Im Windschatten der Coronakrise wird in der Schweiz die Medienszene mit den geplanten Zuschüssen zugunsten der grossen Verlage zementiert und von Staatshilfen abhängig gemacht. Das nicht mehr funktionierende Print-Modell soll ebenso gestützt werden wie die nicht funktionierenden Online-Bezahlmodelle. Auf der Strecke bleiben unabhängige Anbieter mit heute funktionierenden Online-Angeboten. Ganz im Sinne der grossen Verlage.
Von Helmuth Fuchs
Der Bundesrat hat die aussergewöhnliche Lage in der Coronakrise genutzt, um, anstatt endlich das überholte Mediengesetz zu revidieren, ein Massnahmenpaket für die gebeutelten Medien zu schnüren. Dieses umfasst nach der Beratung im Ständerat drei Bereiche:
- Die Erhöhung der Subventionen für Printmedien (Verbilligung der Posttaxen, Subventionen für die Frühzustellung) um zusätzliche 70 Millionen auf neu 120 Millionen Franken pro Jahr;
- 30 Millionen pro Jahr für Institutionen und Projekte, die der ganzen Branche zugutekommen (Ausbildung, IT-Projekte, Presserat, Nachrichtenagentur);
- Förderung für Onlinemedien von ebenfalls 30 Millionen pro Jahr.
Stärkung der Grossen, Zementierung nicht funktionierender Geschäftsmodelle
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass das Förderprogramm vor allem den grossen Verlegern TX Group, Ringier, NZZ und CH Media nützt. Die bis anhin geltende Auflagenobergrenze von 40’000 Exemplaren wurde aufgehoben, so dass neu auch nationale Zeitungstitel von der Unterstützung profitieren können. Zur Erinnerung: Die grossen Verlage, vor allem TX Group und NZZ, waren bei den ersten, welche Kurzarbeit einführten, gleichzeitig Dividenden an ihre Aktionäre ausschütteten und jetzt nach dem Auslaufen der Kurzarbeitszahlungen die nächste Runde beim Stellenabbau ankündigten.
Mit den geplanten Unterstützungsmassnahmen torpediert der Bundesrat genau die beiden Ziele, die er seinen Massnahmen zugrunde legt: Die Pressevielfalt und die Unabhängigkeit der Medien.
Ebenso sollen nur Online-Medien unterstützt werden, die auf Erträge der Leserschaft zählen können. Angerechnet werden Einnahmen aus Online-Abos, Tagespässen oder Einzelabrufen sowie freiwillige Beiträge der Leserschaft.
Am treffendsten hat Hansi Voigt (Bajour, zuvor Watson) die Auswirkungen der neuen Zuschüsse beschrieben:
Wenn 2020 die gesamten Landwirtschaftssubventionen exklusiv auf die grössten vier Bauern verteilt würde, und die Bio-Förderung explizit verboten werden soll, käme man dem Vorschlag, den die Medienkommission dank FDP @cwasi und @cvp @martin_candinas verbrochen hat, ziemlich nahe.
— hansi voigt (@hansi_voigt) August 25, 2020
Belohnte Dreistigkeit des Vielhutträgers Wanner
In fast schon bewundernswerter Dreistigkeit hat sich der Verleger Peter Wanner (AZ Medien, CH Media) in letzter Sekunde und gegen die Position des Verlegerverbandes, dessen Vizepräsident er ist, gegen das Massnahmenpaket stark gemacht. Ihn stört vor allem, dass von der Onlineunterstützung nur Angebote mit Bezahlschranken profitieren sollen. Seine Intervention hatte Erfolg. Die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen beschloss mit äusserst knappem Mehr überraschend, dass künftig zwar die Postsubventionen für die Schweizer Medienhäuser stark erhöht werden sollen, die geplante Onlineförderung aber aufgeschoben werden muss. Dennis Bühler hat in der Republik die Geschichte detailliert aufgearbeitet.
Die Motivation von Peter Wanner mag von Eigennutz geprägt sein, da sein «Watson» in der heutigen Fassung nicht in den Genuss der Onlineunterstützung kommt, in der Sache liegt er aber nicht falsch. Der Bund soll qualitative Bedingungen vorgeben, nach denen Fördergelder in Anspruch genommen werden können und nicht die Geschäftsmodelle vorschreiben. Schon gar nicht, wenn sich diese erwiesenermassen nicht am Markt durchsetzen konnten. So wird Innovation aktiv verhindert und das Festhalten am Scheitern belohnt.
