Meret Schneider: Verantwortung endet nicht an der Landesgrenze – und erst recht nicht im Parlament

Meret Schneider: Verantwortung endet nicht an der Landesgrenze – und erst recht nicht im Parlament
Meret Schneider, Nationalrätin, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

“Verantwortung endet nicht an der Landesgrenze” lautete der Titel einer Medienmitteilung des Schweizer Bauernverbandes zum Fokus Magazin “Nachhaltiger Handel für unsere Ernährung”, das sich liest wie eine Besänftigungsschrift für Menschen wie mich, die dem Schulterschluss zwischen den Wirtschaftsverbänden und dem Bauernverband besonders in Bezug auf anstehende Freihandelsabkommen kritisch gegenüberstehen.

Im Magazin wird beschrieben, wie die Umweltbelastung der Agrarimporte reduziert und die Nachhaltigkeit unseres Ernährungssystems verbessert werden könnte. Ein positives Beispiel für die Möglichkeit der Gestaltung eines nachhaltigen Handels sind gemäss Bauernverband private Branchenstandards. So hat sich der Schweizer Agrarsektor selbst dazu verpflichtet, nur noch gentechnikfreie, palmölfreie und möglichst nachhaltig produzierte Futtermittel zu verwenden, beispielsweise muss Soja aus nachhaltiger Produktion stammen. Das hat bewirkt, dass die Schweiz heute 80% des importierten Sojas aus Europa bezieht. Damit auch die Konsument*innen beim Einkaufen mithelfen können, müssen sie mit einer transparenten Deklaration über bedenkliche Produktionsmethoden oder umweltschädliche Flugtransporte informiert werden.

Das Potenzial der Förderung der Nachhaltigkeit im Agrarhandel ist jedoch, wie betont wird, noch lange nicht ausgeschöpft. Der Bund sollte sich sowohl in bilateralen Handelsverträgen wie auch in der WTO weiter für die Stärkung der Nachhaltigkeitsanforderungen einsetzen. Mit dem Artikel 104a ist die Schweiz verpflichtet, diese Möglichkeiten zu nutzen, denn die Verantwortung für eine nachhaltigere Ernährung endet nicht an der Landesgrenze. Da Importregelungen aus WTO-rechtlicher Sicht laut Bauernverband schwierig umsetzbar sind, muss auf den bewussten Einkauf der Konsumentinnen und Konsumenten gesetzt werden.

Transparente Informationen über die Herstellung der Produkte bilden die Basis eines nachhaltigen Kaufverhaltens. Idealerweise geschieht dies über private Labels. Dies funktioniert bereits sehr gut für Produkte, die zusätzliche Anforderungen erfüllen; umgekehrt listen die Hersteller und Händler bedenkliche Produktionsmethoden kaum freiwillig auf, weil sie von der Intransparenz profitieren. Aus diesem Grund braucht es zumindest für die besonders bedenklichen Produktionsmethoden eine staatlich verordnete Deklarationspflicht. Eine solche Pflicht existiert bereits bei der Käfighaltung von Legehennen und Kaninchen, sowie beim Einsatz von hormonellen und antimikrobiellen Leistungsförderern. Die Erfahrungen sind durchwegs positiv, weshalb auf Basis einer Kommissionsmotion aus der WBK weitere Produktionsmethoden der Deklarationspflicht unterstellt werden müssen.

Auch die Deklaration von Flugtransporten bei Lebensmitteln wird im Fokus Magazin als positives Beispiel erwähnt und spätestens da muss sich das Fokus Magazin, dem ich in seiner Gänze nur beipflichten, wenn nicht gar applaudieren kann, der harten Realität stellen. Ich erinnere mich genau an die Diskussionen zur Deklarationspflicht bedenklicher Produktionsmethoden und jener von Flugtransporten, beides Vorstösse, die hier als positive Entwicklungen herausgehoben werden. Tatsache ist jedoch: die Parteien, die sich gegen diese Deklarationspflichten ausgesprochen und gewehrt haben, waren die FDP und die SVP – also genau jene, die den Bauernverband im Parlament grossmehrheitlich vertreten und die jetzt gemeinsam in den Wahlkampf mit dem Bauernverband einsteigen werden.

Wie lässt sich die Ablehnung dieser Vorstösse mit den Aussagen im Fokus Magazin in Einklang bringen? Und wie kommt es, dass diese Deklarationsvorstösse ebenso wie die anstehenden Vorstösse für die Ausweitung der Deklaration von Palmöl auf Kosmetik, Reinigungs- und Waschmittel und für die Aufnahme des Tierwohls im Nachhaltigkeitskapitel von Freihandelsabkommen aus Grüner Feder stammen, während der Zusammenschluss von Bauernverband und economie suisse explizit dafür wirbt, weniger Grüne im Parlament zu wollen? Schliesslich entsprechen diese Anliegen exakt der Strategie in Bezug auf kommende Freihandelsabkommen, die im Fokus Magazin des Bauernverbandes selber beschrieben wird. Fragen über Fragen und es bleibt mir nur zu hoffen, dass auch die Vertreter*innen des Bauernverbandes im Parlament sich vor der Behandlung der genannten Vorstösse ihr eigenes Magazin noch einmal durchlesen. Es lohnt sich, es ist in meinen Augen beeindruckend gut und ich danke den Herausgebenden des Bauernverbandes für Ihren Weitblick auch über den politischen Tellerrand hinaus.


Meret Schneider, Eintrag bei Wikipedia
Meret Schneider, Eintrag auf der Parlamentsseite


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