Meret Schneider: Sessionserfolg und Ausblick

Meret Schneider: Sessionserfolg und Ausblick
Meret Schneider, Nationalrätin, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Begleitet von Aufruhr und Protesten der Bäuerinnen und Bauern gegen unfaire Handelspraktiken und tiefe Produzentenpreise wurde auch in der Frühlingssession engagiert über Agrarpolitik diskutiert – unter anderem über eine Motion von mir, die meine Fraktionsfreundin Irène Kälin dankenswerterweise übernommen hatte. Das Momentum hätte nicht besser sein können, denn in meiner Motion nahm ich das Anliegen der oft vom Detailhandel einseitig abhängigen Bäuerinnen und Bauern vorweg, endlich direkt und fair für ihre Produkte entlohnt zu werden und sich von dieser Abhängigkeit ein Stück weit zu emanzipieren.

Eingereicht 2022, wurde sie nun mit viel Rückenwind aus dem Landwirtschaftssektor überwiesen – trotz ablehnender Haltung des Bundesrats und einer mutlosen Gegenargumentation von Bundesrat Guy Parmelin: ein Szenario, das sich mir während meiner Amtszeit selten genug geboten hatte.

Mit meiner Motion wird der Bundesrat beauftragt, Massnahmen zu ergreifen, die den Einstieg für Bauern in die Direktvermarktung vereinfachen. Denkbar wären finanzielle Anreize, die Erschliessung von Absatzkanälen wie öffentliche Verpflegungseinrichtungen oder der Abbau von Hürden in Bezug auf lebensmittelrechtliche Anforderungen, die ein unverhältnismässiges Mass an Bürokratie mit sich bringen.

So werden beispielsweise Etiketten genau unter die Lupe genommen – was vom Prinzip her auch sinnvoll ist. Dabei gibt es jedoch einen ganzen Katalog an Parametern zu beachten, was darauf geschrieben werden darf und was nicht. Ein Hof darf zum Beispiel nicht darauf hinweisen, dass Süssmost und Säfte keinen zusätzlichen Zucker enthalten und frei von Konservierungsstoffen sind – obwohl dies von Kundinnen und Kunden immer wieder gefragt wird. Dieser Hinweis dürfte nur dann auf das Etikett gedruckt werden, wenn für jedes Produkt eine Nährwerttabelle auf dem Etikett ersichtlich wäre. Dafür müsste jedoch von jedem Produkt eine Probe ins Labor gesendet werden, um eine Nährwerttabelle zu erhalten, was mit hohen Kosten und Personalaufwand verbunden wäre. Warum ich das so detailliert beschreibe? Weil im Zuge der Bauernproteste immer wieder über Bürokratie und administrativen Aufwand geklagt wird und ich im Gespräch mit Menschen ohne landwirtschaftlichen Hintergrund oft auf Unmut gestossen bin bezüglich dieser Forderung, da die wenigsten ahnen, wie viel an Formalia teilweise die einfachsten Dinge mit sich bringen. Doch zurück zur Motion.

In seinem Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik betont der Bundesrat die Bedeutung der Direktvermarktung für einen nachhaltigen Konsum – zu Recht. Dazu schreibt er unter anderem: «Bei kurzen Versorgungsketten gelangen regionale Lebensmittel möglichst direkt von den Produzentinnen und Produzenten zu den Konsumentinnen und Konsumenten. Damit kann die Landwirtschaft ihren Absatz diversifizieren und zusätzliche Wertschöpfung generieren. Aufgrund der Nähe zur Konsumentin und zum Konsumenten schafft diese Aktivität gegenseitiges Vertrauen und Verständnis, und es kann innovativ und flexibel auf die Konsumentenbedürfnisse reagiert werden. Zudem schaffen kurze Versorgungswege eine Verbindung zwischen Produktion und Konsum. Vorteile vom Direktverkauf für Konsumentinnen und Konsumenten sind die Rückverfolgbarkeit der Produkte, Information über die Produktionsart, keine Normierung der Produkte, Lokalität von Sorten und Vielfalt, transparente Margen, Saisonalität und wenig verarbeitete Lebensmittel sowie reduzierter Treibstoffverbrauch für den Transport.»

