metal.suisse: Krieg in der Ukraine verschärft Engpässe bei Stahl und Metallen

metal.suisse: Krieg in der Ukraine verschärft Engpässe bei Stahl und Metallen
metal.suisse-Präsidentin und SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr. (Foto: parlament.ch)

Basel – Der russische Überfall auf die Ukraine verursacht immenses menschliches Leid in einem europäischen Land. Er wird auch die Engpässe auf den Stahl- und Metallmärkten weiter verschärfen. Bereits am Tag des Angriffs stiegen die Preise für zahlreiche Metalle erneut schlagartig an.

Das vergangene Jahr war geprägt von erheblichen Lieferengpässen bei metallischen Rohstoffen auf den europäischen Märkten. Zum Jahreswechsel 2021 / 2022 zeichneten sich für einige Produkte, wie Baustähle, eine Erholung ab, während die Versorgung mit Aluminium oder Stahlblechen weiterhin sehr eingeschränkt blieb. Diese ersten Lichtblicke verschwinden nun durch den Krieg im Osten von Europa. Die bereits hohen Preise für viele Metalle schiessen seit Kriegsbeginn in die Höhe. Durch den Krieg steht nicht nur die Wirtschaft in der Ukraine still. Die von der EU ergriffenen Sanktionen gegenüber Belarus und Russland erschweren den Warenaustausch mit diesen Ländern. So hat der Stahlkonzern Severstahl seine Lieferungen in die EU gestoppt, nachdem Sanktionen gegenüber seinem Haupteigentümer, dem Oligarchen Alexei Mordaschow, ergriffen wurden. Dieser Markt fällt nun als Rohstofflieferant weg.

Die Ukraine und Russland gehören zu den fünf grössten Nettoexporteuren von Stahl und Vorprodukten weltweit. Die GUS-Region ist eine wichtige Lieferquelle für warmgewalzte Blech-Coils für europäische Abnehmer (siehe Faktenbox). In der Ukraine hat der Produzent Metinvest direkt die Produktionsstätten im Süden in Mariupol geschlossen und auch ArcelorMittal Kryvyi Rih hatte Einschränkung der Produktion bekanntgegeben. Azovstal wurde am 19. März 2022 bei Gefechten zerstört. Damit fällt eines der grössten europäischen Stahlwerke für Vorprodukte der Stahlherstellung (sog. Knüppel) dauerhaft aus. Mit dem Angriff auf die Hafenstädte im Süden der Ukraine ist der Schwarzmeer-Markt komplett zum Erliegen gekommen, was unter anderem für den grossen türkischen Markt bedeutet, dass sie sich nach neuen Quellen umschauen müssen. Zudem fehlen tausende ukrainische Chauffeure, die für den Krieg eingezogen wurden.

Batterien für Elektroautos werden teurer

Die Verknappung von Aluminium und Palladium sorgt in der europäischen Industrie in Europa für tiefe Sorgenfalten. Der russische Konzern Rusal etwa ist der weltweit zweitgrösste Produzent von Aluminium. Die Angst, dass Russland als Gegenmassnahme der Sanktionen des Westens seine Lieferungen der wichtigen Metalle Aluminium, Nickel und Palladium einschränken könnte, führten zu so massiven Preissteigerungen an der London Metal Exchange, dass der Handel einiger Produkte ausgesetzt werden musste. Beim Nickel sitzt der Konzern Nornickel Norilsk am langen Hebel. Russland war 2019 der drittgrösste Nickelförderer nach Indonesien und den Philippinen. Beim raffinierten Nickel nimmt Russland den zweiten Rang ein. Das Metall wird vor allem für nichtrostenden Stahl aber auch für andere wichtige Produkte wie Batterien verwendet. Aktuell wird das Metall in erster Linie für die Herstellung von Batterien für Elektroautos verwendet. Auch hier bewegt sich der Preis auf Rekordhöhe.

Russland mischt auch bei anderen Metallen ganz vorne mit. Bei Palladium kontrolliert Russland 50 Prozent des Weltmarktes und der russische Konzern VSMPO-Avisma ist der weltweit grösste Lieferant von Titan.

Der Krieg hat zudem weitere gravierende Auswirkungen auf die Märkte: Deutlich gestiegene Transportkosten und Engpässe bei Transporten, gepaart mit stark gestiegenen Gas- und Energiepreisen verteuern die Produkte. Die Drohung einer Gasverknappung hat zusätzliche Brisanz, da die Produktion erhebliche Mengen dieses Rohstoffs benötigt. Auch die Unberechenbarkeit der aktuellen Situation führt zu einer Verunsicherung, welche die Preise zusätzlich in die Höhe treibt.

