MEM-Industrie: Krieg in der Ukraine droht den Aufschwung zu bremsen

Industrie

(Photo by Pete Wright on Unsplash)

Zürich – Der Geschäftsgang in der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) hat sich im vergangenen Jahr sehr erfreulich entwickelt. Im Vergleich zu 2020 erhöhten sich die Auftragseingänge um +26,5 Prozent, die Umsätze um +10,4 Prozent und Exporte um +12,7 Prozent. Ohne die Schwierigkeiten in den Lieferketten hätten sich Umsätze und Export noch besser entwickelt.

Der Stand des Einkaufsmanagerindexes PMI in den wichtigsten Märkten sowie die Erwartungen der Unternehmerinnen und Unternehmer der MEM-Branche deuten darauf hin, dass sich der Wachstumstrend in diesem Jahr fortsetzen wird. Der Krieg in der Ukraine führt allerdings zu neuen Unsicherheiten, welche die Investitionsgüternachfrage bremsen dürften. Darüber hinaus könnte der Konflikt eine Flucht in den Schweizer Franken und damit eine starke Aufwertung gegenüber dem Euro auslösen. Ausserdem droht die fehlende Assoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsförderungsprogramm «Horizon Europe» mittelfristig die Innovationskraft der Schweizer Industrie zu schwächen.

Nachdem die Schweizer MEM-Industrie im Jahr 2020 pandemiebedingt mit einem starken Abschwung zu kämpfen hatte, prägte ein ebenso steiler Aufschwung das vergangene Geschäftsjahr. Die Auftragseingänge nahmen im Vergleich zu 2020 um +26,5 Prozent zu. Auch die Umsätze stiegen im Vergleich zum Vorjahr um +10,4 Prozent. Ohne die Schwierigkeiten in den Lieferketten, welche die Auftragsabwicklung verzögerten, hätten sich die Umsätze noch besser entwickelt. Sowohl KMU als auch Grossbetriebe profitierten vom guten Geschäftsgang.

Mit dem Aufschwung stieg auch die Kapazitätsauslastung in den Produktionswerken. Sie lag im vierten Quartal 2021 bei 89,8 Prozent, nachdem sie in der Vorjahresperiode lediglich 78,3 Prozent betragen hatte. Gemäss den jüngsten Zahlen des KOF erreichte die Kapazitätsauslastung im Januar 2022 den Wert von 91,9 Prozent. Es überrascht deshalb nicht, dass sich auch die Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der MEM-Industrie erhöht hat. Sie stieg im vierten Quartal 2021 auf 318’900 und lag 1,2 Prozent höher als in der Vorjahresperiode. Dieser Anstieg belegt einmal mehr, dass es in der Schweiz keine Deindustrialisierung gibt. Viel mehr ist die Industrie eine attraktive und zukunftsträchtige Arbeitgeberin.

Höhere Exporte bei allen Warengruppen
Die Güterexporte der MEM-Industrie stiegen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um +12,7 Prozent und erreichten einen Wert von 68,5 Milliarden Franken. Alle wichtigen Märkte entwickelten sich positiv. So erhöhten sich die Exporte in die EU um +16,5 Prozent, in die USA um 11,4 Prozent sowie jene nach Asien um +7,2 Prozent. Alle wichtigen Warengruppen profitierten vom Aufschwung. Gegenüber 2020 erhöhten sich die Ausfuhren bei den Metallen um +21,3 Prozent, bei den Präzisionsinstrumenten um +11,2 Prozent, bei der Elektrotechnik/Elektronik um + 10,6 und im Maschinenbau um +9,1 Prozent.

