FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. (Foto: christa-markwalder.ch)
Bern – Die Kasachstan-Affäre hat keine strafrechtlichen Folgen. Nach der nationalrätlichen Immunitätskommission hat am Freitag auch die Rechtskommission des Ständerats entschieden, dass die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder vor Strafverfolgung geschützt bleibt.
Der endgültige Entscheid fiel ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung, wie Kommissionspräsident Stefan Engler (CVP/GR) vor den Bundeshausmedien sagte. Mit 10 zu 2 Stimmen sprach sich die Kommission ausserdem dagegen aus, die Immunität des St. Galler FDP-Nationalrats Walter Müller aufzuheben.
Nach Ansicht der Rechtskommission wäre die Aufhebung in beiden Fällen unverhältnismässig gewesen, wie Engler sagte. Dass die fraglichen Vorfälle einen Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit hatten, war jedoch in beiden Fällen unbestritten.
Markwalder und Müller waren im Zusammenhang mit der so genannten Kasachstan-Affäre ins Visier der Justiz geraten. Markwalder hatte Unterlagen der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats an eine Lobbyistin weitergegeben. Es handelte sich um Antworten des Bundesrates auf eine Anfrage aus der Kommission zum Verhältnis zwischen der Schweiz und Kasachstan.
Strafanzeige ohne Folgen
Die Aussenpolitische Kommission stufte dies zwar als Verletzung des Kommissionsgeheimnisses ein, verzichtete aber auf eine Strafanzeige. Allerdings reichten zwei Privatpersonen Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft ein. Darin werfen sie der amtierenden Vizepräsidentin des Nationalrats unter anderem Amtsgeheimnisverletzung und politischen Nachrichtendienst vor.
Dazu wurde Markwalder nun auch noch von der Rechtskommission des Ständerats eingehend befragt. Diese wertete aber das institutionelle Interesse an einem funktionierenden Ratsbetrieb höher als das rechtsstaatliche Interesse an einer Strafverfolgung, wie Engler erklärte. Zudem habe Markwalder glaubhaft machen können, dass es nie ihre Absicht gewesen sei, jemandem einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen oder jemandem zu schaden.
Die Immunitätskommission des Nationalrats war Anfang Juli zum gleichen Ergebnis gekommen. Sie forderte jedoch das Büro des Nationalrats in einem Brief auf, disziplinarische Massnahmen gegen Markwalder zu ergreifen. Dieses hatte sich allerdings schon im Juni einstimmig gegen solche Schritte ausgesprochen.
Die Rechtskommission des Ständerats ihrerseits verzichtet darauf, dem Nationalratsbüro Empfehlungen in dem Zusammenhang abzugeben. Das sei Sache des Nationalrats, sagte Engler.
Vorwurf der Bestechlichkeit
Gegen Markwalders Parteikollegen Walter Müller reichte die JUSO Strafanzeige ein. Müller hatte sich im Mai 2014 zu einer Reise nach Kasachstan einladen lassen. Nach Ansicht der JUSO liess sich der St. Galler Nationalrat damit bestechen.
Nach Ansicht der Rechtskommission wäre die Einleitung eines Strafverfahrens auch in diesem Fall unverhältnismässig, zumal Müller die Kosten für die Reise nachträglich selber übernommen hat. Dieser habe die Kommission davon überzeugt, dass er als Mitglied der Gruppe Schweiz-Kasachstan die Reise in der Absicht unternommen habe, dass sich die beiden Länder besser kennenlernen und verstehen könnten, sagte Engler.
In der Kommission löste der Fall jedoch eine Diskussion darüber aus, ob die einschlägigen Parlamentsrichtlinien aus dem Jahr 2007 noch zeitgemäss sind. Müller habe ein sehr intensives Arbeitsprogramm absolviert, die Reise habe offensichtlich nicht dem Vergnügen oder der Erholung gedient, erklärte Kommissionsmitglied Robert Cramer (Grüne/GE). Die Rechtskommission will darum das Ratsbüro damit beauftragen, die Richtlinien unter die Lupe zu nehmen.
Gesuch der Bundesanwaltschaft abgelehnt
Die Immunitätsfrage hatte sich gestellt, weil die Bundesanwaltschaft aufgrund der Anzeigen um Aufhebung der Immunität der beiden Parlamentarier ersucht hatte. Diese Gesuche sind nun definitiv abgelehnt.
Gestützt auf die angezeigten Sachverhalte sei nicht festgestanden, dass die fraglichen Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt seien, schreibt die Bundesanwaltschaft auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda in einer Stellungnahme. Eine Nichtanhandnahmeverfügung sei daher nicht in Frage gekommen.
Eine solche wird die Bundesanwaltschaft nach den Kommissionsentscheiden nun aber erlassen. Das bedeutet, dass aufgrund der Strafanzeigen keine formelle Strafuntersuchung eröffnet wird.
Diskussionen über Lobbying
Neben strafrechtlichen Fragen hat die Affäre einmal mehr eine Diskussion über den Lobbyismus unter der Bundeshauskuppel ausgelöst. In dem Zusammenhang war nämlich auch bekannt geworden, dass Markwalder nicht nur Informationen aus der Kommission an eine Lobbyistin der PR-Agentur Burson-Marsteller weitergegeben hatte.
Sie reichte auch eine Interpellation im Zusammenhang mit Kasachstan ein, die von der Agentur verfasst worden war. Diese wiederum handelte im Auftrag der kasachischen Partei Ak Schol, die sich als Oppositionspartei bezeichnet, aber der autoritären Regierung nahe steht. Im Interpellationstext wurde auf Wunsch aus Kasachstan der Begriff «Menschenrechte» entfernt.
Das trug auch der Lobbyistin Marie-Louise Baumann Kritik ein. Gemäss einem Bericht des Lobbyisten-Verbands SPAG von Anfang Juli hatte sie die Standesregeln in mehreren Punkten missachtet. (awp/mc/upd/ps)