Meret Schneider: Schweizer Brot zu welchem Preis?

Meret Schneider: Schweizer Brot zu welchem Preis?
Meret Schneider, Nationalrätin, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Noch nicht lange ist es her, dass ich hier über die Preiserhöhungen für Brot von Coop ohne relevant höhere Produzentenpreise und trotz höherer und billigerer Getreideimporte geschrieben habe. Die Geschichte geht nun weiter und stellt uns vor die Grundsatzfrage, die sich in zunehmendem Masse für die meisten landwirtschaftlichen Produkte stellt: Was darf und soll uns die Schweizer Produktion kosten? Was davon soll der Staat und was die Konsumierenden berappen?

Eine spannende Frage, die von unterschiedlichen Akteuren und interessanterweise auch von Produkt zu Produkt diametral unterschiedlich beantwortet wird.

Wie bereits in meiner letzten Brotkolumne beschrieben, geht die Brotgetreideproduktion in der Schweiz zurück. Die Anbaufläche hat zwischen den Jahren 2000 und 2020 um mehr als 20’000 ha oder 20 Prozent abgenommen, wie der Zeitung “Schweizer Bauer” zu entnehmen ist. 2023 lag die Fläche noch bei gut 79’000 ha und auch die Flächenerträge waren vor wenigen Jahren noch deutlich höher, da vermehrt extreme Wetterereignisse wie die starken Regenfälle dieses Sommers die Produktion erschweren und zu grossen Ernteausfällen führen. Die Produktion von Schweizer Brotgetreide kann die Nachfrage also zum aktuellen Zeitpunkt mitnichten decken, was in einer klassischen Angebot-Nachfrage-Situation eigentlich zu einer Erhöhung der Richtpreise für Brotgetreide und damit zu mehr Getreideanbau im Inland führen müsste, da sich die Getreideproduktion dann wieder stärker lohnen würde. Dies ist jedoch keineswegs der Fall: Die Richtpreise wurden nur marginal angehoben und die Getreideproduktion wird in der aktuellen Marktsituation zunehmend unwirtschaftlich für die Schweizer Bäuerinnen und Bauern, was den Rückgang der Anbauflächen weiter beschleunigt. Unser Brotkonsum jedoch ist nach wie vor hoch und wenn wir die Supermärkte unseres Vertrauens betreten, können wir über Angebotsmangel nicht klagen: Die meterlangen Regale sind gut gefüllt. Dies ist möglich, weil der Bund nach Bedarf das Importkontingent für Brotgetreide entsprechend erhöht – 2024 beispielsweise um 20’000 Tonnen – und sich in den letzten 10 Jahren auch die Einfuhr von Halbfertig- und Fertigprodukten (Teiglinge) mehr als verdoppelt hat. Heute liegt sie bei 300’000 Tonnen pro Jahr (vgl. jährliche gemahlene Menge Brotgetreide in der Schweiz: 400’000 Tonnen). Dies geht gar so weit, dass regelmässig hochwertiges Schweizer Brotgetreide zu Futtergetreide deklassiert werden muss, weil es von billig importierten Backwaren und Teiglingen zu stark konkurriert wird.

Wir haben es hier also mit einem Fall zu tun, der uns allzu bekannt vorkommt: Gleiches Szenario hatten wir diesen Sommer mit den billigen Importkirschen und immer wieder bei Schweizer Fleisch, das inländische Produkte durch günstigere Preise konkurriert. In einer Marktsituation, in der die Produktionsbedingungen im Ausland (Löhne, Anforderungen an Tierwohl und Ökologie) so stark von den Anbaubedingungen im Inland abweichen, kann man den Markt, der im Agrarbereich aus ohnehin alles andere als ein freier ist, nicht spielen lassen, ohne den Schweizer Bauernstand durch die billigen Importprodukte schlicht zu ruinieren. Im Fleischbereich wird dies vielfach durch die strengen Kontingente entschärft, wobei ich beim Pouletimport aus Ländern wie Brasilien und Ungarn durchaus Fragen hätte – aber das wäre ein anderer Text. Bleiben wir also beim Brotgetreide. Was könnte getan werden, um die Situation der Getreidebauern in der Schweiz zu verbessern und den Anbau pflanzlicher Produkte, wie er politisch ja immer wieder gefordert wird, zu fördern? Eine Antwort darauf lieferte eine Motion von Christine Badertscher, die in dieser Wintersession trotz Ablehnung durch den Bundesrat vom Nationalrat angenommen wurde. Sie beauftragt damit den Bundesrat, den Maximalzoll für Brotgetreide dem vereinbarten Maximalzoll gemäss WTO-Übereinkommen gleichzusetzen. Statt 23 Franken soll der Zollansatz neu 35 Franken pro 100 Kilo betragen. Sollten die Produktionskosten und in der Folge der Richtpreis wieder sinken, könnte der Bund den Zoll wieder nach unten anpassen. Bundesrat Parmelin argumentierte in der ablehnenden Antwort, dass Brotgetreide eine der rentabelsten Kulturen bezogen auf den Arbeitsbedarf sei. Dies würde auch für die vergangenen beiden Jahren mit vorübergehend markant angestiegenen Kosten für Produktionsmittel gelten. Nun ja, die Getreidebäuerinnen und -bauern sehen das offenbar anders und ich bin froh, haben wir im Nationalrat die Motion überwiesen.

Nun müssen wir nur noch konsequent sein, denn beim Hafer sind wir in einer ähnlichen Situation. Trotz der guten Nachfrage nach Biospeisehafer wird hier der Bedarf nicht mit dem vorrätigen hiesigen Biospeisehafer gedeckt, sondern mit importiertem Knospe-Hafer. Der Grund dafür ist die fehlende Übernahmepflicht des Inlandspeisehafers. Denn als zum Beispiel Coop mit der Knospe startete, gab es noch gar keinen Schweizer Biohafer, wie die Bauernzeitung schreibt. Damals konnte dieser Rohstoff nur importiert werden, weswegen jetzt die Importbeschränkung im Rahmen der Richtlinien fehlt. Müssen wir also auch hier einen höheren Grenzschutz und Importbeschränkungen beschliessen? In meinen Augen konsequenterweise ja. Ich bin gespannt, wie sich die Freier-Markt-Fraktion in diesem Falle verhält, meines Erachtens gilt: Wie dem Weizen, so dem Hafer! Auch hier muss sich der Anbau lohnen.


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