Krieg in der Ukraine trübt die grundsätzlich guten Aussichten
Swissmem Direktor Stefan Brupbacher kommentiert die Geschäftslage: «Das Auftragsvolumen in der MEM-Industrie lag im vierten Quartal 2021 um fast 16 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Auf rein geschäftlicher Ebene hat die überwiegende Mehrheit der MEM-Firmen die pandemiebedingte Krise hinter sich gelassen.» Auch das Umsatzniveau übertraf im vierten Quartal 2021 erstmals den Stand vor der Krise. Nur wenige Subbranchen konnten noch nicht vollumfänglich vom Aufschwung profitieren. Davon betroffen sind vor allem die Zulieferer der Automobil- und Luftfahrtindustrie.

Die wichtigsten Indikatoren deuten darauf hin, dass sich der Wachstumstrend in diesem Jahr fortsetzen wird. «In fast allen Exportmärkten liegt der Einkaufsmanagerindex PMI über der Wachstumsschwelle», sagt Stefan Brupbacher. «Auch die Erwartungen der Unternehmerinnen und Unternehmer für die kommenden zwölf Monate sind grundsätzlich positiv.» In der jüngsten Swissmem-Umfrage rechnen 43 Prozent der Firmen mit einem steigenden und weitere 44 Prozent mit einem gleichbleibenden Auftragsvolumen aus dem Ausland. Auch der Anstieg in der Beschäftigung dürfte sich fortsetzen. Allein in den 1’270 Swissmem Mitgliedfirmen ist die Anzahl online ausgeschriebener Stellen innerhalb eines Jahres um 60 Prozent angestiegen.

Es bestehen allerdings Risiken, welche den Aufschwung bremsen könnten. An erster Stelle steht der bewaffnete Konflikt in der Ukraine. «Dieser Krieg schafft neue Unsicherheiten, welche die Investitionsgüternachfrage abschwächen könnten. Das trifft die MEM-Branche unmittelbar», sagt Martin Hirzel, Präsident Swissmem. «Darüber hinaus drohen eine Flucht in den Schweizer Franken und damit eine starke Aufwertung gegenüber dem Euro sowie höhere Preise von Energie und Rohstoffen. Wie einschneidend die Konsequenzen sein werden, ist derzeit noch nicht abschätzbar.» Weitere Risiken liegen in den nach wie vor bestehenden Handelskonflikten mit China. Bremsend wirken zudem die Probleme in den Lieferketten, welche sich voraussichtlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 zu entspannen beginnen.

«Horizon Europe» essentiell für die Schweizer Industrie
Der wichtigste Erfolgsfaktor der Schweizer Industrie ist und bleibt die Innovation. Das bedingt kontinuierliche Investitionen in Forschung- und Entwicklung. Vom EU-Forschungsprogramm «Horizon 2020», welches 2020 auslief, profitierte die Schweizer Industrie stark. Nun droht die fehlende Assoziierung der Schweiz an das Nachfolgeprogramm «Horizon Europe» die Innovationskraft der Industrie zu schwächen. Martin Hirzel betont: «Das globale Zentrum der Fertigungstechnik und der Ingenieurswissenschaften befindet sich nicht etwa in Asien oder den USA, sondern in der Schweiz, Deutschland, Österreich und Norditalien. Der Ausschluss von «Horizon Europe» entkoppelt die Schweiz teilweise von diesem Forschungs- und Innovationscluster. Der Bund erhöht zwar seine eigenen Fördermittel. Diese können aber die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in gemischten Konsortien nicht ersetzen.»

Hinzu kommt, dass den Schweizer Hochschulen auch im Tech-Bereich ein herber Verlust an Spitzenleuten droht, die vom Ausland abgeworben werden. Diese Spitzenkräfte gehen in der Folge auch der Industrie verloren. Swissmem fordert vom Bundesrat, alles Notwendige zu tun, damit eine Assoziierung der Schweiz an «Horizon Europe» noch in diesem Jahr möglich wird. Zudem braucht es wirksame Ersatz- und Ergänzungsmassnahmen, um den Innovationsmotor am Laufen zu halten. Mit diesen Massnahmen kann sichergestellt werden, dass die Industrie den Anschluss an die Weltspitze nicht verliert. (Swissmem/mc/pg)

Swissmem

Exit mobile version