Bern – Der Höhepunkt der aktuellen Corona-Welle dürfte noch nicht erreicht sein. Die kontinuierlich sinkende Auslastung der Intensivstationen lässt aber aus Expertensicht eine Lockerung der Corona-Massnahmen zu. Sie mahnen aber zu Vorsicht und begrüssen eine schrittweise Aufhebung von Massnahmen.
Die Intensivstationen dürften von der Omikron-Welle weiterhin verschont bleiben, erklärte Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit im Bundesamt für Gesundheit (BAG), am Dienstag vor den Medien in Bern. Deshalb dürfe man zuversichtlich nach vorne schauen.
Trotzdem sei aber noch eine «gewisse Vorsicht» angebracht. «Die Omikron-Welle ist stark und wuchtig. Zu einem Tsunami, der uns überrollt hätte, ist es aber glücklicherweise nicht gekommen», sagte Mathys. Es sei in naher Zukunft aber nicht mit einem raschen und stetigen Abfall der Fallzahlen zu rechnen.
Hohe Dunkelziffer
In der Schweiz und in Liechtenstein sind dem BAG am Dienstag innerhalb von 24 Stunden 32’741 neue Coronavirus-Ansteckungen gemeldet worden. Gleichzeitig registrierte das BAG 24 neue Todesfälle und 167 Spitaleinweisungen. Am gleichen Tag vor einer Woche hatte das BAG noch Meldungen über 36’658 bestätigte Neuinfektionen, 121 Spitaleintritte und zwölf Todesfälle erhalten.
Die hohe Anzahl der gemeldeten Tests und der hohe Anteil der positiven Resultate weisen laut BAG auf eine hohe Dunkelziffer hin. Deshalb widerspiegelten die Fallzahlen das Infektionsgeschehen nur eingeschränkt.
Aktuell befinden sich in den Spitälern 224 Personen in Intensivpflege. Die Auslastung der Intensivstationen beträgt 74,1 Prozent und 23,8 Prozent der verfügbaren Betten werden von Covid-19-Patienten belegt.
Gesundheitssystem ist gewappnet
Bei einem allfälligen Abbau der Corona-Massnahmen könnten die Fallzahlen laut Mathys zwar noch einmal zunehmen, die allermeisten Fälle dürften aber mild ausfallen. Es werde wohl «keinen zusätzlichen Druck auf die Infrastruktur und das Personal» im Gesundheitswesen geben.
Zuversichtlich ist auch der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Auslastung der Spitäler überschaubar bleibe. Regional gebe es zwar starke Belastungen, so der Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte (VKS), vor den Medien. Aber aufgeschobene Eingriffe könnten inzwischen wieder nachgeholt werden.
Corona-Schutzmassnahmen sollten nach Ansicht von Mathys schrittweise abgebaut werden. Bei einem Abbau von Massnahmen und nochmals steigenden Infektionszahlen werde dies wohl weniger Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, als vor allem auf die Gesellschaft und die Wirtschaft haben. Für die Wirtschaft könnte dann nämlich der Absentismus ein Problem werden.
Nicht alle Massnahmen hätten inzwischen den gleichen kollektiven Nutzen, betonte Hauri. Mittels Contact Tracing lasse sich beispielsweise kaum mehr relevant Einfluss nehmen. Der Nutzen von Massnahmen könne sich ändern. Wie die Pandemie müssten sich auch die Massnahmen bewegen.
Schulen und Kitas stünden nach wie vor einer sehr hohen Virusaktivität gegenüber. Teilschliessungen und Quarantäne kämen aber inzwischen nicht mehr die gleiche Bedeutung zu wie noch vor einigen Wochen, so Hauri.
Für den individuellen Schutz hätten jedoch Fitness, gute Ernährung, Vorsicht, Hygienemassnahmen, Maskentragen und besonders der Impfung jetzt eine noch höhere Bedeutung. Die Impfkapazitäten würden von den Kantonen aufrechterhalten, selbst wenn sie derzeit nicht mehr so stark genutzt würden, sagte Hauri. Derzeit werden in der Schweiz laut Mathys täglich noch rund 25’000 Impfungen vorgenommen.
Wenige unerwünsche Nebenwirkungen
Die in der Schweiz verabreichten Covid-Impfstoffe haben laut Swissmedic zu wenigen gemeldeten unerwünschten Nebenwirkungen geführt. Bei 15 Millionen verabreichten Dosen erhielt Swissmedic 7200 Meldungen, die als nicht schwerwiegend eingestuft wurden. 4300 Nebenwirkungen galten als schwerwiegend.
Die in der Schweiz zugelassenen Impfstoffe dürften damit als sicher und effizient gelten, sagte Christoph Küng, der Leiter der Abteilung Arzneimittelsicherheit im Heilmittelinstitut Swissmedic an der Experten-Medienkonferenz des Bundes. (awp/mc/ps)