Enorme Preisansteige und drohende Marktverknappung

Für die Schweizer Marktversorgung mit Aluminium und Stahl bedeutet das nicht nur einen enormen Preisanstieg in kurzer Frist. Auch wissen die Händler und Importeure, dass es wieder zu einer Marktverknappung kommen könnte. Die ersten Werke haben bereits darauf hingewiesen, dass die Produktion aufgrund hoher Energiekosten eingeschränkt wird und nicht alle Anfragen zu 100% bedient werden. Die Lieferengpässe sind vor allem beim Bewehrungsstahl aktuell.

Thomas Freuler, Präsident des Schweizerischen Stahl- und Haustechnikhandelsverband SSHV, weist darauf hin, dass die angefragten Mengen nicht mehr geliefert werden können: „Für unsere Kunden in der Bauwirtschaft bedeutet dies nicht nur höhere Preise. Sie müssen auch damit rechnen, dass es zu Verzögerungen bei den Lieferungen kommt, da nicht genug Material auf dem Markt ist.“ Nachdem die Kundenseite auf einige Produkte bereits im 2021 verzichten musste, verschärft die Verknappung die Situation der Materialverwender. Der Preisdruck war in der Vergangenheit bei Stahl-, Metall, Fenster und Fassadenbauern bereits enorm.

Im letzten Jahr führten die hohen Produktpreise bereits dazu, dass die verbleibenden Margen erodierten. Entsprechend ernst ist nun die Situation für viele KMU. Diana Gutjahr, Präsidentin des Dachverbands metal.suisse äussert sich besorgt: „Angesichts des menschlichen Leids und der humanitären Katastrophe stehen wir hinter den Sanktionen gegenüber Russland. Aber diese haben auch wirtschaftliche Konsequenzen in der Schweiz. Die Preise für wichtige Bau- und Industriematerialien
werden steigen und die Kosten der Betriebe werden explodieren. Aus dieser Situation gilt es zu lernen.“

Dank Kreislaufwirtschaft Abhängigkeiten verringern

Gutjahr fordert den Bundesrat dazu auf, seine Lehren daraus zu ziehen. Wie bei der Energie- und Gasversorgung muss auch die Versorgung mit Metallen sichergestellt werden. Die Abhängigkeit von den internationalen Märkten ist hoch. In der Vergangenheit hat man viele Produktionsstandorte verloren. Die Kreislaufwirtschaft zeigt hier auf, wie in Zukunft die Abhängigkeiten verringert werden können. Dazu sollte die Schweiz dazu übergehen, den in der Schweiz anfallenden Schrott als Rohstoff zu begreifen und zu nutzen. Die Stahlwerke in Emmenbrücke und Gerlafingen leisten hier wichtige Arbeit. Aktuell drohen die Diskussionen rund um die Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien das energieintensive Recycling in der Schweiz zu benachteiligen. Auch das Fehlen eine nachhaltigen Gesamtstrategie, wie die
Energiestrategie des Bundesrates umgesetzt und das formulierte Netto-Null Ziel erreicht werden können, führt zu Unsicherheiten. Die Produktionsbetriebe haben mit immensen Investitionen in Co2 reduzierende Zukunftstechnologien in den letzten Jahren ein Bekenntnis zum Schweizer Standort abgegeben. Bundesbern muss nun die Hand reichen und mit der Branche die Abhängigkeit vom Ausland nachhaltig reduzieren. Dazu müssen die Rahmenbedingungen der Recyclingproduktion massiv verbessert werden, um diesen wichtigen Wirtschaftszeig und damit die Eigenproduktion nicht zu gefährden. (metal.suisse/mc/hfu)


Der Dachverband metal.suisse fördert die Stahl-, Metall- und Fassadenbauweise in der Schweiz und setzt sich für den Materialkreislauf der metallischen Werkstoffe ein. Der Verband ist überzeugt, mit seiner Bauweise und seinen Materialien einen zentralen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele der Schweiz beitragen zu können. Recyclingmaterialien sind heute Standard. metal.suisse fördert Konzepte der Weiter- und Wiederverwendung von Gebäuden und Bauteilen und unterstützt deren Umsetzung.

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