durchschnittlichen 10,4 Kilogramm, die in der Schweiz jährlich pro Kopf verzehrt werden.
Über 100 Millionen investiert
Das Museum war nicht billig: Mehr als 100 Millionen Franken wurden investiert. 350’000 Besucher erwartet Tanner pro Jahr. Das Museum müsse keinen Profit abwerfen, weshalb man die Eintrittspreise relativ tief gehalten habe. «Wir rechnen mit der Gewinnschwelle.»
Angesichts der Grösse des Projekts sprechen Spötter schon davon, dass sich Tanner, der seit 27 Jahren an der Spitze des Konzerns steht, ein Denkmal setzen wollte. Dies wies Tanner zurück: «Ich brauche kein Denkmal. Wenn ich ein Denkmal habe, ist es die Performance von Lindt & Sprüngli in den letzten 27 Jahren», sagte er der AWP. (awp/mc/pg)