Meret Schneider: Mehr dezentrale Schlachtkapazitäten – Deutschland überholt

Meret Schneider: Mehr dezentrale Schlachtkapazitäten – Deutschland überholt
Meret Schneider, Nationalrätin, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Ein echter Rückschlag für mehr dezentrale Schlachtkapazitäten und damit kürzere Tiertransportwege in der Schweiz: In der Herbstsession lehnte der Ständerat nach einer Annahme im Nationalrat die Motionen für eine Förderung regionaler Schlachtkapazitäten ab. Eine verpasste Chance, die Konzentration und Monopolisierung der Schlachtstrukturen auf dem Rücken der Tiere und der Bergbauern zu bremsen und ein Entscheid gegen den Willen des Volkes.

Ein Blick nach Deutschland macht deutlich: Dort wird erkannt, was der Ständerat nicht einsehen will. Dezentrale und mobile Schlachtkapazitäten sind nämlich nicht nur aus Tierwohl-Sicht ein wichtiger Schritt, sondern steigern auch die Wertschöpfung im ländlichen Raum, doch wurde diese Argumentation im Ständerat kaum berücksichtigt.

Tatsächlich ist der Entscheid auch ein Verdikt gegen das Interesse der Bevölkerung, die sich vermehrt für mehr Tierwohl und kürzere Transporte stark macht. So war beispielsweise der Widerstand gross, als Micarna (Migros) die Planung eines gigantischen Geflügelschlachthofs in St-Aubin im Kanton Freiburg bekannt gab, und noch immer hagelt es Einsprachen. Jährlich würden dort auf einer Fläche von gut zehn Fussballfeldern über 40 Millionen Hühner geschlachtet, die durch die halbe Schweiz transportiert würden. Das klare Verdikt der Bevölkerung gegen eine weitere Zentralisierung der Schlachtkapazitäten scheint die kleine Kammer jedoch nicht zu interessieren.

Dabei wäre die Annahme dringend nötig gewesen: Aktiv schlachtende Betriebe mit mindestens 5 Tieren pro Woche sind gerade in den dezentralen Regionen der Schweiz stark zurückgegangen. Ohne regionale Schlachtkapazitäten ist aber durch längere Transportwege das Tierwohl gefährdet und auch die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten steigt, je mehr Tiere in einem Massenabfertigungsprozess geschlachtet werden. Ausserdem bergen zentralisierte Schlachthöfe die Gefahr von Ausfällen und damit verbundenen Staus aufgrund der Anfälligkeit des Systems bezüglich Störungen oder Problemen in den Schlachtbetrieben.

Doch nicht nur aus Tierwohl-Sicht wären regionale Schlachthöfe mit kurzen Transportwegen wichtig: Die fehlende Wertschöpfung im ländlichen Raum und in Berggebieten schädigt auch die Gesamtwirtschaft in der Schweiz, und die Monopolisierung hat einen negativen Einfluss auf die Preisstrukturen. Heute werden je nach Tierkategorie über 80% der Tiere in den grossen Schlachthöfen der Grossverteiler im zentralen Mittelland geschlachtet. Dieser Prozess beschleunigt sich sogar, wie das aktuelle Beispiel der Migros-Tochter Micarna zeigt.

Interessant ist dabei ein Blick ins nahe und ferne Ausland: Während in China die Zentralisierung der Schlachtkapazitäten und Schlachtungen in immer grösseren Massenbetrieben voranschreitet, geht Deutschland nun einen anderen Weg. Mit dem Ausbau mobiler Schlachtkapazitäten will das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nämlich die Vielfalt der landwirtschaftlichen Betriebe und die Wertschöpfung im ländlichen Raum stärken. Mit einem Programm zur Innovationsförderung sollen insbesondere Projekte zur Entwicklung neuer Methoden und Ansätze finanziell unterstützt werden. Neben Unternehmen sind auch Hochschulen und ausseruniversitäre Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen antragsberechtigt.

«Fleisch aus mobiler Schlachtung hat das Potenzial, die Wertschöpfung im ländlichen Raum zu steigern», begründet Dr. Ophelia Nick, parlamentarische Staatssekretärin beim BMEL, den Schritt in einem Artikel der Zeitung Blickpunkt-Brandenburg. „Wir wollen moderne, praxistaugliche Methoden für eine tierschonende mobile Schlachtung auf den Betrieben fördern.“

Für kleine Schlachtbetriebe und Direktvermarkter mit konventioneller sowie ökologischer Haltungsform kann die Schlachtung im Herkunftsbetrieb laut BMEL ein Alleinstellungsmerkmal sein und die wirtschaftlichen Chancen verbessern. Mit den geförderten Projekten sollen wirtschaftliche Anreize für landwirtschaftliche Betriebe und regionale  Schlachthöfe geschaffen werden. Denn die fortschreitende Zentralisierung der Schlachtbranche macht es für viele Betriebe schwieriger, einen Schlachthof in ihrer Nähe zu finden. Die Folge sind lange Transportwege, was dem Interesse an mehr Tierwohl entgegenläuft. Ausserdem ist die fortschreitende Zentralisierung ein wirtschaftlicher Faktor, der kleinere landwirtschaftliche Betriebe vor zusätzliche wirtschaftliche Herausforderungen stellt und zu einer sinkenden Wertschöpfung vor Ort beiträgt.

Schade, dass diese Argumentation kaum in die Debatte des sonst so wirtschaftsfreundlichen Ständerats eingeflossen ist und ich hoffe sehr, dass wir nicht erst beim nächsten Ausbruch eines neuen Krankheitserregers erkennen, wie schädlich die fortschreitende Zentralisierung und Massenabwicklung nicht nur für Tiere,  Bäuerinnen und Bauern, sondern auch für die Gesundheit unserer Gesellschaft ist. Dass eine Förderung regionaler Schlachthöfe keineswegs wirtschaftsfeindlich sein muss, sondern im Gegenteil zur Wertschöpfung beiträgt, zeigt der Blick nach Deutschland und in Anbetracht unseres “besten Tierschutzgesetzes der Welt” sollten wir uns da nicht überholen lassen.


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