Eine klassische Win-Win Situation, von der alle profitieren sollten – eigentlich. Eigentlich spricht alles dafür, denn die Direktvermarktung minimiert zusätzliche Umweltkosten, Transportwege, Food Waste und Energieverluste im Prozess der Verarbeitung und auch die während der Bauernproteste angeprangerten hohen Margen durch den Detailhandel würden elegant umschifft. Doch obwohl das Interesse an mehr Direktvermarktung vorhanden wäre, wie ich in meinen direkten Gesprächen mit Bäuerinnen und Bauern immer wieder erfahren habe, ist der Anteil der Betriebe mit Direktvermarktung mit 26 Prozent noch immer relativ gering. Über alles gesehen liegt der Anteil der Direktvermarktung nach Schätzungen des Schweizer Bauernverbandes bei weniger als 5 Prozent des Gesamtmarkts. Gründe, die für diesen tiefen Anteil genannt werden, sind hohe Investitionskosten, ein hoher Arbeitsaufwand sowie Hürden bürokratischer Art wie die oben beschriebenen Nährwertangaben. Im Sinne einer Förderung und Stärkung der Direktvermarktung wäre es daher wichtig, Anreize zu verstärken und Einstiegshürden baulicher und bürokratischer Art weitmöglichst auszuräumen, um Bauernfamilien den Einstieg zu erleichtern und zu einem nachhaltigen Einkaufsverhalten beizutragen.

Genau das will meine Motion. Sie fordert Massnahmen, die den Einstieg für Bäuerinnen und Bauern in die Direktvermarktung vereinfachen. Denkbar wären finanzielle Anreize, die Erschliessung von Absatzkanälen wie öffentliche Verpflegungseinrichtungen, die zu gross kalibriertes Gemüse direkt vom Bauern beziehen könnten und der Abbau von Hürden in Bezug auf lebensmittelrechtliche Anforderungen.

Obwohl das Anliegen, der Strategie des Bundesrates entspricht, den Bauernbetrieben und auch dem Wunsch der Konsumierenden nach mehr Transparenz und lokaler Herkunft der Lebensmittel entgegenkäme, sprach sich der gern als Bauernvertreter gehandelte Herr Parmelin dagegen aus. Er argumentierte, dass die gesetzlichen Grundlagen für die Unterstützung des Direktverkaufs bereits vorhanden seien und die Minimierung von Einstiegshürden im Rahmen der Weiterentwicklung der künftigen Agrarpolitik geprüft werden könne. Klar, die gesetzlichen Grundlagen sind vorhanden – auf diesen fusst schliesslich meine Motion; nur wird, wie so oft, nichts unternommen. Auch ist begrüssenswert, dass weitere Massnahmen im Rahmen der Agrarpolitik geprüft werden können – doch aus Erfahrung wissen wir: Wenn in der Politik etwas geprüft werden kann, wohnt dieser Optionalität bereits die bundesrätliche Lethargie inne und es wird nichts geschehen.

Entsprechend motiviert bin ich durch das klare Ja zur Motion des Nationalrats und durch die Proteste der Bäuerinnen und Bauern für faire Preise und Handelspraktiken und bin sehr zuversichtlich, dass wir dieses Momentum nutzen können, um gemeinsam für den gemeinsamen Nenner einzustehen, statt uns in Grabenkämpfen zu verlieren. Dass meine Motion im Übrigen primär von FDP- und SVP-Vertreterinnen und -Vertretern abgelehnt wurde, die sich sonst gern als Bauernfreunde in Szene setzen, sei hier dennoch kurz erwähnt: so viel Ehrlichkeit muss sein.


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