Subventionsschüttende Bundesrätin als «Medienmanagerin des Jahres»
Die Medienbranche hat sich dank der staatlichen Unterstützung in den letzen 30 Jahren aktiv jeglicher eigenentwickelter Innovation versperrt und Innovationen von aussen verschlafen oder ignoriert. Radio- und Fernsehen wurde nur als Mittel zum Zweck zur Erpressung staatlicher Unterstützungsgelder verstanden, mit dem Resultat, dass mit ganz wenigen Ausnahmen kein einziger privater Radio- oder Fernsehsender ohne staatliche Unterstützung überlebensfähig ist. Denselben Weg versucht man jetzt auch im Online-Bereich.
Wie absurd diese Abhängigkeit der Medien vom Staat mittlerweile ist, zeigt sich auch daran, dass Simonetta Sommaruga für die Erhöhung der staatlichen Zuschüsse 2019 vom Medienmagazin «Schweizer Journalist» zur Medienmanagerin des Jahres gekürt wurde. Sommaruga habe mit den neuen Subventionen die Richtung einer künftigen Schweizer Medienpolitik vorgegeben. Zu Ende gedacht, mache sie das zur staatlichen Verlegerin.
Schöne neue Medienwelt.
Ausweg aus der Misere
Unabhängiger Journalismus ist für eine funktionierende Demokratie überlebenswichtig. Deshalb müssen die Teile des Journalismus, die sein Überleben garantieren, in eine unabhängige Stiftung eingebracht werden, welche auf einer Gesetzesgrundlage, unter Ausschluss von politischer oder wirtschaftlicher Einflussnahme, vom Staat finanziert werden muss.
Anstelle der neuen Fördergelder von jährlich 130 Millionen Franken an die einzelnen Medienunternehmen für völlig unklare Leistungen und die Erhaltung nicht funktionierender Angebote und Strukturen bezahlt der Bund mindestens diesen Betrag an die Stiftung für journalistische Inhalte.
Teile, welche in die unabhängige Stiftung eingebracht werden müssten:
- Eine breit aufgestellte Schweizer Nachrichtenagentur für alle Inhaltsformen (Text, Ton, Bild, Film). Die Inhalte der Agentur werden allen Medienanbietern und der Öffentlichkeit kostenlos zu Verfügung gestellt.
- Ein Journalisten-Ausbildungszentrum speziell für Kompetenzen wie Datenjournalismus, wissenschaftliche Berichterstattung, politische Recherche etc.
- Medienunternehmen können für Dossiers, welche Inhalte bieten, die im Sinne eines wissensbildenden Service Public einen Beitrag für die Allgemeinheit liefern, ebenfalls Gelder aus der Stiftung beantragen. Die dadurch entstehende Inhalte sind dann ebenfalls kostenlos anzubieten.
Saubere Trennung von SRG und privaten Anbietern
Die direkte Förderung bei der Zustellung im Printbereich wird auf der aktuellen Höhe belassen, da der Printbereich kein wachsendes Segment ist. Zusätzliche Einnahmen wird den Verlegern dadurch ermöglicht, dass die SRG als Mitbewerberin aus dem Werbemarkt genommen wird. Die SRG profitiert heute von Gebühren (1200 Millionen Franken) und Werbe- und Dienstleistungsgeldern (ca. 400 Millionen). Der Wegfall der 400 Millionen Franken bei verbleibenden 1.2 Milliarden Franken ist für die SRG verschmerzbar, wenn sie sich dafür auf echte Service Public-Inhalte ohne Rücksicht auf Werbekunden konzentrieren kann. Zudem kann sich die SRG die jährlich rund 80 Millionen Franken, mit denen sie die private Konkurrenz unterstützt, sparen.
Die wenig schlechtere Zwischenlösung
Sollten die Parlamentarier dem vom Bundesrat geschnürten Massnahmenpaket zustimmen, werden auf Jahre hinaus die grossen Verleger gegenüber den kleinen massiv bevorzugt. Es wird weniger Medienvielfalt geben, die nicht funktionierenden Geschäftsmodelle werden nur mit noch mehr Unterstützung am Leben gehalten werden können, und die Unabhängigkeit der Medien wird durch das hängen am staatlichen Tropf sachte weiter untergraben.
Das Aufschnüren des Pakets wird ebenfalls keine grundsätzliche Verbesserung für die Medienszene bringen, zumindest jedoch nicht willkürlich die Geschäftsmodelle im Onlinebereich vorschreiben.
Statt einfach die staatlichen Zuschüsse zu erhöhen braucht es eine Revision des Mediengesetzes, die Definition und den Schutz derjenigen Teile, welche für einen unabhängigen Journalismus überlebenswichtig sind und eine klare Trennung der SRG und der privaten Anbieter. Gelingt das nicht, bleibt wohl nur der Zustand, den die ansonsten nicht-bemerkenswerte Autorin Mary Elizabeth in ihrem Roman «Innocents» treffend beschreibt: «We are fucked-up and bleeding, but neither one of us is powerful enough to walk away from it like we should.»